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Köln verliert KernkompetenzenFord verlagert wichtiges Entwicklungsfeld in die USA

Lesezeit 4 Minuten
Ford Symbolbild

Blick auf das Ford-Logo auf dem Kölner Gelände in Niehl

  • Ford in Europa verliert eine der letzten verbliebenen Kernkompetenzen in der globalen Konzernstruktur.
  • Branchenbeobachter sehen in der Entscheidung eine Schwächung des Kölner Standorts.
  • Der Abschluss einer Kooperationsvereinbarung zwischen Ford und VW steht wohl kurz bevor.

Köln – Der US-Autobauer Ford verlagert im Zuge seiner Umstrukturierung offenbar vermehrt Kompetenzen aus Europa in die USA. Nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ wird die Federführung in der Fahrwerksentwicklung künftig nicht mehr bei Ford in Europa liegen, sondern in den USA. 

Damit verliert Ford auf dem Kontinent eine der letzten verbliebenen Kernkompetenzen in der globalen Konzernstruktur. Vor einiger Zeit hatte der US-Autobauer bereits die Entwicklung von Lenkungssystemen von Europa in die USA verlagert.

Im Entwicklungszentrum in Köln-Merkenich wird seit 2008 Fahrwerkstechnologie für Ford-Modelle weltweit entwickelt. Zwar werden die Mitarbeiter der Sektion auch weiterhin in dem Bereich arbeiten, allerdings unter amerikanischer Leitung. Laut eines internen Organigramms, über das die europäischen Ford-Mitarbeiter jüngst informiert wurden, wurde eine gesamte Management-Ebene nahezu komplett gestrichen – das ist auch vor dem Hintergrund des derzeitigen harten Sanierungskurses eine beachtliche Größenordnung. Der bisherige globale Fahrwerks-Direktor hat das Unternehmen Richtung USA verlassen. Die wenigen verbleibenden Manager werden künftig aus Merkenich in die amerikanische Zentrale in Dearborn berichten.

Schwächung des Standorts Köln

Branchenbeobachter sehen in der Entwicklung nicht nur eine Schwächung der europäischen Position innerhalb des Konzerns, sondern auch des Standorts Köln, wo nicht nur die deutsche, sondern auch die europäische Unternehmensführung sitzt.

Künftig habe man im Bereich Fahrwerksentwicklung deutlich weniger Eigenverantwortung, insofern sei der Einschnitt bedeutend – auch weil die Ford-Fahrwerke bislang branchenweit als besonders gut galten, heißt es aus Unternehmenskreisen.

„Veränderung der Kundennachfrage“

„Veränderungen der Kundennachfrage oder strategische Unternehmensentscheidungen zum Produktangebot haben immer direkte Auswirkungen auf die Produktentwicklung“, sagt Jörg Beyer, Geschäftsführer Produktentwicklung von Ford Deutschland und Executive Director der Produktentwicklung von Ford in Europa. Man zentralisiere Entwicklungsverantwortung im Konzern, nehme aber gleichzeitig neue, zusätzliche Entwicklungsaufgaben für Ford Europa an Bord. „Parallel dazu hat aber auch die Produktentwicklung einen anteiligen Beitrag zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung im Unternehmen zu leisten,“ sagt Beyer.

Ford steckt in Europa in dem wohl tiefgreifendsten Restrukturierungsprozess der Unternehmensgeschichte. Jüngst hatte die US-Mutter angekündigt, insgesamt 12 000 der mehr als 50 000 Stellen zu streichen sowie sechs Werke zu schließen. Deutschland ist dabei am stärksten betroffen. An den Standorten Köln und Saarlouis sollen 5400 Jobs abgebaut werden. Hintergrund sind hohe Verluste auf dem Kontinent. Im vergangenen Jahr beliefen sie sich auf 400 Millionen Dollar, wobei Deutschland isoliert betrachtet weiterhin gute Zahlen liefert. Einen nicht unerheblichen Anteil am Minus haben die Brexit-Pläne und die damit verbundene Pfund-Schwäche. Ein weiteres strukturelles Problem besteht darin, dass sich europäische Pkw wie etwa die deutschen Erfolgsmodelle Focus oder Fiesta außerhalb Europas nur bedingt verkaufen.

VW und Ford verhandeln seit Monaten

 Ford setzt nun weltweit auf eine Reduzierung der Plattformen, auf denen Modelle weltweit gebaut werden, sowie eine deutlich modularere Bauweise der Fahrzeugarchitekturen. Hier ist Ford im Vergleich zu seinen Wettbewerbern eher spät dran. Künftig, so Befürchtungen in Merkenich, sei man sehr viel stärker auf standardisierte Fahrwerke nach Baukastenprinzip aus den USA angewiesen – oder aus Wolfsburg von Volkswagen. Seit Monaten verhandeln die beiden Konzerne über eine weitreichende Zusammenarbeit. Laut einem Bericht des „Handelsblatt“ habe man sich nach harten Verhandlungen geeinigt. Nun müsse noch der VW-Aufsichtsrat den Plänen zustimmen, was offenbar längst nicht als sicher gilt.

Gäbe es grünes Licht der VW-Kontrolleure, würde Ford künftig den Modularen-Elektro-Baukasten (MEB) der Wolfsburger nutzen, um auf der VW-Plattform E-Autos zu produzieren. Bislang hat der US-Autobauer für Europa kein eigenes rein batterie-getriebenes Modell entwickelt. Zwar kündigte das Unternehmen im Frühjahr an, dass es für jede Modellreihe künftig eine elektrische Antriebsoption geben werde.

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Die „Hybridisierung“ allein reicht allerdings nicht, um den durchschnittlichen Verbrauch der Fahrzeuge so stark zu senken, wie es die EU vorgibt. Ab dem übernächsten Jahr könnten dem Konzern hohe Bußgelder drohen. Für VW würde die Kooperation im Gegenzug eine Entlastung bei den hohen Entwicklungskosten bedeuten. Darüber hinaus könnten die Wolfsburger von dem Vorsprung der Amerikaner bei der Entwicklung autonomer Fahrzeuge profitieren.

Wie viel ford-eigenes Know-How im Falle der Implementierung der VW-Elektro-Plattform noch gebraucht wird, ist ebenso fraglich, wie eine schnelle Kompatibilität der Systeme von VW und Ford.

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