Kölner Firma erlaubt Dauer-Homeoffice„Es ist egal, wie viele Stunden gearbeitet wird“

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Homeoffice Symbolbild

Homeoffice ist während der Corona-Krise zur Normalität geworden.

  • Das Kölner Digital-Unternehmen Trusted Shops erlaubt seinen 500 Mitarbeitern, auch nach der Corona-Krise im Homeoffice zu bleiben.
  • Geschäftsführer Jean-Marc Noël erklärt, wie das gehen soll und sagt: „Mir ist egal, wie viele Stunden ein Mitarbeiter arbeitet.“
  • Der Mitgründer der Firma berichtet auch, was nicht funktioniert hat und sagt: „Nicht alle jubeln jetzt und wollen für immer zu Hause arbeiten.“

Köln – Herr Noël, Ihre 500 Mitarbeiter dürfen künftig immer im Homeoffice arbeiten. Wollen Sie Mietkosten sparen?

Es steckt viel mehr dahinter. Unser Ziel ist, unseren Mitarbeitern mehr Freiheit und Flexibilität für Leben und Arbeit zu bieten. Wir können so noch effizienter die gleichen oder sogar bessere Ergebnisse erzielen. Natürlich können wir auch Ressourcen wie unsere Büros anders nutzen. Daneben spielt aber auch Attraktivität als Unternehmen eine Rolle: Wir wollen nicht nur die besten Talente aus Köln oder der Nähe unserer weiteren Standorte, sondern von überall. Homeoffice ermöglicht das. Ein Beitrag zum Umweltschutz ist es außerdem auch.

Sie und Ihre Mitarbeiter sind seit zwei Monaten im Homeoffice. Wie hat sich Ihr Geschäft in der Zeit entwickelt?

Wir haben das Glück, dass unser Geschäftsmodell auf dem Online-Handel basiert, wir hatten daher natürlich viel zu tun. Die Zahlen der vergangenen zwei Monate sind aber auch sonst super. Wir können sehen, dass Mitarbeiter teilweise bessere individuelle Ergebnisse erzielt haben als zuvor. Wir haben sogar neue Mitarbeiter eingearbeitet, die unser Büro bis jetzt nicht von innen gesehen haben. Das beweist, dass Homeoffice funktioniert.

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Jean-Marc Noël, Mitgründer und Geschäftsführer des Kölner Unternehmens Trusted Shops

Ich habe bereits vor der Krise versucht, das Thema im Unternehmen zu platzieren. Damals gab es noch etliche Vorbehalte. Jetzt sind alle begeistert, dass es funktioniert. Ohne die Corona-Krise hätten wir das Experiment nicht gewagt. Was anfangs zum Schutz für unsere Mitarbeiter gedacht war, hat sich als wertvolle Erfahrung herausgestellt.

Aber es kann doch nicht alles positiv gewesen sein...

Nicht alle jubeln jetzt und wollen für immer zu Hause arbeiten. Für manche Mitarbeiter war es sehr belastend, ins Homeoffice gezwungen zu sein. Gerade unsere Vertriebsmitarbeiter leben davon, sich als Teams zu sehen und sich gegenseitig zu unterstützen. Dass das über so eine lange Zeit nur schwer ging, war nicht leicht. Wir wollen daher künftig auch niemanden zwingen, sich für das Büro oder das Homeoffice zu entscheiden. Wir möchten unseren Mitarbeitern die Freiheit geben, selbst zu entscheiden, von wo aus sie arbeiten möchten.

Wie messen Sie dann künftig die Arbeit der Angestellten?

Mir ist egal, wie viele Stunden ein Mitarbeiter arbeitet. Klar haben wir Kernarbeitszeiten, aber es geht vor allem darum, ergebnisorientiert zu arbeiten. Unsere Angestellten wissen selbst am besten, auf welchem Weg sie zum idealen Ergebnis kommen.

Zu Person und Unternehmen

Jean-Marc Noël ist Mitgründer und Geschäftsführer von Trusted Shops. Der gebürtige Franzose studierte an der Ecole Préparatoire, am Lycée Faidherbe, an der Ecole Centrale de Lille und der Université des Sciences Economiques Lille II. Vor der Gründung der Trusted Shops GmbH war er Geschäftsführer einer internationalen Unternehmensberatung.

Seit 1999 prüft das Kölner Unternehmen die Vertrauenswürdigkeit von Online-Shops und zeichnet sie mit einem Gütesiegel aus.

Nach welchen Regeln funktioniert die Arbeit denn künftig?

Ich habe für das Arbeiten im Homeoffice drei Prinzipien aufgestellt: Erstens, es ist egal, wo du arbeitest. Zweitens, das Unternehmen bietet dir Flexibilität, fordert sie aber auch von dir ein. Es wird künftig nicht mehr die gleiche Zahl fester Arbeitsplätze geben wie zuvor. Unsere Mitarbeiter werden Schreibtische flexibel buchen können. Drittens, Erfolg messen wir am Ergebnis, nicht an der Anzahl an Arbeitsstunden oder der Präsenz. Wichtig ist, dass Mitarbeiter in diesem System Eigenverantwortung entwickeln.

Twitter bietet seinen Mitarbeitern ebenfalls Homeoffice „für immer“, unterstützt Angestellte aber auch mit 1000 Dollar bei der Einrichtung des Heimbüros. Wie wollen Sie unterstützen?

Wir sind gerade dabei, die notwendigen Voraussetzungen bei allen Mitarbeitern zu schaffen, und sorgen zunächst dafür, dass alle mit einem Laptop ausgestattet sind. Wir werden unsere Mitarbeiter bei dieser unglaublichen Veränderung in kurzer Zeit natürlich auch darüber hinaus unterstützen.

Wissen Sie schon, wie viele Mitarbeiter das Angebot annehmen werden?

Ich gehe von der überwiegenden Mehrheit aus, die Homeoffice zumindest teilweise nutzen wird.

Wie kann Mitarbeiterführung gelingen, wenn man viele Angestellte gar nicht mehr sieht?

Natürlich wird es auch Situationen geben, in denen alle ins Büro eingeladen werden, um gemeinsam neue Konzepte zu entwickeln. Ich habe aber paradoxerweise das Gefühl, dass unser Team in der Krise noch enger zusammengewachsen ist, auch wenn sie sich nicht persönlich getroffen haben. Es kann also funktionieren. Ich selber habe noch nie so viel mit den Mitarbeitern kommuniziert wie in den letzten zwei Monaten.

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Ich habe jeden Tag einen Newsletter an sie geschrieben, habe Podcasts und Videos aufgenommen, um über aktuelle Entwicklungen zu berichten. So viel Transparenz gab es noch nie. Es gibt allen ein gutes Gefühl der Zugehörigkeit, wenn sie wissen, wo wir stehen. Bei allen schlimmen Aspekten der Krise ziehe ich für unser Unternehmen ein positives Fazit.

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