Kölner Entwicklungsbank-Chef„Erleben dort keine Krankheits- sondern Wirtschaftskrise“

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Das in Potsdam ansässige Unternehmen „Das Labor“ bietet medizinische Diagnostik in Afrika an, darunter Covid-Antigen-Schnelltests in der Elfenbeinküste 

  • Roland Siller, Vorsitzender der Kölner Förderbank DEG, spricht im Interview über die Coronasituation in Entwicklungsländern, die neue Strategie der DEG und wieso sie trotz Kritik in Panama investiert.

Köln – Herr Siller, Sie haben den DEG-Vorsitz Mitte Juli inmitten einer globalen Pandemie übernommen. Wie waren die ersten Monate für Sie?

Das war eine sehr intensive Zeit. Ich wollte die Menschen im Unternehmen ja persönlich kennenlernen; habe mit sicher 200 bis 300 von ihnen darüber gesprochen, was sie umtreibt. Und klar, in so einer Zeit gibt es natürlich zahlreiche Herausforderungen. Pandemiebedingt war 2020 eine deutliche Erhöhung der Risikovorsorge notwendig. Dieses Jahr ist die Entwicklung sehr viel besser. Es gibt viel positive Energie, denn die Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, sind besser durch die Pandemie gekommen als erwartet. Nicht nur finanziell betrachtet, sondern auch mit Blick auf die Entwicklungswirkungen, die wir messen. Wir haben jetzt die Sicherheit, dass der überwiegende Teil der Verluste aus dem Jahr 2020 nur Buchverluste waren, die mittlerweile wieder aufgeholt sind.

Was bedeutet das in Zahlen?

Bei den Kreditzusagen werden wir 2021 wohl einen ähnlichen Wert erreichen wie im Vorjahr. Damals lagen wir bei 1,4 Milliarden Euro, dieses Mal könnten es vielleicht noch 1,5 Milliarden werden. In diesem Jahr haben wir fast zwei Drittel unserer Projekte mit anderen Entwicklungsfinanzierern gemeinsam gemacht, auch, um die Partner und uns zu entlasten.

Die Risiko- und Gewinnsituation hat sich insgesamt deutlich entspannt. Das, was wir vergangenes Jahr an Risikovorsorge gebildet haben, konnten wir dieses Jahr größtenteils wieder auflösen. Das ist für uns sehr wichtig, denn wir müssen unser Eigenkapital weiter ausbauen. Und wir wollen leistungsfähige Unternehmen in den Entwicklungsländern, die ihre Kredite zurückzahlen können.

Nun sind Sie ja in Staaten unterwegs, die in der Pandemie mit noch einmal ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen haben als wir in Westeuropa. Was macht den Unternehmen besonders zu schaffen?

Der Impfstatus ist gerade in Afrika sehr niedrig, allerdings ist dort die Bevölkerung jünger. Der Tenor war lange, dass wir dort keine Krankheits-, sondern eine Wirtschaftskrise erleben, ausgelöst durch unterbrochene Lieferketten, weniger Reisemöglichkeiten, die Einbrüche im Tourismus.

In den verschiedenen Teilen der Welt hatte die Pandemie aber natürlich auch sehr unterschiedliche Auswirkungen. Asien ist stark zurückgekommen und hat Rückgänge zum Teil überkompensiert. Dasselbe gilt für Europa. Lateinamerika war dagegen sehr stark betroffen und hinkt noch hinterher, Afrika genauso. Die Länder dort sind durch politische Probleme ohnehin vulnerabel. Die trifft so eine Krise noch einmal härter. Und jetzt werden wir natürlich abwarten müssen, was passiert, wenn höher infektiöse Varianten des Virus sich weiter ausbreiten.

ZUR PERSON

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DEG-Chef Roland Siller

Roland Siller ist seit Juli 2021 Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG). Zuvor war er Teil der Geschäftsbereichsleitung der KfW Entwicklungsbank und dort seit 2019 unter anderem für Strategie verantwortlich.

Die DEG ist eine Förderbank mit Sitz in Köln. Sie finanziert private Unternehmen und Finanzdienstleister in Entwicklungs- und Schwellenländern. Sie hat insgesamt rund 650 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Was tun Sie für die Unternehmen vor Ort?

In der ersten Phase lag unser Hauptaugenmerk darauf, sie zu stabilisieren. Wir haben in dieser Phase viel Unterstützung geboten, durch Finanzierungen und Beratung. Anfangs ging es viel um Krisenbewältigung. Aber auch das Thema Resilienz spielt eine wichtige Rolle: Wie kann ein Geschäftsmodell robuster werden? Nicht nur mit Blick auf Lieferketten, sondern zum Beispiel auch auf die Folgen des Klimawandels. Da geht es dann zum Beispiel um die Frage, wie Häuser klima- und ressourcenneutral gebaut werden können. Diese Themen gewinnen ja nicht nur in Entwicklungsländern, sondern auch in Deutschland an Bedeutung. Die Transformation der Industrie steht uns genauso bevor. Die Learnings gehen in beide Richtungen. Wir werden in Zukunft auch mehr Kooperationen sehen. Nehmen wir einmal Investitionen in erneuerbare Energien als Beispiel: Andere Länder haben bessere Bedingungen für die Gewinnung von grünem Wasserstoff als wir. Da werden wir zusammenarbeiten, wobei die Entwicklungsländer natürlich auch einen fairen Anteil an möglichen Gewinnen erhalten müssen.

Auch bei Ihnen intern findet gerade eine Transformation hin zu einem stärkeren Fokus auf Klimathemen statt.

Wir setzen derzeit eine neue Strategie um, die auf zwei Säulen basiert: Das Erwirtschaften eines nachhaltigen Ertrags bildet die eine Säule. Das ist für eine Bank selbstverständlich. Die zweite gleichwertige Säule sind unsere Ziele in den Bereichen nachhaltige Entwicklung und Klima, die wir deutlich erhöht haben. Sie sollen auch entsprechend bei der Vergütung incentiviert werden.

Außerdem wollen wir unsere Beratungsaktivitäten ausbauen und hierfür auch mehr Personal einstellen. Bislang sind Beratungen bei uns im Haus verankert, kommendes Jahr wollen wir eine Tochter gründen, die auf Beratungen, etwa zum Thema Klima spezialisiert ist. Die Idee ist, dass wir Unternehmen künftig einen Check-up anbieten können, in dessen Rahmen wir ihnen erklären, wie sie ihren CO2-Abdruck verringern können. In erste Kleinmaßnahmen würden wir auch selbst co-investieren: Die Unternehmen und wir würden je die Hälfte der Kosten tragen. Wir als DEG werden bis 2040 klimaneutral sein. Die Anteile, die wir nicht einsparen können, wollen wir auch über so genanntes Offsetting erreichen.

Im Zuge der Veröffentlichung der Pandora Papers gab es zuletzt Kritik an der Auswahl Ihrer Partner im Ausland. In Panama sollen Sie zum Beispiel in Banken investieren, die in Geldwäsche verstrickt sind…

In Panama investieren wir in Banken, damit diese wiederum kleine und mittlere Unternehmen vor Ort finanzieren können. Denn in vielen Partnerländern mangelt es an Finanzierungen für KMU, ein echtes Entwicklungshemmnis.

In Jurisdiktionen wie Panama gibt es besonders hohe Anforderungen an die Prüfung von Geldwäsche. Die betreffende Bank in Panama stand auch nicht unter Verdacht, Geldwäsche betrieben zu haben. Sie musste eine Strafe zahlen, weil sie bestimmte Prozesse in ihren Systemen nicht so abgebildet hat, wie es erforderlich war. Das ist ein normaler Vorgang. Wenn allerdings diese Probleme nicht behoben worden wären, hätten wir die Zusammenarbeit beendet. Nichtsdestotrotz werden wir prüfen, in welchen Jurisdiktionen wir weiter aktiv sein wollen und in welchen nicht. Denn wir sind in Regionen unterwegs, die viele Herausforderungen mit sich bringen, etwa auch in Hinblick auf die Beachtung der Menschenrechte – auch wenn wir vorab sehr sauber prüfen.

Wieso?

Wenn Sie in Regionen wie der DR Kongo, Liberia oder Afghanistan aktiv sind, agieren Sie auf sehr schwierigem Terrain. Da müssen Sie immer schauen: Wo genau sind Sie unterwegs? Wie können Konflikte reduziert werden?

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Reichen Ihre Kontrollmechanismen denn aus?

Wir haben umfassende Kontrollen, die regelmäßig überprüft und nachgeschärft werden und werden das auch weiter tun. Bei uns können Beschwerden über einen unabhängigen Mechanismus aufgenommen, weiterverfolgt und am Ende Empfehlungen ausgesprochen werden. Und Sie werden sehen: Auch die Bankenregulatorik wird die Themen ESG und Klima stärker in den Fokus nehmen. Nicht zuletzt, weil damit erhebliche Risiken verbunden sind. Der Anspruch, in Unternehmen mit entsprechenden Standards zu investieren, wächst in jedem Fall. Aber wir sind hier gut aufgestellt.

Als Nachfolger von Christiane Laibach haben Sie zumindest das Geschlechterverhältnis in der DEG-Geschäftsführung erst einmal stärker vermännlicht. Inwiefern wollen Sie im Unternehmen einen Beitrag zu mehr Diversität und Geschlechtergerechtigkeit leisten?

Das Thema bewegt sich nur, wenn Frauen und Männer gemeinsam daran arbeiten. Ich finde es immer wieder schockierend, wie viel es noch zu tun gibt – sowohl in den Ländern, in denen wir arbeiten, als auch hierzulande. Wir brauchen Perspektivvielfalt, Menschen mit verschiedenen Hintergründen. Es wäre dumm, diese Ressourcen nicht zu nutzen. Bei uns gibt es Tandemlösungen für Führungspositionen; es ist völlig fein, sich eine Weile auf die Familie zu konzentrieren, da gibt es keine Karrierenachteile. Die Möglichkeit, mobil zu arbeiten, gibt mehr Flexibilität. Man muss nur ehrlicherweise dazu sagen, dass Karriere und Verantwortung nur funktionieren, wenn etwas anderes aufgegeben wird. Das muss man mit der Familie klären.

Wie hoch ist der Anteil von Frauen in Führungspositionen bei Ihnen?

Wir liegen derzeit bei etwa 30 Prozent. Das variiert von Ebene zu Ebene, direkt unter der Geschäftsführung haben wir derzeit Bedarf, auch angesichts bevorstehender Generationenwechsel. Am Ende geht es darum, schon möglichst früh zu fördern.

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