Kaufen oder mieten?Kölner Immobilienexperte erklärt, was für viele sinnvoller ist

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Neubausiedlung (Symbolbild)

Neubausiedlung (Symbolbild)

  • In kaum einem Land Europas wohnen so wenig Menschen im Eigentum wie in Deutschland. Dabei bringt das viele Vorteile, sagt IW-Experte Michael Voigtländer.
  • Im Interview spricht er über seine Argumente für Wohneigentum – und wieso es in Deutschland trotzdem für viele unerreichbar scheint.

Herr Voigtländer, in Deutschland wohnen deutlich weniger Menschen im Eigentum als in anderen Ländern. Im europäischen Vergleich kam zuletzt bloß die Schweiz auf einen noch geringeren Anteil. Woran liegt das?

Diese Entwicklung hat ihren Ursprung in der Wohnungsmarktsituation nach dem zweiten Weltkrieg. Damals setzte man in Deutschland vor allem auf Sozialwohnungsbau, es entstanden viele Mietwohnungen. Und wir haben auch in der Folgezeit nie eine so starke Wohneigentumspolitik betrieben wie andere Länder. Dort waren und sind die steuerlichen Vorteile viel größer. Außerdem war die Mietengesetzgebung in Deutschland lange sehr ausbalanciert, was die Interessen von Mietern und Vermietern betrifft. Das hat dazu geführt, dass der Markt hierzulande relativ konstant geblieben ist, während Vermieter im Ausland in Folge von Mietstopps und anderen gesetzlichen Regelungen teils massenhaft an Selbstnutzer verkauft haben.

Welche Entwicklung haben wir in den vergangenen Jahren gesehen?

Über viele Jahre gab es einen leichten Anstieg der Wohneigentumsquote. Bis 2010 ist sie kontinuierlich gestiegen, seit 2010 stagniert sie allerdings bei rund 45 Prozent. Aufgrund der Zinssituation wäre eigentlich eine Steigerung der Wohneigentumsquote zu erwarten gewesen, aber vielen Mietern fehlt letztlich das Kapital, das sie u.a brauchen, um die Grunderwerbsteuer zu bezahlen.

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Sie haben zuletzt in einem Gutachten argumentiert, ein höherer Anteil an Wohneigentümern wäre wünschenswert. Wieso?

Seit 2010 sind die Zinsen extrem gesunken, wodurch Wohneigentum eigentlich erschwinglicher geworden ist: Unsere Berechnungen zeigen, dass man in vielen Städten aktuell schneller amortisieren – also seinen Kredit abbezahlen – kann als 2011. Gleichzeitig hat Wohneigentum in Zeiten niedriger Zinsen an Bedeutung für die Altersvorsorge gewonnen. Lebensversicherungen und betriebliche Altersvorsorgesysteme basieren sehr stark auf Zinsen, die kaum noch Rendite bringen. Die Lücke, die so entsteht, kann durch Wohneigentum geschlossen werden. Denn hier ist derzeit nicht nur die Finanzierung günstig, man spart sich im Alter auch die Miete und die Immobilien gewinnen mit der Zeit an Wert.

Zur Person

Michael Voigtländer ist Professor für Volkswirtschaftslehre und Leiter des Kompetenzfelds Finanzmärkte und Immobilienmärkte am Institut der deutschen Wirtschaft in Köln. In einem Gutachten hat er zuletzt die Chancen der Vermögensbildung auf dem Wohnungsmarkt analysiert.

Das ist auch mit Blick auf Vermögensbildung wichtig: In Deutschland ist Vermögen sehr ungleich verteilt. Diejenigen, die viel haben, gewinnen zuletzt noch dazu, während vermögensschwache Haushalte das Nachsehen haben. Das ist in anderen Ländern ausgeglichener, was zu einem guten Teil an Wohneigentum liegt.

Es gibt aber auch gesellschaftliche Argumente, die gegen einen Kauf sprechen.

Wohneigentümer sind weniger mobil als Mieter. Untersuchungen zeigen, dass sie am Arbeitsmarkt unflexibler sind; nicht dorthin gehen, wo Personal gebraucht wird. Das hängt in Deutschland allerdings auch mit den hohen Transaktionskosten für Immobilien zusammen: Je höher sie sind, desto schwieriger ist es, Wohneigentum aufzugeben. In Ländern wie Großbritannien, Irland und den USA, wo diese Kosten geringer sind, sind Wohneigentümer mobiler.

Die hohen Kaufnebenkosten sind generell eine Hürde für Käufer. Muss die Politik gegensteuern?

Ja. Diese Kosten sind kaum zu stemmen für Ersterwerber wie junge Berufstätige und Familien. Für sie liegt Wohneigentum schon deshalb in weiter Ferne, weil sie dafür sehr hohe Ersparnisse bräuchten. In NRW fallen 6,5 Prozent des Kaufpreises an Grunderwerbssteuer an, dazu kommen 1,5 Prozent für Notar und Grundbucheintrag, gegebenenfalls noch ein Makler. Am Ende lande ich also bei mehr als 10 Prozent. Für eine typische Immobilie muss ich mindestens 250.000 bis 300.000 Euro ausgeben – und diese 30.000 Euro Kaufnebenkosten, die dann anfallen, hat kaum jemand. Wir müssen zumindest die Ersterwerbssteuer deutlich senken oder die in anderen Ländern üblichen Freibeträge einführen.

Wem würden Sie grundsätzlich einen Kauf empfehlen, wem ein Mietobjekt?

Wer lange Zeit an einem Standort leben möchte, sollte mehr auf Wohneigentum setzen. Das trifft zum Beispiel auf Familien zu, die bereits wissen, wie viel Wohnfläche sie benötigen. Hier ist allerdings ein stabiles – nicht zwangsläufig ein besonders hohes – Einkommen Voraussetzung, um einen Kredit zu bekommen.

Wer jedoch häufiger umzieht oder weiß, dass seine Wohnbedürfnisse sich noch verändern werden, für den ist eine Mietwohnung geeigneter.

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Und wenn die finanzielle Last zu groß für Wohneigentum scheint?

Zum Immobilienkauf gehört Mut dazu, der hierzulande nicht besonders ausgeprägt ist. Deutschland leidet auch deshalb so stark unter den niedrigen Zinsen, weil wir bei unserer Vermögensanlage sehr konservativ sind. Deswegen investieren wir wenig in Aktien, aber auch wenig in Wohneigentum. Bei vielen Menschen ist der Gedanke verbreitet: Ich will keinen Fehler machen, nicht das falsche kaufen; ich warte besser ab, ob die Preise noch einmal sinken. Im Ausland ist man hier oftmals mutiger und nutzt Chancen besser. Das müssen wir auch.

Auch Kaufwillige finden derzeit aber schwerlich eine geeignete Immobilie auf dem leergefegten Markt. Wie würden Sie die Situation einschätzen?

In Köln und den Umlandkreisen wird nirgends so viel gebaut, wie wir tatsächlich bräuchten. Unseren Berechnungen zufolge wird der Wohnbaubedarf im gesamten Kölner Großraum lediglich zu 60 Prozent gedeckt. Für diejenigen, die Wohnungen kaufen, hat das den Vorteil, dass sie von weiteren Wertsteigerungen ausgehen können. Aber für die Wohnungssuchenden ist das natürlich ein riesiges Problem.

Ballungsgebiete gewinnen derzeit an Einwohnern – und auch die Region um Köln halte ich perspektivisch für weiter wachsend. Grundsätzlich sehen wir bedingt durch Corona leichte Verschiebungen dahingehend, dass Menschen sich stärker aus den Großstädten ins Umland bewegen. Die Region wird also weiter an Bevölkerung gewinnen. Das bedeutet für den Wohnungsmarkt gleichermaßen Stabilität und Anspannung.

Bei dem Interview handelt es sich um ein Archivstück von März 2021

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