Kölner KlinikgruppeWie zwei Unternehmer-Schwestern die Reha der Zukunft planen

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Ursula (l.) und Petra Becker leiten die Dr. Becker Unternehmensgruppe

Ursula (l.) und Petra Becker leiten die Dr. Becker Unternehmensgruppe

  • Ursula und Petra Becker leiten eine Kölner Unternehmensgruppe, die 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr macht.
  • Sie erzählen, wieso die Medizinbranche vergleichsweise träge ist – und wie ihre Zusammenarbeit als Schwestern funktioniert.
  • Eine ihrer Thesen: Schwestern konkurrieren weniger miteinander als Brüder.

Köln – Die Medizin, sagt Petra Becker, sei eine risikoaverse Branche. Keine Start-up-Welt, die vom Ausprobieren lebt, das funktioniere hier nicht. Veränderungen gebe es immer nur dann, wenn gleich eine klare Verbesserung sichtbar werde. Das sei vernünftig, führe aber dazu, dass die Branche sich oft langsamer entwickele als andere. Arbeitsprozesse betrifft das genauso wie Geschlechterstrukturen.

In der Becker-Unternehmensgruppe, die Petra Becker mit ihrer älteren Schwester Ursula Becker und zwei weiteren Geschäftsführern leitet, sind etwa 70 Prozent der rund 1850 Angestellten weiblich – und doch bewerben sich auf die Chefposten fast ausschließlich Männer. „Das hängt mit der Sozialisation im Gesundheitswesen zusammen“, sagt Ursula Becker. „Und wir werden hart daran arbeiten müssen, dass sich dieses Geschlechterdenken ändert.“

Umsatz von 100 Millionen Euro

Zur Unternehmensgruppe der beiden Becker-Schwestern gehören neun Reha-Kliniken mit insgesamt 1700 Behandlungsplätzen und fünf Altenheime mit 380 Betten. Die Verwaltung sitzt in Köln-Marienburg. Im vergangenen Jahr lag der Umsatz bei rund 100 Millionen Euro. Die Schwestern sagen: Eine Mischung der Geschlechter, des Alters und der Persönlichkeiten führt zu besseren Arbeitsergebnissen. „Wenn sich die Leute immer nur dasselbe erzählen, entsteht eine Echokammer“, sagt Petra Becker. „Die ganzheitliche Betrachtung fehlt, Probleme werden schlechter gelöst, es fehlt an neuen Ideen.“ Und gerade die Reha sei mit ihren planbaren Arbeitszeiten und dem interdisziplinären Fokus ideal für Frauen, auch mit Kindern.

Die vergleichsweise große Trägheit der Medizinbranche spüren sie dort nicht nur in Geschlechterrollen, sondern auch bei Arbeitsprozessen. „Die Patienten sind oft weiter als die Ärzte“, sagt Ursula Becker. „Sie werden das System zwingen, sich weiterzuentwickeln.“ Die beiden Schwestern versuchten, „in dem uns gegebenen Rahmen“ Arbeitswege so schnell wie möglich zu modernisieren. „Dabei geht es nicht darum, tolle neue Gerät zu kaufen“, sagt Ursula Becker. Vielmehr sollen der Informationsfluss in der Klinik verbessert und in der Reha neue Möglichkeiten ausgelotet werden.

Wissen über Videos

Zum Beispiel mit der Anwendung eines Flipped-Classroom-Modells: Dabei bekommen die Patienten das Wissen über ihre Reha-Therapie über Videos vermittelt. Die Therapiestunden können ausschließlich für die Anwendung dieses Wissens genutzt werden. „Die Patienten lernen dann, was das alles mit ihnen zu tun hat“, sagt Petra Becker. So steige die Qualität der Behandlung. „Unsere Vision ist, die Reha des 21. Jahrhunderts zu gestalten. In der Branche ist vieles noch im 20. Jahrhundert steckengeblieben.“

Becker und Becker haben die Unternehmensgruppe von ihren Eltern übernommen. Die hatten 1973 zunächst ein Kinderheim und 1977 die erste Klinik – eine Suchtklinik – geführt. Dass die Schwestern einmal die Nachfolge ihrer Eltern antreten würden, war damals noch nicht klar. Die Eltern ließen den Töchtern alle Optionen offen. Erst als Reha-Kliniken mit einer Gesetzesänderung Mitte der 90er Jahre in Schieflage gerieten und der damalige Geschäftsführer das Unternehmen verließ, entschied sich zuerst Ursula Becker, einzusteigen. Einige Jahre später folgte auch Schwester Petra, die zuvor in Teilzeit mitarbeitete.

Komplementäre Rollen

„Wir haben Rollen gefunden, die komplementär zueinander sind“, sagt Ursula Becker. Heißt: Sie kümmert sich um Verhandlungen mit Versicherungsvertretern und Kassen, um die Kommunikation mit Verbänden und Politik. Lange kämpfte sie zum Beispiel dafür, in Nordrhein-Westfalen mehr Betten für die Behandlung schwerstbetroffener Patienten genehmigt zu bekommen – mit Erfolg. Petra Becker ist derweil für Angebot und Versorgung, Controlling und EDV zuständig. Sie treibt die Digitalisierungs- und Modernisierungsvorhaben voran.

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Der gemeinsame Erfahrungsschatz sei ein Vorteil, sagen sie. Außerdem stünden Schwestern – im Gegensatz zu Brüdern – nicht so sehr im Wettbewerb zueinander. „Es gibt niemanden, der Sieger sein muss.“ Nur die Kliniken als Ganze, vielleicht. Die sollen unter Deutschlands besten sein. Zuletzt wurde zum Beispiel das Neurozentrum Niedersachsen in einem Klinikvergleich zur besten neurologischen Reha-Klinik gewählt.

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