Kölner Start-upGründer wollen Rechtsberatung für jeden bezahlbar machen

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Zwei der drei Anwaltnow-Gründer: Felix Winkler und Sascha Greier (r.)

Zwei der drei Anwaltnow-Gründer: Felix Winkler und Sascha Greier (r.)

Köln – Viele Deutsche scheuen den Gang zum Anwalt. Kommt es zu rechtlichen Problemen, vermeiden laut einer Forsa-Studie rund 70 Prozent, sich rechtlichen Beistand zu suchen vor allem aus einem Grund: Sie haben Angst vor intransparenten und unabwägbaren Kosten.

Anwälte berechnen ihre Leistungen häufig noch immer nach einer Gebührenordnung, die aus dem 20. Jahrhundert stammt und den heutigen Arbeitsbedingungen und -anforderungen nicht mehr gerecht wird – das sagen zumindest die Anwälte Sascha Greier (44) und Felix Winkler (38) sowie ihr Geschäftspartner Lennart Letzel (23). Die drei haben das Start-up Anwaltnow gegründet, wollen damit die Rechtsberatung ins digitale Zeitalter holen und Menschen den Zugang zu ihr erleichtern.

Die Gründer kennen sich aus dem Referendariat

Greier und Winkler kennen sich bereits aus dem Referendariat und arbeiten in einem gemeinsamen Büro. „Die Arbeitsbedingungen und -anforderungen an Anwälte haben sich in den vergangenen Jahren komplett verändert“, sagt Greier, der mit Letzel die Anwaltnow-Geschäfte führt. Früher habe ein Anwalt mitunter zwei Wochen Zeit gehabt, um eine rechtliche Frage zu recherchieren und ein Rechtsgutachten zu schreiben. So war es selbstverständlich, den Klienten mehrere Stunden Arbeitszeit in Rechnung zu stellen.

Heute hingegen, so Greier, betrage die notwendige Antwortzeit oft maximal eine Stunde. „Das liegt auch daran, dass das vormalige Herrschaftswissen nicht mehr nur in Bibliotheken steckt, sondern im Internet frei zugänglich ist.“ Der Anwalt muss die tatsächlichen Umstände gerade bei einfachen Problemfällen dann nur noch den gesetzlichen Vorgaben anpassen und mit dem Kunden die nächsten Schritte absprechen.

Und trotzdem machten Anwälte weiter „Verrenkungen und schreiben sechsseitige Gutachten, nur um zu beweisen, dass sie ihr Geld wert sind“, sagt Greier. Das Ergebnis: Rechtsberatung wird unnötig teuer und die Klienten bekommen mehr Leistungen und Arbeitsstunden in Rechnung gestellt, als es für eine fundierte Beratung gebraucht hätte. „Wer das einmal erlebt hat, geht künftig nicht mehr zum Anwalt“, meint Greier. Dabei seien viele einfache Rechtsfragen auch in zehn Minuten oder weniger zu beantworten, ergänzt Felix Winkler, der als Gründer in Anwaltnow investiert hat, im operativen Geschäft aber nicht tätig ist.

Auswahl aus 220 Beratungspaketen

Nun kommt Anwaltnow ins Spiel, „ein Marktplatz, auf dem wir Kunden und Anwälte zusammenbringen“, sagt Greier. Verkauft werden fest definierte Beratungspakete. Dafür wählt man auf der Webseite ein Rechtsgebiet und das passende Paket aus und erhält eine Liste mit Anwälten und deren Preisen. Ein Beispiel: Eine „Erstberatung Scheidung“ im Rechtsgebiet Familienrecht bieten zehn Anwälte für 45 bis 226 Euro an. Wie viel für welche Leistung gezahlt wird, ist von vornherein klar. Kunden auf der Suche nach Rechtsberatung können aus rund 60 Rechtsgebieten mit mehr als 220 Beratungspaketen wählen. Passt kein Paket auf ein Problem, können auch freie Anfragen gestellt werden.

Die Kölner Gründer, die ihr Büro am Hohenzollernring haben, wollen mit ihrem Geschäftsmodell jene Menschen für Anwälte gewinnen, die sich bis jetzt insbesondere wegen der Kostenintransparenz nie einen Rechtsbeistand genommen hätten. „Bislang war Rechtsberatung vor allem denen vorbehalten, die es bezahlen können, denen die Kosten auch oft egal sind“, sagt Greier.

Es gibt noch mehr Jura-Start-ups

Natürlich wollen die Anwaltnow-Gründer auch ein Geschäftsmodell auf die Beine stellen, mit dem sie Geld verdienen können. Für Anwälte ist die Anmeldung auf der Plattform kostenlos. Angestellt sind sie nicht, Anwaltnow ist lediglich die Schnittstelle zum Klienten. Die Juristen verdienen bei dem neuen Modell an einzelnen Mandaten nicht mehr so viel wie zuvor, bekommen aber deutlich mehr Mandate vermittelt, die sie in kürzerer Zeit bearbeiten können. An die Plattformen treten Anwälte bei Abschluss eines Mandats 20 Prozent der Bezahlsumme ab. Der Anfang ist gemacht: Rund 200 Anwälte haben sich bislang registriert, in den ersten zwei Monaten suchten etwa 1000 Personen die digitale Rechtsberatung auf.

Anwaltnow ist dabei eines von mehreren Jura-Start-ups, die das Rechtswesen digitalisieren wollen. Das Fluggastrechte-Portal Flightright ist bereits erfolgreich auf dem Markt, das Berliner-Start-up Frag Robin stellt den Kontakten zu Anwälten her, die Webseite anwalt.de vermittelt ähnlich wie die Kölner Beratungspakete. Auch Anwaltnow scheint für eine erfolgreiche Zukunft gut gerüstet: Privatinvestoren sind mit einem sechsstelligen Betrag eingestiegen, zu verlockend erscheint die Möglichkeit, eine riesige neue Zielgruppe zu erschließen. Auch die NRW Bank fördert Anwaltnow. Im kommenden Jahr wollen Greier, Winkler und Letzel in einer neuen Finanzierungsrunde Kapital einsammeln.

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