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Kölner WeltbürgerUnternehmer Peter Jungen wird 80

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Der ehemalige Strabag-Chef Peter Jungen

Der ehemalige Strabag-Chef Peter Jungen

Köln – Wenn Peter Jungens Frau ihren Mann foppen will, nennt sie ihn „Devisen-Ausländer“. Der Begriff ist fiskalisch nicht ganz präzise, und doch versteht jeder gleich, was gemeint ist: Der Kölner Unternehmer ist so viel in der weiten Welt unterwegs, dass man nicht immer genau weiß, wo er denn nun zu Hause ist.

In Köln, natürlich, sagt Jungen. Da steht sein Haus, da trinkt er sein Kölsch, da schlägt sein Herz für Kultureinrichtungen wie das Wallraf-Richartz-Museum. Aber na ja, New York, das sei für ihn und seine Familie schon auch „so ein Ort“. Hier haben Jungens Kinder studiert; auch hier ist er vielfältig engagiert, etwa in Gremien der New Yorker Philharmoniker und des Metropolitan Museum. Unausgesprochen markieren die beiden Städte, Köln und New York, in einem Atemzug genannt, dann doch eine gewisse Fallhöhe im Leben eines unentwegt Umtriebigen.

Jungen ist fasziniert von der Dynamik der chinesischen Wirtschaft

Etwa einen Monat im Jahr, erzählt Jungen, verbringt er in den USA, ungefähr die gleiche Zeit in China, dazu kommen Aufenthalte in Ländern Europas und Afrikas – „ein bis zwei Flüge wöchentlich, das ist keine Seltenheit“. Dass er an diesem Mittwoch 80 wird, ist seinem Pensum und ihm nicht anzumerken.

Reges Reisen entspricht dem Interesse an den zwei großen Volkswirtschaften USA und China. Gerade in der Volksrepublik passiere ökonomisch so vieles in so atemberaubendem Tempo, dass die Europäer und insbesondere die Deutschen aufpassen müssten, den Anschluss nicht zu verlieren, warnt Jungen – erkennbar fasziniert von der Dynamik der chinesischen Wirtschaft.

Dass die Führung in Peking nach Maos „Kulturrevolution“ und jahrzehntelanger Abschottung gemerkt habe, wie sehr sie gegenüber dem Westen zurückgefallen war, das schreibt Jungen der ersten, von ihm organisierten Delegationsreise chinesischer Funktionäre ins westliche Ausland 1978 zu. Die damals gewonnenen Erkenntnisse hätten ein Jahr später zur wirtschaftlichen Öffnung des Landes unter Deng Xiaoping geführt.

Kritik an Repressionen in China müsse sein

Jungen sieht seine Aufgabe heute insbesondere darin, den Chinesen die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft nicht nur als wirtschafts-, sondern auch als gesellschaftspolitisches Erfolgsmodell nahezubringen. Und er registriert dafür große Aufgeschlossenheit. Natürlich sei der Kapitalismus in China ein anderer als im Westen, aber in der ihm eigenen Ausprägung dennoch legitim – „ nicht einmal in der Religion gibt es schließlich nur eine Wahrheit“, sagt Jungen.

Kritik an Repression und Unterdrückung bürgerlicher Freiheiten müsse sein, findet er, empfiehlt aber Sensibilität und Augenmaß. „Die Chinesen haben ein feines Gespür dafür, ob Kritik an ihrer Politik nur für die Galerie gedacht ist.“

Zu Jungens wichtigsten Intuitionen gehört die Unterstützung junger, ambitionierter Gründer durch etablierte Unternehmer. Die einen haben die Ideen, die anderen die Erfahrung und das Geld. Das „Business Angels“-Netzwerk auf deutscher und europäischer Ebene verdankt sich wesentlich Jungens Initiative.

Engagement in der Kölner Kultur

In 20 Jahren investierte er nach eigenen Angaben in mehr als 70 Start-ups. Nicht ohne Stolz vermerkt Jungen, dass die „Wirtschaftswoche“ ihn unter den 100 einflussreichsten Persönlichkeiten im Bereich der New Economy listete. Im November findet der Jubiläumskongress zum 20-jährigen Bestehen der „Business Angels“ statt – natürlich in New York, wo sonst?

Aktuell beschwert Jungen das Nachhinken Deutschlands im Sektor der Business Innovation. „Wir spielen weit unter unserem Kampfgewicht“, klagt er. Seit 1995 ist die Zahl neuer Unternehmen rückläufig. 200 000 Start-ups gingen in Deutschland jährlich auf den Markt, 6,5 Millionen in China. Für seine Zahlen nennt Jungen immer gleich die einschlägige Quelle. „Ich habe kaum eine Meinung, sondern agiere auf der Basis der Empirie“, sagt er. Politik beginne „mit der Betrachtung der Realität“.

Kulturpolitik vermutlich auch. Seine Lehren in diesem Sektor zieht Jungen erneut aus dem direkten Vergleich der Kölner Verhältnisse mit der Situation in den USA. „Manches, was ich draußen mitbekomme, erhöht meine Ungeduld.“ Er befasse sich am liebsten mit Projekten, in denen „Engagement den Unterschied macht“. Genau dafür fehle es in Köln an Unterstützung. „Alle Museen und Sammlungen in Köln basieren auf privater Initiative. Ich wünschte mir, die Stadt würde das mehr anerkennen.“

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Im Übrigen sei das Leben „nicht lang genug“, um sich unentwegt „mit Endlos-Disputen herumzuschlagen“. Jüngstes Negativ-Beispiel: die Debatte über ein Museum für Werke des Kölner Ehrenbürgers Gerhard Richter. „Köln redet wie immer von neuen Vorhaben, bevor die alten beendet sind.“ Und droht am Ende mit allem steckenzubleiben. Dazu zitiert Jungen ein Bonmot über die hiesige Lebensart: „Warum eigentlich“, so frage der Rheinländer, „soll ich einem anderen immer gleich zwei Gefallen tun? Etwas versprechen – und es dann auch noch halten.“

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