Lambertz-Chef Hermann Bühlbecker„Der Dominostein eint die Republik“

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Bühlbecker

Hermann Bühlbecker in der Aachener Lambertz-Produktion

  • Hermann Bühlbecker ist der schillernde Chef und Inhaber des Aachener Gebäckherstellers Lambertz.
  • Im Interview verrät Bühlbecker, wie sich Ernährungstrends wie bio, vegan oder kalorienarm auf das Geschäft mit Printen und Lebkuchen auswirken.
  • Der Aachener wehrt sich außerdem gegen den Vorwurf, die Weihnachtszeit im Handel künstlich zu verlängern, um mehr Waren zu verkaufen.

Köln – Der schillernde Unternehmensinhaber Hermann Bühlbecker hat den Aachener Süßwarenhersteller Lambertz zu einem Weltkonzern geformt. In der Weihnachtszeit erwirtschaftet Lambertz den Großteil seines Umsatzes. Bühlbecker, der sich auf Gala-Abenden gerne mit Prominenten umgibt, spricht im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ über die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen, den Vorwurf, die Weihnachtszeit künstlich zu verlängern, und die Auswirkungen der US-Strafzölle auf das Geschäft. Außerdem verrät Bühlbecker, was er Russlands Präsident Wladimir Putin bei seiner aktuellen Reise als Gastgeschenk mitgebracht hat.

Herr Bühlbecker, die Ernährungsgewohnheiten der Deutschen haben sich verändert. Bio, Kalorienarmut, vegan… Welche Auswirkungen hat das auf Ihr Weihnachtsgebäck?

Wir sind im Segment der sogenannten Ganzjahresgebäcke deutscher Marktführer im Bereich der Biogebäcke. Aber bei unserer Saisonware spielen weder Bio noch Zucker- oder Gluten-Freiheit eine elementare Rolle. Zu Weihnachten gönnen sich die Leute etwas. Da geht es wesentlich um Genuss und Tradition. Ich denke, viele Verbraucher bringen mit unseren Produkten vor allem ihre Erinnerungen an die Kindheit, also positive, nostalgische Gefühle, in Verbindung. Diesbezüglich ist der deutsche Verbraucher, auch altersunabhängig, weiterhin eher konservativ eingestellt. Unsere Traditionssortimente sind quasi Synonym für die positiven Aspekte der Herbst- und Weihnachtszeit.

Aber was sind die 2019er Trends bei Lebkuchen, Printen und Co.?

Trends? Ich meine: Der Kunde will genau die Produkte wieder haben und genießen, die er acht oder zehn Monate lang eben nicht kaufen konnte. Vereinfacht gesagt: die Trends sind die von 2018. Und damals galten die Trends von 2017 und so weiter. Vor allem wollen unsere Kunden im Weihnachtsgeschäft, dass sich möglichst wenig verändert. Dies gilt vor allem für die Rezepturen. Sie wollen es so, wie sie es gewohnt sind und schätzen, klassisch, unverwechselbar, urtypisch eben. Auch der Handel setzt weiterhin auf diese Kernbedürfnisse. Das war in den letzten Wochen auch wieder deutlich in seinen umfassenden, bundesweiten Werbekampagnen für diese Traditionssortimente erkennbar.

Regelmäßig müssen Sie und der Handel sich dem Vorwurf aussetzen, die Weihnachtssaison von Jahr zu Jahr künstlich zu verlängern, etwa mit Lebkuchen im warmen Spätsommer. Was ist da dran?

Diese Saison-Verlängerung ist nur gefühlt. Und das wird vor allem in Jahren wie dem vorigen verstärkt. Die Weihnachtssaison für Gebäck besteht im Wesentlichen aus den Monaten November und Dezember. Ausgewählte Waren wie Lebkuchen und Zimtsterne gibt es aber auch bereits im September und Oktober, allerdings ohne Verpackungsdesigns mit Weihnachtsmotiven. Wenn nun die Monate September bis November, wie im Jahr 2018, gefühlte Sommertemperaturen haben, dann kann man leicht den voreiligen Schluss ziehen, Lebkuchen und Co. würden zur Unzeit verkauft. Die Wetterumstände waren in dieser Saison schon anders. Da hatten wir zwar einen sonnigen Sommer, doch dann kam auch die Kälte im Herbst.

Lambertz_Putin

Hermann Bühlbecker (r.) mit Wladimir Putin

Dennoch bleibt mein Eindruck, auch schon vor der Saison Spekulatius bekommen zu können…

Das liegt daran, dass manche Weihnachtsgebäcke mit den Jahren zu Herbstgebäcken geworden sind. Die werden also nicht nur unterm Tannenbaum gegessen, sondern dann, wenn es draußen ungemütlich und drinnen eben gemütlich wird. Im Übrigen stört mich an dieser Diskussion die Argumentation. Es ist ja nicht so, dass wir und der Handel diese Gebäcke nur so in die Regale legen. Sie liegen dort, weil eine sehr große Anzahl an Kunden diese auch nachfragt, auch in diesen Zeiträumen eben mag und millionenfach kauft. Mit einer Verwässerung des Themas Weihnachten hat dies nichts zu tun. Dies würde auch unserem Traditionsanspruch und unserem Interesse entgegenwirken.

Gibt es regionale Trends?

Ja, schon immer. Im Westen sind Printen beliebt, im Süden vor allem Nürnberger Lebkuchen, im Osten Stollen. Ein Produkt vereint aber besonders, könnte man sagen, die Republik. Die Nachfrage nach Dominosteinen ist überall gleich hoch. Pro Saison verlassen 8000 Tonnen Dominosteine, also über 600 Mio. Stück, unsere Werke. Früher einmal hatten wir Sorge, die jüngere Generation würde weniger auf die traditionellen Weihnachtsprodukte anspringen. Das ist aber in keiner Weise eingetreten. Nürnberger Lebkuchen, Aachener Printen, Dresdener Stollen und Dominosteine sind bedeutende, deutsche Kulturgüter, also mehr als nur konventionelle Gebäcke. Dies in ihrer historischen Bedeutung, aber auch in ihrem aktuellen Verbraucher- und Marktstatus.

Wie läuft die Saison 2019 aktuell?

Am Nikolaustag haben wir wie in jedem Jahr die Produktion von Weihnachtsgebäck für 2019 eingestellt. Das ist erfahrungsgemäß ausreichend, damit im Handel bis Weihnachten diese Waren verfügbar sind. Die Saison ist überragend gut gelaufen. Mit der Produktion hatten wir Ende Juni begonnen. Lange haltbare Printen werden stets zuerst gefertigt, später im Jahr Gebäck mit Füllungen. Ende August sind wir dann voll lieferbereit. Den Umsatz fördern immer Wetterlagen, bei denen es schon im Herbst kühler wird.

Die USA unter Präsident Donald Trump erheben seit neuestem Schutzzölle auf Produkte Ihres Hauses, wie sehr trifft Sie das?

Die Zölle auf Gebäck haben uns voll erwischt. Schizophren ist, dass diese Strafzölle im Gegenzug zu Flugzeugsubventionen erhoben werden. Lebkuchen und Luftfahrt haben für mich wenig miteinander zu tun. Wir machen in den USA etwa 28 Millionen Euro Umsatz. Darauf werden nun 25 Prozent Schutzzoll erhoben. In diesem Jahr hatten wir Glück im Unglück, weil ein großer Teil der Waren bereits vor der Einführung der Schutzzölle geliefert waren. Nächstes Jahr sieht das anders aus. Wir werden nicht darum herum kommen, den Zoll an unsere Kunden weiterzugeben, welche Folgen das auch haben wird.

Warum umgehen Sie die Zölle nicht und produzieren in den USA?

Wir verkaufen in Nordamerika vor allem Gebäckmischungen. An eine große Supermarktkette etwa liefern wir pro Jahr eine Million Blechdosen mit Gebäck zu einem Ladenverkaufspreis von 13 Dollar. Und in diesem Segment setzen wir voll auf das Label „Made in Germany“ oder „European Cookies“. Mit einer eigenen Produktion in den USA würden wir ja diese Herkunftsoriginalität als wesentliches Unterscheidungsmerkmal leider verlieren.

Sie setzen bei der Vermarktung weitgehend auf den Verzicht von Werbung und inszenieren viel mehr Ihre eigene Person beim Treffen mit Polit-Promis, Stars und Sternchen, darunter US-Präsidenten, dem spanischen König oder britischen Royals. Warum tun Sie das?

Zunächst mal: Ich mache Werbung mit meiner Person, aber nur für das Unternehmen. Homestorys mit mir werden Sie nicht lesen. Als ich das Unternehmen in den 1970er Jahren übernommen habe, machten wir umgerechnet nur acht Millionen Euro Umsatz. Anders gesagt: Ich hatte gar kein Geld für Werbung. Dann kam die Ära Genscher, zur gleichen Zeit expandierten wir vom regionalen zum nationalen, später zum internationalen Unternehmen. Und durch Genscher, Kohl und Co. bekamen wir die Möglichkeit, Staatsgästen in Bonn unsere Produkte als Geschenke der Bundesrepublik Deutschland selbst zu überreichen. Zu den Beschenkten zählten Könige und Präsidenten. Sich denen als Mittelständler präsentieren zu dürfen, das war auch gut für das Image des Unternehmens. Heute würde man das Content-Marketing nennen, wir haben das schon damals praktiziert, auch bei der „Clinton-Global-Initiative“ von Bill und Hillary Clinton arbeiten wir seit Jahren intensiv mit.

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Froh bin ich auch, Honorarkonsul der Elfenbeinküste zu sein, aus diesem Land stammt 60 Prozent der Kakao-Welternte. Wir tätigen heute mehr als 600 Millionen Euro Umsatz – und die meisten Produkte sind mit Schokolade überzogen.

Zerstören Sie sich nicht dieses gute Image, indem Sie auch Waren für den Discounter als Handelsmarken produzieren? Wieviel macht das aus?

Etwa 40 Prozent unserer Umsätze erzielen wir durch Handelsmarken. Ich bin da ganz Realist. Der Markt ist, wie er ist. Dazu gehören eben auch unterschiedliche Vertriebskanäle und -strategien. Wir haben uns auf diese Verhältnisse gut eingestellt und pflegen hierbei eine optimale Balance von Marken- und Handelsmarken. Das ist Teil unseres Erfolgsrezeptes. Wichtig für uns ist: Produkte der Lambertz-Gruppe, egal unter welchem Label, befinden sich in 100 Prozent der deutschen Geschäfte, die auch Lebensmittel anbieten.

Sie besuchten jetzt Wladimir Putin. Was brachten Sie ihm mit? Was wollten Sie da?

Ich bringe ihm Produkte mit, bei denen ich glaube, dass sie zum russischen Geschmack passen. Das ist auch das Interessante an Russland. Dort ist Lebkuchen kein Saisongebäck, sondern wird das ganze Jahr gegessen. Das macht den Markt für uns so besonders interessant. Damit haben Sie auch schon einen der Gründe für meinen Besuch bei Putin.

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