Langsamer wegen Coronakrise?Warum Kabel-Internet ein Nachteil werden könnte

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Homeoffice Telefonkonferenz

Eine Frau nimmt aufgrund der Ausbreitung des Coronaviruses aus ihrem Wohnzimmer an einer Telefonkonferenz teil.

  • Viele Nutzer nehmen das Internet aktuell als deutlich langsamer wahr als sonst. Viele führen das auf Homeoffice im Zuge der Coronakrise zurück.
  • Professor Torsten Gerpott von der Uni Duisburg-Essen hat dafür aber noch eine andere Erklärung.
  • Auch die Wahl der Leitung entscheide über die Geschwindigkeit, wenn viele Menschen auf das Netz zugreifen.

Köln – Mal lädt eine Seite deutlich langsamer als zuvor, mal wird ein Video in niedrigerer Qualität abgespielt als gewünscht, mal streiken ganze Programme – wenn in diesen Tagen die Internetverbindung nicht die gewohnte Leistung liefert, wird auch dafür häufig das Coronavirus verantwortlich gemacht.

Schließlich sind Millionen Menschen zu Zeiten zu Hause, in denen sie sonst im Büro sitzen und arbeiten. Nun konferieren sie im Wohnzimmer per Video, verschicken von der Couch umfangreiche Dateien oder legen sich einfach ins Bett und streamen einen Film. Daten, die vorher Firmennetze durchliefen, werden nun durch die heimischen Leitungen geschickt.

Provider warnen

Wie stark belastet das aber tatsächlich die Telekommunikationsnetze? Ist Corona schuld, wenn das Internet nicht so liefert, wie es die Verbraucher wollen? In Spanien hatte der Konzern Telefónica zusammen mit anderen europäischen Providern wie Movistar, Orange und Vodafone schließlich vor einer Überlastung der Netze gewarnt und Anwender zu einem verantwortungsvollen Umgang mit den Netzkapazitäten aufgefordert.

In Deutschland sieht die Situation anders aus, sagen zumindest die Anbieter: „Aus jetziger Sicht wird die Zunahme von Homeoffice und Streamingdiensten zu keiner Situation führen, in der die Netzkapazitäten an ihre Grenzen geraten“, sagte ein Sprecher der Deutschen Telekom. „Wir erleben eine Verschiebung in den Tageszeiten“, heißt es auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom Bonner Konzern, „nicht aber in der Gesamtlast.“

„Keine deutliche Steigerung“

Vodafone Deutschland sehe derzeit noch „keine deutliche Steigerung des Datenverkehrs in unseren Netzen“, heißt es in einer Mitteilung des Düsseldorfer Unternehmens: „Wir gehen aber von steigenden Kurven in den nächsten Tagen aus.“ Mehr Homeoffice werde zu einer stärkeren Festnetz-Nutzung führen. Konkrete Zahlen lieferte das Unternehmen nach: So nahm am Montag der Datenverkehr im Festnetz um zehn bis 15 Prozent zu. Im Mobilfunk sank er hingegen. Schließlich waren die Menschen weniger auf Straßen, in Bussen und Bahnen an ihren Mobilgeräten. Gleichzeitig stieg allerdings die Zahl der Anrufe im Vodafone-Mobilfunk um 20 Prozent.

Vodafone sei für die aktuellen Herausforderungen gut gerüstet, heißt es in der Pressemitteilung, „erst recht für die klassischen Anwendungen. Allerdings zeigen Nachbarländer, wie massive Gaming- und Streaming-Nutzung zusätzlich Last auf Netze bringen kann.“ Downloads von Spielen hätten mitunter zu einer Verzehnfachung des Datenverkehrs in diesem Bereich geführt, Streaming über Netflix und Co. zu einer Vervierfachung. Vodafone schreibt von „Einschränkungen“, die diese erhöhte Last nach sich gezogen habe, ohne das zu präzisieren.

Kabelnetze mit Nachteil

Gerade das Surfen über das von Unitymedia durch Vodafone übernommene und derzeit stark beworbene Kabelnetz könnte für manche Verbraucher allerdings noch zum Nachteil werden. Anders als bei klassischen Kupfer-DSL-Leitungen und dem modernen Glasfasernetz verändert sich die Geschwindigkeit des Internets schließlich, wenn in der direkten Umgebung viele Daten ebenfalls durch das Kabelnetz geleitet werden.

„Bei Breitband-Kabelnetzen gilt: Je mehr Nutzer in einem Cluster auf das Internet gleichzeitig zugreifen, desto kleiner ist die Bandbreite pro Nutzer“, beschreibt Torsten Gerpott, Professor der Universität Duisburg-Essen und Kommunikationsexperte, das Phänomen. Für Endkunden, die das Kabelnetz nutzen, könne es „eher zu niedrigeren Geschwindigkeiten kommen als bei Kupfernetzen.“

Experte beruhigt Verbraucher

Davon abgesehen beruhigt Gerpott aber die Verbraucher: „Mir ist bekannt, dass die Verkehrsmengen gestiegen sind, aber nicht, dass generell das Internet in Deutschland überlastet ist.“ Sollte zu bestimmten Zeiten oder bei bestimmten Anwendungen das Internet mal etwas langsamer erscheinen, müsse das auch nicht unbedingt an den Leitungen liegen: „Greifen viele Menschen auf die gleiche Website – also den gleichen Server – zu, kann die Geschwindigkeit merklich verlangsamt sein. Das liegt dann aber nicht an den Übertragungsnetzen, sondern am gleichzeitigen Abfragen einer Quelle“, so Gerpott.

Sollte es doch einmal zu Überlastung der Kommunikationsinfrastruktur kommen, „muss man darüber nachdenken, bestimmte »bandbreitenhungrige« Unterhaltungsdienste, wie zum Beispiel Video-Streaming, zeitweise vom Netz zu nehmen“, sagt Gerpott.

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Schwierigkeiten mit der Telekommunikation meldeten bereits am Dienstag die Arbeitsagenturen in Deutschland. Sie wurden von telefonischen Anfragen überrollt. „Aufgrund des hohen Anrufaufkommens sind die Arbeitsagenturen und Jobcenter derzeit telefonisch nur eingeschränkt erreichbar“, teilte die Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg mit. „Das Telefonnetz unseres Providers ist derzeit überlastet.“

Die Zahl der Anrufe sei auf das Zehnfache des üblichen Niveaus gestiegen. Die Bundesagentur bittet darum, Anrufe in den Jobcentern und Arbeitsagenturen auf das Nötigste zu beschränken. Kundinnen und Kunden müssten ihre Termine nicht absagen. „Es gibt keine Nachteile. Es gibt keine Rechtsfolgen und Sanktionen. Fristen in Leistungsfragen werden vorerst ausgesetzt.“ (mit dpa)

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