Kurze Lieferzeit garantiertLieferdienst Wolt startet neu in Köln

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Wolt-Fahrer in der Kölner Altstadt

  • Wolt“ startet zunächst in ausgewählten Kölner Veedeln.
  • Man will garantieren, dass das Restaurant-Essen auch wirklich noch warm ist, wenn es beim Kunden ankommt.

Köln – Lange dominierte das Orange der Lieferando-Fahrer das Farbbild der Fahrradkuriere auf den Kölner Straßen. Doch die Farbvielfalt ist breiter geworden in der vergangenen Zeit: mit den schwarzen Rucksäcken des Express-Lieferdienstes Gorillas, den pinken des Konkurrenten Flink, den roten Lastenrädern der Rewe. Die Branche boomt wie noch nie – auch wenn es, wie derzeit bei Gorillas, immer wieder Kritik an den Arbeitsbedingungen der Kuriere gibt.

An diesem Mittwoch wird sich in Köln nun eine weitere Farbe ins Straßenbild einfügen: ein helles Blau. Dann startet nämlich der Lieferdienst Wolt, der Kölner Haushalte erst einmal mit Restaurantessen, bald dann auch mit Produkten aus dem lokalen Einzelhandel beliefern will.

Umkreis von drei Kilometern

Der finnische Lieferdienst wurde 2014 in Helsinki gegründet, seit Sommer 2020 gibt es ihn auch in Deutschland. Bislang liefert Wolt in Berlin, München, Frankfurt am Main und Hannover. Das Konzept, bei dem über die Wolt-Plattform erst einmal Essen bestellt und nach Hause geliefert wird, ähnelt dem bekannter Lieferdienste. Anders als der bisherige Platzhirsch Lieferando garantieren die Finnen allerdings eine Lieferzeit von 35 Minuten – und arbeiten nur mit Restaurants im Umkreis von drei Kilometern.

„So kommt das Essen definitiv warm bei den Kunden an und nicht nur wir, sondern auch die Kuriere haben die Möglichkeit, mehr Umsatz zu generieren“, sagt Deutschland-Sprecher Fabio Adlassnigg im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. In Köln wird der Lieferdienst zunächst zwischen Innen- und Südstadt sowie zwischen Neustadt-Süd und dem Agnesviertel verfügbar sein. Nach und nach soll dann mehr Fläche abgedeckt werden. Wolt setzt dabei auf die Zusammenarbeit mit ausgewählten Restaurants, in Köln sind zum Start zum Beispiel das Neni, der Burgerladen Fette Kuh und der Poké-Laden Ma’loa dabei.

„Unser Anspruch ist es, die besten Restaurants bei uns auf der Plattform zu haben“, sagt Adlassnigg. „Wir brauchen keine 60 verschiedenen indischen Restaurants, sondern die drei, bei denen es am besten schmeckt." In jedes der ausgewählten Lokale wird ein Fotograf geschickt, der die 30 gängigsten Gerichte für die Plattform auf der Speisekarte fotografiert. Dabei konzentriert sich Wolt auf Restaurants ohne eigenen Lieferdienst und bekommt bei einer Auslieferung bis zu 30 Prozent des Umsatzes. Hinzu kommen für die Kunden Liefergebühren von 1,90 Euro (Lieferradius von einem Kilometer) oder 2,90 Euro (bis zu drei Kilometer).

Zahlreiche neue Anbieter

Es hat sich viel getan auf dem Markt mit Essenslieferungen. Längst ist Lieferando nicht mehr der einzige große Anbieter: Neben Wolt hat auch Uber Eats zuletzt den Sprung nach Deutschland gewagt, Delivery Hero plant derweil unter dem Namen Foodpanda die Rückkehr. Auch der US-amerikanische Marktführer Doordash soll bereits Personal in Deutschland suchen. Bei den Lebensmittellieferungen bekommt der Express-Anbieter Gorillas zunehmend Konkurrenz von Modellen wie Flink, Bringoo und knuspr.de.   

Das Geschäft Lebensmittel im Netz sei gerade „einer der spannendsten Märkte“ im Handel, sagt Expertin Eva Stüber vom Handelsforschungsinstitut IFH Köln. Mit einem Volumen von 226 Milliarden Euro sei die Lebensmittelbranche die mit Abstand größte im Handel – und gleichzeitig die bislang am wenigsten digitalisierte. Selbst im Jahr 2020, in dem so viel im Netz eingekauft wurde wie nie zuvor, lag der Onlineanteil nur bei 2,1 Prozent. „Das ist prozentual sehr wenig, aber bei dem Volumen, was dahinter steht, natürlich trotzdem eine große Summe“, sagt Stüber.

Schub in der Corona-Pandemie

Lange Zeit galten die Deutschen als Skeptiker, was den digitalen Einkauf von Lebensmitteln betrifft. Doch schon vor der Corona-Krise habe die Offenheit und damit der Erfolg solcher Modelle zugenommen, so Stüber. „Und die Pandemie war dann ein extremer Beschleuniger dieser Entwicklung.“ Ob es auf dem Markt genug Platz gebe, für all die neuen Dienste, die gerade ins Land strömen? „Es gibt auf jeden Fall Platz für verschiedene Anbieter“, sagt Stüber. „Aber welche Modelle sich letztlich durchsetzen und wann es eine erneute Konsolidierung geben wird, steht in den Sternen.“

Sie verweist auch auf die Bedeutung der Diskussion um das Thema Arbeitsbedingungen. „Hierbei geht es um die Frage, wie bei den Konsumentinnen und Konsumenten ein Verständnis dafür geschaffen werden kann, welche Leistung und Wertigkeit hinter einem Service steht. Das gilt für die gesamte Logistikbranche – nicht nur für die Lieferdienste.“

Bonus für Lieferungen

Leistung sichtbar machen – dafür wirbt Wolt-Sprecher Adlassnigg, wenn Liefergebühren oder die 30 Prozent, die Restaurants an Wolt zahlen müssen, als zu hoch moniert werden: „Das klingt vielleicht erstmal viel, aber am Ende ist es für die Restaurants deutlich günstiger, den Lieferdienst über Wolt aufzubauen. Außerdem wird in der Diskussion häufig vergessen, dass wir unsere Fahrer zu sozialen und fairen Arbeitsbedingungen einstellen.“

Bedeutet für Wolt: Die festangestellten Kuriere bekommen einen Grundlohn von zehn Euro. Hinzu kommen 3,80 bis 4,50 Euro Bonus pro Bestellung. In Berlin verdienten die Fahrer so im Schnitt 12 bis 14 Euro, „wir haben aber auch sehr sportliche, die 18 bis 20 Euro schaffen“, sagt Adlassnigg. „Wir wollen unsere Kurierinnen und Kuriere am Erfolg beteiligen.“

Branche in der Kritik

Die Lieferbranche steht aufgrund ihrer schwierigen Arbeitsbedingungen immer wieder stark in der Kritik. In den vergangenen Tagen blockierten Gorillas-Fahrer in etlichen Großstädten mehrere Lager. Sie protestierten gegen die Entlassung eines Mitarbeiters in Berlin, beklagten aber auch die lange Probezeit ungleiche Bezahlung und das zu große Gewicht der Lieferungen. Zu Beginn des Jahres demonstrierten Lieferando- gemeinsam mit Wolt-Fahrern gegen die Arbeit bei Minusgraden. Bei Wolt heißt es dazu, man habe damals einen Fehler gemacht und nicht rechtzeitig auf die Wetterbedingungen reagiert. Weder davor noch danach habe es wieder Beschwerden gegeben. Das Start-up will nicht in einen Hut mit den übrigen Lieferdiensten geworfen werden; verweist auf die wichtige Partnerschaft mit Kurieren und Restaurants.

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Handelsexpertin Stüber rechnet damit, dass sich in Sachen Arbeitsbedingungen noch einiges tun werde. Einer Veränderung bedürfe es dabei sowohl bei Arbeitgebern als auch Konsumenten. Denn häufig gehen beim Einkauf Wunsch und Wirklichkeit auseinander – und am Ende gibt doch noch der Preis den Ausschlag. „Wir sehen aber auch, dass das Bewusstsein sich in vielen Bereichen verändert“, sagt Stüber.

Mehr Mischformen 

Und wohin es sonst mit der Branche geht? Die Handelsexpertin rechnet damit, dass es künftig viele Mischformen von Lebensmittel- und Essenlieferungen geben wird. „Das wird sich perspektivisch schwer trennen lassen.“ Schon heute ist das gut zu sehen: Gorillas kooperiert vereinzelt mit Restaurants, Lieferando kündigte kürzlich an, bald auch Lebensmittel aus dem Supermarkt zu liefern.

Auch Wolt setzt nicht allein aufs Essen. In Helsinki können die Kunden von Hundefutter bis hin zu Sneakern die verschiedensten Produkte kaufen. In Berlin werden bereits Wein, Blumen oder Eis geliefert. „Unser ganz klares Ziel ist es, eine App für alles zu werden. So etwas wie ein fahrendes Einkaufszentrum“, sagt Adlassnigg. „Wir wollen dem Einzelhandel Rüstzeug an die Hand geben, um gegen Amazon und Co. zu bestehen.“

Profitabel ist Wolt in Deutschland noch nicht – dafür aber bereits in anderen Märkten, in denen die Finnen schon länger aktiv sind. „Wir sind gekommen um zu bleiben – wir wollen einer der führenden Anbieter sein. Am Ende werden die Kunden bestimmen, wer sich durchsetzt.“ 

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