Mehr Freiheit für ArbeitnehmerWie Kölner Firmen das Büro revolutionieren wollen

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Einen großen Teil der neuen Microsoft-Büros nehmen Café- und Meetingräume ein.

  • Unternehmen in Köln und der Region suchen immer öfter geradezu händeringend neue Mitarbeiter. Die Folge: Sie lassen sich einiges einfallen, um möglichst attraktiv zu sein.
  • Wie weit gehen die Kölner Firmen? Wir stellen einige Beispiele vor. Bei einem Arbeitgeber etwa müssen die Mitarbeiter gar nicht ins Büro kommen.
  • „Work-Life-Flow” lautet ein neues Zauberwort. Die zunehmend verschwimmende Grenze zwischen Arbeit und Freizeit kann aber auch zum Problem werden.

Köln – Betritt man die Arbeitsräume der Microsoft-Zentrale in Köln, braucht man eine Weile, um auf etwas zu treffen, das tatsächlich wie ein klassischer Arbeitsplatz aussieht. Zuerst kommt da ein Empfangsbereich, der gestalterisch an den Kölner Dom erinnern soll. Es folgen Räume, die an das WDR-Funkhauscafé angelehnt sind, an ein Kölner Brauhaus, das Severinsviertel und den Salon Schmitz. Erst dahinter findet sich ein Großraumbüro. Der frischeröffnete Standort zeigt, wie sich die zeitliche und räumliche Gestaltung der Arbeit in Unternehmen immer weiter verändert.

75 Plätze für 450 Mitarbeiter

In dem Gebäude am Kölner Jachthafen mit Blick auf die Kranhäuser gibt es nur noch 75 feste Arbeitsplätze für 450 Mitarbeiter. Ein Großteil der Fläche besteht aus Café- und Meetingräumen, im Großraumbüro sitzt am Tag der Eröffnung nur eine Handvoll Angestellter. Wann und wo sie arbeiten, ob sie sich auf eine Couch setzen, hier bleiben oder nach Hause fahren, ist ihnen überlassen.

„Bei uns gilt sowohl die Vertrauensarbeitszeit als auch der Vertrauensarbeitsort“, sagt Markus Köhler, Personalleiter bei Microsoft Deutschland. „Wir messen bei unseren Mitarbeitern nicht, wie viele Stunden sie im Büro verbringen. Wir zwingen niemanden, ins Büro zu kommen, wenn es für ihn keinen Mehrwert hat.“ Eine Unterscheidung zwischen reiner Arbeits- und reiner Freizeit sei heutzutage ohnehin nicht mehr möglich. „Diese Zeiten sind komplett vorbei.“ Köhler nennt diese Art des Arbeitens einen „Work-Life-Flow“. 95 Prozent der Mitarbeiter können Arbeitszeit und -ort flexibel wählen. Der Kundensupport sei aus technischen Gründen an den Schreibtisch gebunden, der Rest brauche „nur eine Steckdose“, um zu arbeiten. „Mein Büro trage ich immer mit mir herum – es befindet sich in meinem Rucksack.“

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Privates und Berufliches kann verschwimmen

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist flexibles Arbeiten nicht per se gut oder schlecht. „Wir haben heutzutage durch das Internet die Möglichkeit, Arbeit räumlich und zeitlich zu flexibilisieren“, sagt Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte am Institut für Wirtschaft (IW). Ob das Sinn ergebe, hänge von der konkreten Tätigkeit, aber auch vom Menschen selbst und von den Kollegen ab. Beim Home Office heißt das zum Beispiel: „Wenn die Kollegen alle von neun bis fünf im Büro sitzen, können sie es als Störfaktor empfinden.“

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Stettes sagt, die verschwimmende Grenze von Privatleben und Beruf könne außerdem zu Konfliktherden führen – immer dann, wenn der eine Bereich in den anderen hereinreiche. „Die Mitarbeiter tragen selbst die Verantwortung zu sagen: Jetzt habe ich Feierabend.“ Der Verzicht auf Präsenzzeit führe außerdem zu einer neuen Art von Verantwortlichkeit. „Ich übernehme mehr Verantwortung für das Endprodukt meiner Arbeit. Es zählt dann nicht mehr, wie sehr ich mich angestrengt habe. Manche Menschen wollen aber nicht nur am Ergebnis ihrer Arbeit gemessen werden.“ Es sei aber immer sinnvoll, als Unternehmen die Möglichkeit zu räumlicher und zeitlicher Flexibilität zu prüfen.

„Kommunikation und Komfort“

Für flexible Arbeitsplätze in Unternehmen gibt es laut Stettes vor allem zwei Gründe: Zum einen sei da ganz banal Platzmangel. „Es ist der Gedanke, die bestehende Fläche möglichst effektiv zu nutzen.“ Zum anderen versuchten Unternehmen auf diese Art aber auch, starre Strukturen aufzubrechen und eine neue Form des Arbeitens zu etablieren.

Für Monika Lepel, die als Innenarchitektin in Köln Büroräume wie den Microsoft-Standort neu gestaltet, spielen dagegen in der Umsetzbarkeit auch andere Faktoren eine Rolle. Entscheidend sei immer auch der Grad der Digitalisierung eines Unternehmens. „Eine Akte am Schreibtisch ist wie eine Fußfessel.“ Außerdem müsse ein Büro heutzutage eine „magnetische Wirkung“ haben. Sonst gebe es für Mitarbeiter, die auch bequem zu Hause bleiben könnten, keinen Grund mehr, es zu nutzen. „Kommunikation und Komfort sind hier sehr wichtig“, sagt sie.

Sofaecken und offene Küchen

Diese beiden Elemente spielen auch bei Pixum eine große Rolle: Das Kölner Unternehmen, das Fotoprodukte vertreibt, hat seine Räume im Stadtteil Sürth im vergangenen Jahr umgestaltet. Großraumbüros wechseln sich mit geschlossenen Räumen ab. Es gibt Sofaecken, die etwa genutzt werden, um Texte in Ruhe zu lesen oder kurze Absprachen zu treffen. Eine offene Küche fungiert als Treffpunkt. Der Zweck des Raumkonzepts: „Es geht um Transparenz bei der Arbeit und die Nutzung von Synergien“, sagt Pixum-Sprecher Nils Daniel: „Auf den offenen Flächen treffen Mitarbeiter verschiedener Abteilungen aufeinander, lernen sich kennen und tauschen sich aus.“

Anders als bei Microsoft gibt es bei Pixum keine allgemeingültigen Home-Office-Regelungen. Umso mehr möchte Pixum mit seiner Raumvielfalt dafür sorgen, dass die Mitarbeiter gerne ins Büro kommen. „Wer möchte, setzt sich mit dem Laptop auf einen Sessel, sortiert seine Gedanken in einer ruhigen Ecke, bleibt im Großraumbüro oder zieht sich für ein längeres Telefonat in einen Meetingraum zurück“, sagt Daniel. „Jeder nutzt das Büro so, wie es für ihn am besten passt.“

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