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Kölner Messechef Gerald Böse„Wir wurden von der Entscheidung überrascht“

Lesezeit 6 Minuten
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Köln Messe-Chef Gerald Böse im Interview

  • Erst jüngst verkaufte der Oppenheim-Esch-Fonds die Nordhallen an einen Investor aus Frankfurt. Im Interview erklärt Gerald Böse, was das für die Messe bedeutet.
  • Trotz der schwierigen Situation ist Böse zuversichtlich, dass man in Köln keine Hilfe der Gesellschafter braucht.
  • Außerdem erzählt er, warum der Wettbewerb unter den verschiedenen Messeplätzen zunimmt.

Herr Böse, Sie werden diesen Samstag 60 Jahre alt. Wie geht es Ihnen? Gerald Böse: Der Geburtstag kommt auch für mich überraschend (lacht). Natürlich ist es schade, dass man das nicht im entsprechenden Rahmen feiern kann. Aber da bin ich ja nicht alleine, in den vergangenen Jahren musste so vieles abgesagt werden. 

Nach dem verheißungsvollen Messe-Auftakt im vergangenen Herbst, musste nun mit der Möbelmesse erneut ein Flaggschiff abgesagt werden. Warum hatten die Aussteller solche Bedenken?

Nach dem erfolgreichen Re-Start im vergangenen Herbst sind wir fest davon ausgegangen, dass wir unser Messeprogramm 2022 durchziehen können. Im November hat sich die Lage dann bekanntermaßen dramatisch verschlechtert. Die Aussteller haben von sich aus die Reißleine gezogen. Wir hatten zum Schluss eine Buchungslage von nur 20 Prozent der üblichen Fläche. Damit hätten wir den Besuchern kein vollständiges Angebot machen können.

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Gerald Böse wurde 1962 in München geboren. 1989 startete er seine Laufbahn nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre als Trainee bei der Messe München. Nach weiteren Stationen bei der IGEDO Company in Düsseldorf und der Messe Karlsruhe wechselte er 2008 als Vorsitzender der Geschäftsführung nach Köln, wo er seine Heimat gefunden, seine Frau Julia geheiratet hat und wo sein zweiter Sohn Nikolas geboren wurde.

Wie sieht es denn derzeit für die kommenden Frühjahrsmessen aus?

Auch dieses Jahr stehen sie wieder alle unter Feuer. Aber man muss jede Veranstaltung und jede Branche einzeln betrachten. Etwa die Düsseldorfer Boot als große Publikums- und Freizeitmesse mit 200.000 Besuchern wurde behördlich untersagt. Bei reinen Fachbesucher-Messen wie der Süßwarenmesse ISM Ende Januar in Köln, die sich in gut kontrollierbaren geordneten Geschäftsabläufen bewegt, ist das was anderes.

Das verwundert erstmal…

Die Aussteller- und Besucherstruktur spielt eine entscheidende Rolle. Bei der ISM haben wir 80 Prozent mittelständische Unternehmen, die in großen internationalen Gruppenbeteiligungen nach Köln kommen. Das heißt, ihnen wird ein großer Teil der Organisation abgenommen. Auch deshalb haben wir mit 1000 Ausstellern auf der ISM und 200 auf der Zulieferermesse Pro Sweets einen guten Anmeldestand.

Wäre es nicht besser gewesen, zu verschieben?

Die ISM ist seit Jahrzehnten auf diesem Datum, weil die Hersteller den Termin für das so wichtige Ordergeschäft für die Saisonware wie Ostern, Nikolaus und Weihnachten brauchen. Das kann man nicht ein halbes Jahr später machen, auch, weil dann die nächste Januarmesse 2023 in zu kurzem Abstand folgen würde.

Düsseldorf fordert nach dem Verbot der Boot Schadenersatz vom Bund. Wie sieht es in Köln nach den Absagen in 2021 aus?

Wir haben im vergangenen Jahr auch Zahlungen aus dem Sonderfonds des Bundes in Höhe von knapp 14 Millionen Euro erhalten für behördlich abgesagte Veranstaltungen. Die Messewirtschaft hat bei der Politik zu Recht durchgesetzt, dass sie nicht vergleichbar ist mit Fußballspielen, Karneval oder großen Konzerten. Nun hat man uns diesen Freiraum gewährt und den sollten wir nutzen – auch, wenn es mal nicht so optimal läuft. Dazu brauchen wir allerdings auch die Unterstützung der ausstellenden Branchen.

Corona hat den international getakteten Messekalender durch zahlreiche Verschiebungen komplett durcheinander gebracht. Fürchten Sie, dass Veranstaltungen abwandern?

Das bis dato fein abgestimmte Programm ist komplett aus den Fugen geraten. Das führt zu grotesken Situationen, etwa dass ein Hersteller innerhalb einer Woche auf zwei Kontinenten ausstellen müsste oder es sogar zeitliche Überschneidungen gibt. Da hat mancher Hersteller keine andere Wahl, als sich zu entscheiden. Und ob die Messen wieder zu ihrem alten Termin zurückkehren und alle Aussteller wiederkommen, ist fraglich.

Der Wettbewerb wird härter, mit welchen Bandagen, sprich staatlichen Subventionen wird denn an anderen Messeplätzen gekämpft? In Europa sind staatliche Beihilfen ja eigentlich verboten.

Da muss man nicht mal nach Übersee schauen, auch innerhalb von Europa wird das Thema unterschiedlich gehandhabt. Italien etwa hat schon 500 Millionen Euro erhalten aus dem Brüsseler Etat und das schnell und unbürokratisch an die Messegesellschaften verteilt. Das ist schwierig wieder zurückzuholen. In Deutschland ist man dagegen sehr restriktiv, speziell im Hinblick auf europäisches Beihilferecht.

In 2021 lag der Umsatz bei etwa 130 Millionen Euro, der Verlust im hohen zweistelligen Millionenbereich niedriger als erwartet. Während in Deutschland vieles abgesagt werden musste, fanden im Ausland Messen statt. Wie hoch lag der Auslandsanteil am Umsatz?

Wir konnten Messen in China, Thailand, Indien und Kolumbien durchführen. Sie waren zwar kleiner, aber wir haben sie am Leben gehalten. Der Umsatz im Auslandsgeschäft erreichte etwas mehr als zwölf Prozent. 

Gehen Sie davon aus, dass das Eigenkapital der Messe ausreicht, die Pandemiezeit wirtschaftlich zu überstehen?

Wenn wir unser Programm in diesem Jahr fortsetzen können, rechnen wir ab dem zweiten Quartal mit einer deutlichen Stabilisierung, wenn auch auf geringerem Niveau. Die Buchungssituation ist gut. Insofern ist die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Unternehmens gesichert.

Die Messe verantwortet den deutschen Pavillon auf der Expo in Dubai. Wie ist die Halbzeitbilanz?

Es ist wieder schön zu sehen, dass der deutsche Pavillon immer ein Highlight auf der Expo ist. Man muss bis zu zwei Stunden anstehen, um reinzukommen, auch wenn die Besucherzahlen insgesamt nicht mit Vorgängerveranstaltungen wie beispielsweise in Shanghai vergleichbar sind. Und wir haben eine gute Nachricht zu vermelden: Wir haben vom Bundeswirtschaftsministerium auch den Auftrag für den deutschen Auftritt bei der nächsten großen Expo in Osaka in 2025 bekommen. Das freut uns wirklich sehr.

Weitere gute Nachrichten?

Wir haben gerade eine strategische Partnerschaft mit der Italian Exhibition Group geschlossen, die in Rimini die größte Speiseeismesse der Welt veranstaltet, damit wir für sie im Rahmen unserer weltweiten Ernährungsmessen Türen im Ausland öffnen. Und für uns ist wiederum der italienische Markt beim Thema Ernährung enorm wichtig. Wir haben ja bereits ein Joint Venture mit der Messegesellschaft Parma. Messen werden künftig eher kontinental ausgerichtet sein. Köln mit seiner exzellenten geografischen Lage will vorne dabei sein. Auch deshalb sind solche Allianzen so wichtig.

Und wir wollen im für uns so wichtigen Foodbereich wachsen: Wir führen einen sechsten Geschäftsbereich im Messemanagement ein, der unsere Kernthemen Ernährung und Ernährungstechnik in eigene Bereiche trennt, um ihrer Bedeutung besser Rechnung zu tragen.

Verkauf der Nordhallen

Er gilt bundesweit als einer der diskretesten Immobilien-Deals des vergangenen Jahres. Erst jüngst wurde bekannt, dass der Oppenheim-Esch-Fonds das Areal Rheinpark-Metropole mit dem Sitz von RTL und Talanx sowie die Nordhallen der Koelnmesse an den US-Investor RFR-Holding für insgesamt rund 1,1 Milliarden Euro verkauft hat. RFR übernahm die Anteile der Deutschen Bank und anderen Investoren.

Jüngst ist bekannt geworden, dass der Oppenheim-Esch-Fonds die Nordhallen an den Investor RFR aus Frankfurt verkauft hat. Was bedeutet das für die Messe?

Die Messe ist ja vor einigen Jahren unter Beihilfeaspekten in den Mietvertrag der Stadt Köln eingestiegen und hat ihn mit dem Fonds neu verhandelt. So haben wir ein gültiges, sicheres Mietverhältnis bis 2035. Daran ändert auch der Eigentümerwechsel nichts.

Ist die Miethöhe festgeschrieben oder drohen möglicherweise Erhöhungen?

Die Miete und eine Erhöhung wurden in der Vergangenheit festgeschrieben.

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Welche Rolle hätten Sie sich von der Stadt als größtem Anteilseigner der Messe gewünscht?

Fakt ist, dass wir mit der Geschäftsführung des Fonds regelmäßig Kontakt hatten. Sie wurden von dem Verkauf einzelner Anteile ebenso überrascht wie wir auch. Wir sind von keinem Anteilseigner über den Eigentümerwechsel vorab informiert worden.

Wie geht es denn 2035 nach dem Ende des Mietvertrages weiter?

Es ist ja klar, dass die Messe und die Stadt Köln ein Interesse am Kauf des Grundstücks und der Hallen haben. Wenn sich das Messegeschäft bis dahin stabilisiert, ist der Kauf die einzige Option. Dazu haben wir auch ein Vorkaufsrecht.

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