Dramatisch steigende Mieten in Köln„Bezahlbares Wohnen muss ins Grundgesetz“

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Wohnungen in der Kölner Südstadt

Wohnungen in der Kölner Südstadt

  • Franz-Georg Rips, Präsident des Deutschen Mieterbundes, hält Enteignungen als Mittel gegen die immer höheren Mieten und Immobilienkaufpreise zwar für falsch.
  • Er hat aber eine Reihe anderer Vorschläge, wie die Not zu lindern wäre – auch für Köln, dessen Lage er im Bundesvergleich betrachtet.
  • Vor Beginn des Deutschen Mietertages in Köln erzählt er im Interview außerdem, warum er einen Mietendeckel in NRW für nicht umsetzbar hält.

Köln – Herr Rips, der Eigentümerverband Haus und Grund hat Vermieter in Berlin dazu aufgerufen, schnell die Mieten zu erhöhen, bevor dort ein möglicher Mietendeckel greift. Wie beurteilen Sie das?

Ich verurteile diesen Schritt in aller Form. Haus und Grund hat eine gesellschaftliche Verantwortung. Eigentlich verfolgt der Verband dasselbe Ziel wie wir: bezahlbaren, sicheren Wohnraum sowohl auf Anbieter– als auch auf Nachfrageseite sicherstellen. Haus und Grund hat diesen Konsens nun verlassen. Ich erwarte, dass sie das korrigieren.

Was halten Sie grundsätzlich vom Konzept eines Mietendeckels?

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Wir erleben im Moment extrem explodierende Mieten. Ich halte es für absolut vertretbar zu sagen: Wir bringen Ruhe in das System und setzen Erhöhungen aus. Das kann keine dauerhafte Lösung sein. Aber bezahlbares Wohnen ist ein so wichtiger gesellschaftlicher Wert, dass ich einen Mietendeckel für einen begrenzten Zeitraum für ein vertretbares Instrument halte.

Inwiefern wäre eine Deckelung auch in NRW denkbar?

Sie brauchen für einen Mietendeckel eine gesetzliche Regelung und dementsprechend eine parlamentarische Mehrheit. In NRW sehe ich so eine Mehrheit derzeit nicht. Die CDU- und FDP-Landesregierung will ganz im Gegenteil alle Mieterschutzvorschriften auslaufen lassen. Deshalb stellt sich meines Erachtens diese Frage gar nicht.

Zu Person, Mietertag und Merkel in Köln

Franz-Georg Rips, geboren am 1. April 1949, ist seit 2007 Präsident des Deutschen Mieterbundes. Zuvor arbeitete der Jurist unter anderem in Köln als Rechtsanwalt. Bei den Vorstandswahlen auf dem Mietertag am Freitag wird er aus Altersgründen nicht erneut kandidieren. Er hoffe, auch künftig auf Mieterseite arbeiten zu dürfen, sagte er in Köln. „Wir haben in den vergangenen Jahren vieles nicht so durchsetzen können, wie wir es uns gewünscht hätten.“

Der 68. Deutsche Mietertag findet vom 13. bis zum 15. Juni in Köln statt. Am Freitag gibt es eine öffentliche Kundgebung, auf der auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprechen wird. Der deutsche Mieterbund ist die Dachorganisation von 15 Landesverbänden. Insgesamt arbeiten rund 5000 ehrenamtliche, hauptamtliche und freiberufliche Mitarbeiter für die Organisation. In den Vereinen sind etwa drei Millionen Mieter zusammengeschlossen. (elb)

Verstehen Sie die Sorgen der Genossenschaften vor einer solchen Regelung?

Natürlich habe ich Verständnis dafür. Solange Genossenschaften sozialverträgliche Mieten verlangen – und das gilt für den absoluten Großteil – müssen Sie meiner Meinung nach einen gewissen Erhöhungsspielraum haben. Es macht schließlich einen Unterschied, ob ich eine Miete von sechs auf sieben oder von 14 auf 16 Euro pro Quadratmeter erhöhe.

Welche Schritte muss der Staat einleiten, um die Wohnungsnot zu lindern?

Wir fordern, bezahlbares Wohnen ins Grundgesetz aufzunehmen. Bislang ist dieses elementare Gut noch nicht angemessen geschützt. Kritiker sagen, dass sich durch diesen Schritt nicht viel verändern würde – aber die Strahlkraft wäre enorm. Das Grundgesetz wirkt auf jede Anwendung einfachrechtlicher Vorschriften. Außerdem müssen wir die Schaffung und Erhaltung bezahlbaren Wohnraums ins Baugesetzbuch aufnehmen: als ein neues Ziel der Wohnleitplanung. Das würde Genehmigungsprozesse vereinfachen und beschleunigen.

Gerade bei Neubauten werden die Preise aber auch von vielen Auflagen getrieben...

Wir haben eine Unmenge an Bauvorschriften in Deutschland. Ich würde mir eine Konzentration und Überprüfung wünschen, aber das ist nur die eine Seite. Wir brauchen in den Städten erfahrene Frauen und Männer, die Genehmigungs- und Planungsverfahren in Gang setzen – das ist genauso wichtig. Viele Städte haben hier zu viel Personal abgebaut. Ganz unabhängig davon fordern wir als Mieterbund auch mehr öffentliche Förderung. Im vergangenen Jahr wurden nur 27.000 Sozialwohnungen gebaut. Dabei wären nach unseren Berechnungen 80 000 nötig gewesen. Zentral sind außerdem wirksame mietrechtliche Vorschriften.

„Wir bräuchten keine Mietpreisbremse“

Wie eine wirksamere Mietpreisbremse?

Es gibt im Wirtschaftsstrafrecht den Paragrafen 5, der besagt, dass es eine Ordnungswidrigkeit ist, in Deutschland überhöhte Mieten zu verlangen. Diese Regelung muss reformiert werden; sie darf nicht davon abhängen, dass der Vermieter eine Notlage des Mieters ausnutzt. Außerdem muss die Miete als überhöht gelten, wenn sie mehr als 15 Prozent über der Vergleichsmiete liegt. Mit diesem Instrument bräuchten wir keine landesrechtlichen Mietregelungen wie die Mietpreisbremse mehr.

Wie stehen Sie zu Enteignungen?

Enteignung und Vergesellschaftung hilft uns hier und heute nicht. Der Grund dafür ist einfach: Eine Enteignung muss laut Grundgesetz gesetzlich geregelt sein, außerdem ist eine Entschädigung vorgesehen. Wenn diese beiden Voraussetzungen erfüllt sein müssen, dauert es zehn bis 15 Jahre, bis ein Ergebnis steht. Dann ist die Lage auf dem Wohnungsmarkt wieder eine ganz andere.

Wohnen ist zurzeit ein sehr emotional aufgeladenes Thema. Macht Ihnen das Sorge?

Mich beunruhigt die zunehmende Distanz zwischen Verfassungsorganen auf der einen und zivilgesellschaftlichem Protest auf der anderen Seite. Das gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft – wir müssen diese Distanz dringend wieder abbauen.

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Wie ist die Situation in Köln im Vergleich zu anderen Städten Deutschlands?

Der Markt in Köln ist noch nicht so problematisch wie in München, Hamburg, Frankfurt. Aber auch hier sind die Mietpreise massiv gestiegen, und es besteht ein immenser Bedarf Bauland, das aber nicht verfügbar ist. Die Probleme drängen – es ist fünf vor zwölf.

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