NRW-Arbeitgeberpräsident im Interview„Höheres Kurzarbeitergeld ist ein Fehler“

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Arndt Kirchhoff, Präsident von Unternehmer NRW und geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Kirchhoff

Arndt Kirchhoff, Präsident von Unternehmer NRW und geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Kirchhoff

  • Arndt Kirchhoff ist geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Kirchhoff in Iserlohn und Präsident von Unternehmer NRW.
  • Im Interview spricht er darüber, ob die aktuellen Lockerungen in NRW ausreichend sind und ob die Automobilindustrie eine Abwrackprämie braucht.
  • Außerdem erklärt Kirchhoff, warum ein höheres Kurzarbeitergeld ein Fehler ist.

Köln – Herr Kirchhoff, der Bundestag hat beschlossen, das Kurzarbeitergeld von 60 beziehungsweise 67 Prozent auf 80 beziehungsweise 87 Prozent der normalen Bezüge zu erhöhen. Wie bewerten Sie das als Unternehmerpräsident?

Arndt Kirchhoff: Das Krisenmanagement der Politik ist bisher hervorragend. Doch hier hat sie viel zu schnell Erwartungen bedient, weil sie populär sind. Bei allem Verständnis, aber diese Entscheidung verkehrt die Zielsetzung, die Liquidität der Unternehmen in der Corona-Krise zu schonen, ins Gegenteil.

Zur Person

Arndt Kirchhoff ist geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Kirchhoff in Iserlohn. Die Firma erzielt mit weltweit fast 14.000 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 2,45 Milliarden Euro.

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Er ist u.a. Präsident von Unternehmer NRW und Vizepräsident des Verbands der Deutschen Automobilindustrie.

Ziel der verschiedenen finanziellen Maßnahmen war ja vor allem, sie so vor einer Insolvenz zu schützen und damit Arbeitsplätze zu retten. Jetzt aber müssen die Firmen erstmal bis zu 87 Prozent der Löhne vorstrecken, die sie erst in ein oder zwei Monaten von der Agentur für Arbeit zurückerhalten. Das ist ein Drittel mehr als bei der alten Regelung. Die Erhöhung des Kurzarbeitergeldes ist ein Fehler, der manche Betriebe in ihrer Existenz bedrohen kann.

Kurzarbeit soll aber ja auch Mitarbeiter unterstützen ...

Das tut sie auch, denn sie vermeidet Entlassungen. Die Unternehmen haben für zehn Millionen Beschäftigte Kurzarbeit angemeldet. Wir müssen jetzt dringend aufpassen, dass die Arbeitslosenversicherung finanziell handlungsfähig bleibt. Übrigens haben wir für Härtefälle etwa in der Metall- und Elektroindustrie tarifliche Regelungen, die zielgenau wirken. Das Augenmerk muss darauf liegen, dass die Firma überlebt. Das muss nicht nur im Interesse von Arbeitnehmern und Arbeitgebern, sondern auch im Interesse des Staates sein, der dringend Steuereinnahmen braucht angesichts der Krisen-Belastungen.

Welches sind denn aus Ihrer Sicht gute Maßnahmen der Regierung in der Krise?

Dank der soliden Finanzpolitik der vergangenen Jahre hat die Politik ein beispielloses Hilfspaket mit Soforthilfen und KfW-Krediten schnüren können. Gut ist auch die Möglichkeit des Verlustrücktrags. Damit können sich Betriebe gezahlte Steuern zurückholen. Das ermöglicht die Verrechnung alter Gewinne mit aktuellen Verlusten und bringt die so notwendige Entlastung der Liquidität. Ebenfalls lobenswert ist die Möglichkeit, dass sich Mitarbeiter in Kurzarbeit in anderen Bereichen etwas hinzuverdienen können, etwa in so wichtigen Bereichen mit Arbeitskräftemangel wie dem Gesundheitswesen oder der Landwirtschaft.

Reichen in manchen Betrieben nicht auch Arbeitszeitkonten, um die derzeitige Krise auszugleichen?

Auch wir nutzen Arbeitszeitkonten, wo Mitarbeiter analog zu Überstunden jetzt Unterstunden ansammeln, die sie in besseren Zeiten nach der Krise wieder abarbeiten. 100 bis 200 Stunden sind denkbar, 1000 Stunden je Mitarbeiter aber nicht, weil dafür in der Bilanz Rückstellungen gebildet werden müssen. Grundsätzlich ist das Instrument aber ein gutes zur Verstetigung der Einkommen von Arbeitnehmern, die ja in der Regel kein Interesse an schwer planbaren Einkommensschwankungen haben. Da ziehen Betriebsräte, Gewerkschaften und wir an einem Strang.

Sind die aktuellen Lockerungen in NRW ausreichend?

Klar ist, wir dürfen das Gesundheitssystem nicht überlasten, wir müssen alle aufpassen, Abstand halten, Hygienemaßnahmen treffen. Aber wir dürfen auch nicht vergessen: Ein möglicher Arbeitsplatzverlust durch den anhaltenden Shutdown der Wirtschaft wirkt auch wie eine Krankheit. Vereinsamte Menschen können in der Isolation depressiv werden. Homeoffice mag in Teilen, aber längst nicht überall funktionieren. Klar ist auch: Sechs Monate halten weder Wirtschaft noch Menschen diesen Ausnahmezustand aus. Wir müssen einen Weg finden, mit Corona zu leben, solange es keinen Impfstoff gibt.

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Ich begrüße daher den verantwortungsvollen Kurs unseres Ministerpräsidenten Armin Laschet ausdrücklich. Wir müssen den Weg der schrittweisen Lockerungen jetzt weitergehen. Warum soll man in der gebeutelten Gastronomie nicht die Tische weiter auseinanderstellen und die Restaurants öffnen. Das soziale Leben muss wieder angekurbelt werden. Auch die Kassen des Staates müssen ja wieder gefüllt werden. Eine Absenkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie halte ich für angebracht.

Braucht die Automobilindustrie eine Abwrackprämie?

Nein, keine Abwrackprämie, aber Kaufanreize für klimafreundlichere Autos. Auch müssen wir die Lieferketten im mit Abstand wichtigsten Industriesektor Deutschlands wieder in Schwung bringen. Für die öffentliche Hand heißt das auch, endlich die Zulassungsstellen geregelt zu öffnen, sonst stehen die verkauften Neuwagen auf den Höfen der Händler. Ich schlage Gutscheine in Form einer Ökoprämie vor, die Käufe unterstützen, die den CO2 -Ausstoß senken. Das kann ein E-Auto sein, ein sparsamer Euro-6d-temp-Diesel oder eine stromsparende Waschmaschine.

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