NRW bereitet sich auf Embargo vor440.000 Jobs hängen an russischem Gas

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Das Braunkohlekraftwerk Neurath I und II in Grevenbroich

Das Braunkohlekraftwerk Neurath I und II in Grevenbroich

Düsseldorf – Welche Folgen das neuerliche Ultimatum haben könnte, das der russische Staatspräsident Wladimir Putin den westlichen Staaten am Donnerstag im Gasstreit gestellt hat, ist noch nicht absehbar. Seine Drohung, alle Lieferungen an „unfreundliche Länder“ einzustellen, die zum 1. April keine Konten bei der Gazprombank eröffnen, damit dort die Euro-Zahlungen für die Lieferungen in Rubel konvertiert werden können, bestätigt Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) in der Haltung, das Industrieland NRW so schnell wie möglich auf ein mögliches Embargo vorzubereiten. Die Folgen eines solchen Schrittes seien noch nicht abschätzbar.

Nach Angaben des Ministeriums entfallen auf die energieintensive Industrie 40 Prozent des gesamten Gasverbrauchs in NRW. Rund 440.000 Beschäftigte wären von einem möglichen russischen Embargo direkt betroffen.

„Das kann uns vor erhebliche Herausforderungen stellen“, sagte Pinkwart am Donnerstag in Düsseldorf. Noch sei an den Märkten ausreichend Gas vorhanden. Dass Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Frühwarnstufe für den Notfallplan Gas ausgerufen habe, sei angesichts der kritischen Lage aber nachvollziehbar.

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Sollte der Notfall eintreten und die Bundesnetzagentur die Gasverteilung regulieren, müsse sie einstufen, welche Industriebetriebe systemrelevant seien. Der Wirtschaftsminister hat am Mittwoch ein Krisenteam Gas NRW einberufen, dem neben der Landesregierung die Betreiber von Strom- und Gasnetzen angehören.

Taskforce soll Unternehmen im Ernstfall unterstützen

Zur Beantwortung der Frage, welche Unternehmen im Ernstfall vom Gas abgeschnitten werden, habe man im Ministerium eine Taskforce ins Leben gerufen, so Pinkwart. „Es geht dabei dann nicht um Einzelinteressen, sondern um sachbezogene Argumente, die wir in die Entscheidung der Bundesnetzagentur einbringen müssen.“

Besonders wichtig seien zunächst Lebensmittel und Pharmaprodukte. Sie seien aber Teil einer Lieferkette, „müssen in Kunststoff oder Karton verpackt werden.“ Diese Lieferketten müssten mitgeplant werden. Zunächst werde man auch versuchen, nicht ganze Unternehmen von der Gasversorgung abzuschneiden, sondern die Lieferungen zu reduzieren.

Pinkwart: Wir müssen uns mehr auf die Kohle verlassen

Für ein Chemieunternehmen, das an drei Standorten in NRW produziere, könne es durchaus sinnvoll sein, an einem Standort Volllast zu fahren und die beiden anderen stillzulegen. „Dazu brauchen wir die Rückkopplung der Unternehmen“, so Pinkwart. Man wisse nicht, ob die Krise kommt und wie lange sie anhält. Mit Blick auf die Energieversorgung könne es aber erforderlich werden, sich mit der Verstromung von Braunkohle und Steinkohle über die Zeit zu retten.

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Eine kurzfristige Verlängerung der Laufzeit der drei verbliebenen deutschen Atomkraftwerke, die Ende 2022 vom Netz genommen werden, habe sich politisch im Bund nicht durchsetzen lassen. „Wir gehen da einen sehr seltsamen Pfad. Die bei uns noch laufen, sind die sichersten der Welt“, sagte Pinkwart. Während Frankreich, die Niederlande und Belgien die Laufzeit ihrer Anlagen verlängerten, „nehmen wir sie aus dem Markt“. Man könnte sie der geplanten Generalrevision unterziehen und ein paar Jahre lang sicher weiterbetreiben. Das wäre ein Beitrag zu mehr Klimaschutz und Versorgungssicherheit.

„Das tun wir nicht um den Preis, dass wir mehr Kohle im Netz halten müssen“, sagte Pinkwart. „Das ist auch notwendig. Wenn Gas fraglich und die Atomkraft raus ist, müssen wir uns mehr auf die Kohle verlassen.“ Für das Ziel, möglichst schnell, also bis 2030, aus der Kohle auszusteigen, müssten dann beim Ausbau der erneuerbaren Energien noch mehr Anstrengungen unternommen werden.

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