PaketdiensteDer Weihnachtsmann als Subunternehmer

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DHL-Zusteller werden nach Tarif bezahlt - davon können die Fahrer der Konkurrenten DPD und Hermes nur träumen.

DHL-Zusteller werden nach Tarif bezahlt - davon können die Fahrer der Konkurrenten DPD und Hermes nur träumen.

  • Zusteller aus Osteuropa erhalten nur Niedrigstlöhne - Verdi sieht politischen Handlungsbedarf

Berlin –  Der Weihnachtsmann fährt heute Auto. Immer mehr Geschenke werden online bestellt und von einem der fünf großen Paketzustelldienste an der Haustür abgeliefert. Für das Weihnachtsgeschäft rechnet der Bundesverband Paket & Express Logistik (BIEK) mit einem Umsatzplus von rund zehn Prozent. Die Zahl der Sendungen wird von 260 auf 290 Millionen zunehmen, an manchen Tagen erreichen bis zu 15 Millionen Pakete und Päckchen ihre Adressaten. Für die Beschäftigten von Post/DHL, UPS, Hermes, DPD und GLS ist der Advent die stressigste Zeit des Jahres.

Doch nicht allein die Zusteller ächzen. Die Lieferwagen der Paketdienste sind in vielen Innenstädten zu einem Ärgernis geworden. Weil's schnell gehen muss, wird fast gewohnheitsmäßig in der zweiten Reihe geparkt, angeliefert wird in der Regel bei laufendem Motor. Lärm, Staus, Abgase - das ist der Preis für massenhafte Bestellungen per Mausklick. Nach Prognosen des BIEK wird die Zahl der Paketsendungen, die in diesem Jahr 3,3 Milliarden erreicht, bis 2021 auf mehr als vier Milliarden Sendungen jährlich wachsen. So wie bisher allerdings kann es nicht weitergehen. Das gilt zunächst für die Beschäftigten. Beim Weihnachtsmann im Lieferwagen handelt es sich oftmals um eine Arbeitskraft, die fürs Schleppen, und Treppensteigen nicht mehr als den gesetzlichen Mindestlohn von 8,84 Euro pro Stunde erhält. Nur die Post und ihr Logistikunternehmen DHL sowie der US-Zusteller UPS beschäftigen vorwiegend eigene Paketauslieferer und bezahlen diese nach Haustarif- oder Branchentarifvertrag. Die Stundenlöhne liegen, je nach Tarifbezirk und Eingruppierung, zwischen elf und 19 Euro. Es gibt Betriebsräte, die sich um die Belange der Fahrer kümmern, auf Arbeits- und Gesundheitsschutz achten und die Interessen der Beschäftigten vertreten. So weit, so gut. Bei Hermes und DPD gibt es zwar auch Betriebsräte und Tariflöhne - allerdings nicht für die Zusteller, wie die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi kritisiert. "Die beiden Unternehmen beschäftigen keine eigenen Zusteller, sondern beauftragen Sub- und Subsubunternehmen", sagt Verdi-Logistikexpertin Sigrun Rauch. Diese Subunternehmen zahlten zumeist keine Tariflöhne, sondern nur das gesetzlich vorgeschriebene Minimum von 8,84 Euro pro Stunde. Auch an andere tarifvertragliche Regelungen - etwa zum Urlaubsgeld oder zur Vergütung von Überstunden - seien diese Subunternehmen nicht gebunden. Als "schwarzes Schaf" der Branche bezeichnet Rauch die GLS, eine Tochter der britischen Royal Mail.

Verschachtelte Auftragsketten

Hinzu kommen Missstände, wie sie aus der Fleischbranche bekannt sind: Oftmals in Osteuropa rekrutierte Auslieferer werden über verschachtelte Subunternehmerketten zu untragbaren Bedingungen beschäftigt. Sie erhalten weniger als den Mindestlohn, sind zu überhöhten Mieten in Notunterkünften untergebracht, sind als Scheinselbstständige tätig, müssen Teile des Arbeitslohns an Auftraggeber in ihren Herkunftsländern abliefern - und trauen sich nicht, gegen solche ungesetzlichen Methoden vorzugehen. Vor diesem Hintergrund sieht Verdi Handlungsbedarf: "Wir benötigen für die Paketzusteller Regelungen, wie sie im Sommer mit dem Gesetz zur Sicherung der Arbeitnehmerrechte in der Fleischwirtschaft in Kraft getreten sind", sagt Rauch. Danach haftet das beauftragende Unternehmen für die Einhaltung gesetzlich garantierter Arbeitnehmerrechte in den Subunternehmen. Nachhaltigkeit ist auch bezüglich des wachsenden Innenstadtverkehrs und der damit verknüpften Luftverschmutzung ein Thema. Aus der Logistikbranche kommt der Vorschlag, spezielle Parkplätze für Lieferdienste einzurichten. Die Chancen, Bürgermeister davon zu überzeugen, sind indessen gering. Diese fordern stattdessen, die Zustellung zu bündeln, indem ein Lieferwagen für alle Paketdienste die Sendungen in einer Straße zustellt. Das wiederum werden die Unternehmen kaum mitmachen. Schließlich herrscht unter den Zustellern scharfe Konkurrenz. Und die schnelle und zuverlässige Lieferung wird zunehmend zum Qualitätsmerkmal - mit der sogenannte letzte Meile als Flaschenhals, also dem Transport vom Verteilzentrum zur Haustür. Wie sich Lärm- und Abgasbelastung verringern lassen, führt Amsterdam vor. Dort sind schon elektrische Lieferwagen in größerer Zahl unterwegs. Im nächsten Schritt will die Stadtverwaltung alle Gewerbetreibenden dazu verpflichten, sich nur noch abgasfrei beliefern zu lassen. Dann dürften auch dort Streetscooter zum Einsatz kommen. Das ist ein Lieferfahrzeug, das die Deutsche Post zusammen mit der RWTH Aachen entwickelt hat. 5000 Fahrzeuge sind mittlerweile im Einsatz. Sie werden mit Ökostrom geladen, stoßen also keine Stickoxide aus.

Boris Winkelmann, Chef des Konkurrenten DPD, hat indes kürzlich mit einem ganz anderen Vorschlag für Aufregung gesorgt: Er will die letzte Meile einfach verkürzen. Die Sendungen sollen standardmäßig in Paketshops zum Abholen deponiert werden. Die Lieferung nach Hause soll nur noch gegen Aufpreis möglich sein.

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