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Pilotprojekt „Pick & Go“Rewe testet in Köln ein neues Einkaufskonzept

Lesezeit 4 Minuten
Das System erkennt die Mitnahme von Produkten

Kameras und Sensoren erkennen die Entnahme von Produkten, wie dieses Bild von Rewe simuliert.

Köln – Brot, Äpfel und eine gute Flasche Wein in die Tasche stecken und aus dem Supermarkt spazieren – klingt nach einem Fall für die Staatsanwaltschaft. In den USA sind derartige Einkäufe nach dem „Pick & Go“-System allerdings schon seit Jahren etabliert – Kameras und Sensoren erfassen die Einkäufe, die Rechnung wird nach Verlassen des Marktes per App beglichen. Nun kommt das Modell auch nach Köln.

Rewe startet laut eigener Angaben als erster Anbieter in Deutschland ab sofort ein Pilotprojekt in einem Markt in der Kölner Innenstadt mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sollte das „Pick & Go“-Konzept funktionieren, könnten dort bereits ab dem Spätsommer 2021 auch Kunden ohne einen Stopp an der Kasse einkaufen gehen.

Kameras und Sensoren erfassen Produkte 

In der Verknüpfung des analogen Einkaufs mit digitalen Bezahlvorgängen sehen die Supermärkte ihre Zukunft. Bereits 2019 konnten Kunden in einem Rewe-Markt in Rodenkirchen ihre Produkte selbst mit Hilfe eines Handscanners registrieren und mussten am Ende an einer Selbstzahlerkasse nur noch den Betrag bezahlen, den sie zuvor zusammengescannt hatten. Das neue „Pick & Go“-Prinzip geht aber weit darüber hinaus.

Der Rewe-Markt in der Zeppelinstraße unweit des Neumarkts ist dazu technisch komplett neu ausgestattet worden, wie Rewe in einer Mitteilung am Donnerstag bekannt gab. Am Eingang erwarten die Einkäuferinnen und Einkäufer ein Datenschutzhinweis und eine moderne Eingangsschranke. Wer den „autonomen“ Check-Out nutzen möchte, muss sich über eine spezielle App an der Schranke registrieren. Im Markt selbst kann dann einfach in den Korb gepackt werden, was man möchte: Selbst Backwaren und das Gewicht von Obst und Gemüse soll das System erfassen können. Die Rechnung erscheint im Nachgang in der App.

Möglich werden soll das durch die Technik des Anbieters Trigo Vision, einem auf Computer-Vision-Technologie spezialisierten Unternehmen. „Die Lösung von Trigo erstellt ein 3D-Modell eines Supermarktes, um die Umgebung und die Bewegungen darin digital abzubilden, so dass die Kunden Artikel auswählen und mit ihnen hinausgehen können, während ihre Privatsphäre geschützt wird“, heißt es von Rewe. „Kameras und Sensoren in den Regalböden sowie weitere Hightech-Bausteine wie Server, Switches und rund sechs Kilometer Highspeed-Netzwerk-Kabel sind das Herzstück des Systems.“

Vorbild aus den USA

Nach eigenen Angaben beschäftigt sich Rewe bereits seit zwei Jahren mit der Möglichkeit des kassenlosen Einkaufens. Vorbild dafür dürften die „Amazon Go“-Märkte in den USA sein. 2016 eröffnete die erste „Amazon Go“-Filiale in Seattle für Mitarbeitende, 2018 für die Öffentlichkeit. Im Vergleich zu den besonders in den USA gängigen riesigen Handelsflächen von Ketten wie Walmart oder Target sind die „Amazon Go“-Filialen relativ klein.

Mit dem 2020 ebenfalls in Seattle eröffneten Markt „Go Grocery“ von Amazon auf 1000 Quadratmetern Verkaufsfläche hat sich die Größe der kassenlosen Supermärkte jedoch bereits erheblich erhöht. Diese Fläche dürfte auch in etwa dem Innenstadtstandort in der Zeppelinstraße entsprechen. Größere Rewe-Filialen oder Warenhäuser anderer Ketten kommen gut und gerne auf 2000 bis 5000 Quadratmeter Verkaufsfläche.

Mitarbeiter sollen andere Aufgaben übernehmen 

Vollkommen kassenlose Supermärkte waren in Deutschland bislang jedoch ein Tabu – und auch Rewe versichert: „Das klassische Einkaufen mit Bezahlen an der Kasse bleibt als Alternative weiterhin fester Bestandteil des Konzeptes.“ Doch warum eigentlich? Zum einen soll wohl der Befürchtung vorgebeugt werden, durch den wegfallenden Zahlungsvorgang könnten Arbeitsplätze in den Supermärkten abgebaut werden. „Kundinnen und Kunden schätzen die Möglichkeit des persönlichen Kontaktes. Fragen zu Produkten, zum Sortiment, zu Angeboten oder Beratung beim Einkauf, all dies wird künftig mehr Raum bekommen“, so Stefan Weiß, Geschäftsbereichsleiter Vertrieb bei REWE.

Ein weiterer Aspekt dürfte der Datenschutz sein. Anika Vooes, Projektleiterin aus dem Bereich Research & Innovation bei REWE digital, erklärt dazu: „Neben dem Einkaufserlebnis der Kundinnen und Kunden haben Datensicherheit und Stabilität für uns oberste Priorität. Darüber hinaus stehen wir in engem Austausch mit der Datenschutzaufsichtsbehörde in NRW.”

Konventionelles Bezahlen weiter möglich

Auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeigers“ spezifiziert Rewe: „Bei der Registrierung in der App zu „Pick & Go“ ist zum jetzigen Zeitpunkt die Angabe üblicher Kundendaten, die für einen Einkauf relevant sind, vorgesehen: Name, Anschrift, Kontaktdaten. Außerdem muss natürlich ein Zahlungsmittel angegeben. Hierfür sind zum Beispiel Kreditkartendaten notwendig.“ Für die Kundinnen und Kunden, die diese Daten nicht teilen wollen oder nicht die Möglichkeit eines digitalen Bezahlsystems haben, soll demnach weiterhin das konventionelle Bezahlen an der Kasse möglich sein.

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In den kommenden Wochen wird ein „ausgewählter Kreis“ an Mitarbeitenden das „Pick & Go“-System auf Herz und Nieren prüfen. Diebstahlsicherheit, Bedienbarkeit der App, Reklamationen, Einkaufserlebnis: Sollte der Markt in der Zeppelinstraße den Test bestehen, könnten ab dem Spätsommer die ersten Kundinnen und Kunden ohne Bezahlvorgang vor Ort einen Rewe verlassen.

Eine Ausweitung auf weitere Märkte ist aktuell noch nicht geplant: „Insbesondere mit dem Freischalten für unsere Kundinnen und Kunden werden wir wertvolle Rückmeldungen zur Akzeptanz erhalten und die Ergebnisse dann auswerten“, so ein Unternehmenssprecher.

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