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Quelle-Erbin SchickedanzDer Abstieg einer Milliardärin

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Schieckdanz dpa neu

Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz

Köln – Ganz so schlimm ist es nicht gekommen. Madeleine Schickedanz, Quelle-Erbin, Ex-Milliardärin, einst eine der reichsten Frauen Deutschlands, muss ihren 75. Geburtstag an diesem Samstag nicht mit Lebensmitteln vom Discounter feiern. Und auch nicht von 500 bis 600 Euro im Monat leben. Trotz des Absturzes, den sie mit der Insolvenz des Arcandor-Konzerns erleben musste.

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 Das legendäre 500-Euro-Interview, das sie im Sommer 2009 auf dem Höhepunkt der Arcandor-Krise der „Bild“-Zeitung gab, hat sie wenig später bitter bereut. Es hat ihr nichts als Häme eingebracht. Sollte die Arcandor-Rettung scheitern und die Banken ihre Kredite fällig stellen, werde sie alles verlieren – Häuser, Aktien, Firmenbeteiligungen, fürchtete die Quelle-Erbin damals. Eine Milliardärin, die bei Aldi einkaufen und das Gemüse aus dem eigenen Garten auf den Tisch bringen muss. Einen besseren Stoff für den Boulevard gibt es nicht.

Es stellt sich immer die gleiche Frage

Es fällt schwer, sich Madeleine Schickedanz zu nähern. Seit dem Untergang des Handelsriesen Arcandor Ende 2009 äußert sie sich nur selten in der Öffentlichkeit. Bei ihren wenigen Auftritten in den Landgerichten von Köln und Essen, die auch nur zustande kommen, weil ihr persönliches Erscheinen erforderlich ist, steht am Ende immer die gleiche Frage: War die Alleinerbin von Karstadt-Quelle wirklich gänzlich unbeteiligt, hat sie die Geschäfte komplett ihrem dritten Ehemann Leo Herl, ihrem Vermögensverwalter Josef Esch und den Oppenheim-Bankern überlassen? Alles blind unterschrieben und nicht geahnt, was sie da tut?

Die Unterschrift unter dem Vertrag, mit dem Schickedanz im Herbst 2008 auf dem Höhepunkt der Finanzkrise in einem Privatjet auf dem Flughafen Köln/Bonn ihr gesamtes Vermögen an die Privatbank verpfändet, ist nach ihrer Aussage vor dem Kölner Landgericht im März 2014 unter enormen Druck zustande gekommen. Die Bank in Person ihres Vermögensverwalters Josef Esch habe ihr gedroht, „sämtliche Kredite fällig zu stellen“. Das hätte die Pleite von Arcandor bedeutet. „Ich habe gesagt, das geht so nicht, ich möchte schließlich noch ein eigenes Kopfkissen haben.“ Esch habe geantwortet: „Du hast längst kein eigenes Kopfkissen mehr.“

1,9 Milliarden Euro will sie erstreiten

Ganz so schlimm ist es nicht gekommen. Immerhin strengt Schickedanz 2012 mit ihren Anwälten einen Schadenersatzprozess gegen Esch und die Oppenheim-Banker an – 1,9 Milliarden Euro will sie erstreiten. Sie hätten ihr Vermögen riskant angelegt und verschleudert. Am Ende steht nach vielen Jahren des Rechtsstreits ein Vergleich, der ihr dem Vernehmen nach rund 60 Millionen Euro einbringt und ihr damit den Weg zum Discounter erspart.

Wie passt das zum Selbstbild einer Frau, die sich bei allen öffentlichen Auftritten als Opfer präsentiert, sich um nichts gekümmert haben will, als Beruf „Hausfrau“ angibt und sich an alle Dokumente, die ihre Unterschrift tragen, nicht erinnern will? „Ich hatte volles Vertrauen in die Bank, Josef Esch und Thomas Middelhoff. Das war mein Fehler.“ Der ebenfalls tief gestürzte Top-Manager hatte das Ruder bei Arcandor übernommen und versucht, den Konzern aus den roten Zahlen zu holen.

Geburt im Luftschutzbunker 1943

Esch habe ihr noch auf dem Höhepunkt der Krise versichert: „Solange du den Josef hast, passiert dir nichts. Du hast mich Tag und Nacht, mit Haut und Haaren“, beschreibt Schickedanz vor Gericht die Rolle des Troisdorfer Immobilienunternehmers. Die geforderte Generalvollmacht habe sie ihm dennoch verweigert – um ihre Kinder im Falle eines Schicksalsschlages zu schützen. Vor Gericht scheitert Schickedanz mit ihrer Strategie, die Banker und Esch hätten sie, die Arcandor-Großaktionärin, immer nur als „Strohfrau“ benutzt, um mit immer neuen Aktienkäufen zusätzliches Geld in das marode Unternehmen zu pumpen.

Schickedanz kommt 1943 im Luftschutzbunker einer Nürnberger Klinik zur Welt. Sie ist das einzige Kind des Versandhausgründers Gustav Schickedanz, Quelle fällt an sie. Nach wenigen Semestern bricht Madeleine Schickedanz ihr Betriebswirtschaftsstudium ab. 1965 heiratet sie zum ersten Mal, Hans-Georg Mangold. Auch ihr zweiter Gatte Wolfgang Bühler ist im Konzern tätig. Ihr dritter Ehemann Leo Herl wird Aufsichtsratsmitglied bei Arcandor. Schickedanz führt das Leben einer Superreichen. Villen in Spanien oder St. Moritz, ein Anwesen im fränkischen Hersbruck. Sie habe „kein richtiges Verhältnis zu Geld“, soll ihr Vater mal gesagt haben.

Die Unbedarfte

Madeleine Schickedanz, die Unbedarfte, Hausfrau, Strohfrau. „Mein Einfluss war nie groß. Mein Leben war immer hauptsächlich von meinen Kindern geprägt“, sagt sie im Untreue-Prozess gegen den ehemaligen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff über sich. Als Großaktionärin habe sie nie Macht im Konzern ausgeübt.

Eine zierliche, unsichere Frau, die in der Welt der Wirtschaftsbosse und Großbanker unter die Räder geriet? Tatsächlich nur ein Opfer? Man möchte es ihr fast glauben, wenn man sie sieht. Sehr wahrscheinlich ist das jedoch nicht. (mit dpa)

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