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Rendevouz an der WurstthekeErlebnis-Supermärkte erobern die Städte

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Supermarkt Edeka

Der Edel-Edeka in Düsseldorf

Düsseldorf – Die hauseigene Patisserie ist um zwölf Uhr umlagert, in der Kaffee-Lounge nebenan ist kein einziger Sitzplatz frei: Trüffel, Amarettini und französische Törtchen sehen so lecker aus, dass man gleich reinbeißen möchte. Gähnende Leere dagegen zur gleichen Zeit in der Champagner Club Bar, auch in Zurheides Premium Beef Bar ist es ruhiger: Das Kobe-Steak mit getrüffelter Sojasoße für 129 Euro wird selbst in einer der besten Lagen Düsseldorfs unweit der Kö an diesem Tag nur einmal bestellt werden. Deutlich besser verkaufen sich die günstigeren Mittagsgerichte im Erdgeschoss.

Luxusmarkt, Edelfiliale, Gourmettempel

Auch Wochen nach der Eröffnung ist „Zurheide Feine Kost“ im Düsseldorfer „Crown“ an der Berliner Allee Gesprächsthema – nicht nur in der Stadt, sondern in der gesamten Branche. Wettbewerber schicken inkognito Mitarbeiterdelegationen, um zu sehen, wie sich die Konkurrenz den „Erlebnissupermarkt der Zukunft“ mit reichlich Gastro-Angeboten vorstellt. Luxusmarkt, Edelfiliale, Gourmettempel – Rüdiger Zurheide gefallen solche Schlagzeilen nicht. „Wir wollen kein Gourmettempel sein.

Wir bieten für jeden Geldbeutel etwas an“, sagt der Edeka-Händler. Denn allein von Premium-Kunden, das weiß auch Zurheide, trägt sich ein Markt nicht. Wenn es zu elitär wirkt, kommen viele nicht. Man brauche aber alle: Touristen, Familien, Angestellte, die Mittagspause machen oder abends im Supermarktrestaurant essen.

Konzepte der Branche

Edeka setzt auf Emotionen – mit Imagekampagnen wie „wir lieben Lebensmittel“. Gerade werden die übernommenen Kaiser’s-Tengelmann-Filialen umgestaltet. Viele Filialen gehören selbstständigen Kaufleuten. Ein Investment wie Zurheide plant im Moment niemand.

Die Real-Märkte haben das „Food-Lover-Konzept“ entwickelt. 2016 wurde auf 12 000 Quadratmetern Fläche die Markthalle Krefeld eröffnet mit 80 000 Artikeln vom Niedrigpreissegment bis zur Oberklasse. Viel Gastronomieangebote, edles Design und Feinkost.

Die Kölner Rewe setzt auf das Konzept „2020“ und wollen „emotionaler“ werden. Helfen soll auch eine wohnliche Ausstattung: Holz-Dekor an Fleischtheken etwa . Da der Trend zu Snacks geht, werden Frischeabteilungen ausgebaut. Gastro-Angebote gewinnen an Bedeutung. Rewe-Händler können sich einzelne Module herauspicken. Der Markt an der Widdersdorfer Straße wurde vor wenigen Wochen ausgebaut.

Klar ist aber schon: Wer hierherkommt, der sucht keine H-Milch, sondern das Besondere. Das Herkömmliche nimmt er zusätzlich mit. Unter den gefühlt 80 Sorten Olivenöl finden sich nicht nur 500 Milliliter „extra vergine“ für 24 Euro, sondern auch 1 Liter Gut-und-günstig-Pflanzenöl für 1,19 Euro.

Rund 65000 Produkte auf 10000 Quadratmetern Fläche bietet Zurheide in der ehemaligen Kaufhof-Filiale an – und sprengt damit alle Dimensionen. Ein klassischer Supermarkt kommt mit maximal 3000 Quadratmetern aus. „Deutlich mehr als 10 Millionen, aber keine 20 Millionen“ habe die Familie investiert, sagt Zurheide. Die Industrie hat sich beteiligt – Lindt, Haribo und Ferrero haben eigene „Inseln“. Doch auch angesichts der Mietkosten von 20 Euro pro Quadratmeter ist der Markt ein finanzielles Wagnis. Wenn er nicht laufe, seien 40 Jahre Firmengeschichte dahin, sagt Zurheide. Die anderen sechs Filialen könnten das nicht auffangen: „Ich bin aber sicher, dass es funktioniert.“

Die Idee, der Supermarkt müsse sich zu einem Treffpunkt für Kunden entwickeln, in dem man sich zwei Stunden wohlfühlt, wabert schon seit Jahren durch die Szene. Vorangetrieben wird sie noch nicht so lange. Alle stehen vor denselben Herausforderungen: Aldi hat erst ein milliardenschweres Investitionsprogramm beschlossen. Der Abstand des Discounters zum Supermarkt schrumpft. Die Konkurrenz durch Online-Anbieter wächst. Supermärkte müssen klar machen, wo der Unterschied liegt. Und setzen auf das Erlebnis.

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