Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp„Wir brauchen mehr Akzeptanz für Windräder“

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Steinkamp Grönert neu

Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp

  • Das Thema Energiewende scheint in der Corona-Krise ein wenig in den Hintergrund zu rücken.
  • Für Rheinenergie-Chef Dieter Steinkamp ist es aber weiterhin ein bestimmendes Thema, wie er im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger sagt.
  • Außerdem spricht Steinkamp über Versorgunssicherheit und Bezahlbarkeit von Energie, über Windenergie und Fernwärme sowie ein sofortiges Kohle-Aus.

Köln – Seit Juni 2009 ist Dieter Steinkamp Vorstandsvorsitzender der Rheinenergie sowie Vorstandsvorsitzender der GEW in Köln. Im Interview mit dem Kölner Stadt-Anzeiger erklärt er, wie sein Unternehmen auch während der Corona-Krise gewährleistet. Außerdem spricht er über die Energiewende, neue Abstandsregelungen bei der Windenergie sowie über die Gründe, die einen sofortigen Kohleausstieg verhindern.

Herr Steinkamp, das Thema Energiewende ist in Corona-Zeiten und der vielleicht schlimmsten Wirtschaftskrise seit Kriegsende in der Versenkung verschwunden. Teilen Sie diesen Eindruck? Dieter Steinkamp: Das Thema wird vielleicht in den Medien weniger gespielt als vor Corona-Zeiten. Es ist aber weiterhin eines der Bestimmenden. Die Energiewende ist für uns kein neues Thema. Wir verfolgen seit Jahren das Zieldreieck Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit. Strom und Wärme dürfen nicht zu einem Gut vornehmlich für gut-situierte Haushalte werden, die bevorzugt grüne Politik unterstützen.

Sie sprechen die Versorgungssicherheit an. Wie ist diese in der Corona-Krise zu gewährleisten? In unseren Netzleitstellen arbeiten Spezialisten. Wir haben auf Zwölf-Stunden-Schichten umgestellt, um einem Ausfall entgegenzuwirken. Die betroffenen Mitarbeiter werden von anderen konsequent abgeschottet. Da gelten im Grunde die gleichen Regeln wie im Gesundheitswesen. Man darf nicht vergessen, welche Systemrelevanz die Energieversorgung für alle Bereiche der Gesellschaft hat. Kein Wasser, kein Strom, keine Wärme, dann wird es eng für uns alle.

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Zurück zur Energiewende. Das Thema Windenergie ist wegen der neuen Abstandsregeln in ganz Deutschland seit dieser Woche wieder aktuell. Wie weit sind Sie in diesem Feld? Wir betreiben als Rheinenergie insgesamt 26 Windparks mit 107 Windkraftanlagen. Längst sind die nicht mehr nur in weiter entfernten Gebieten, sondern auch in der Region, etwa in Neukirchen-Vluyn, Willich oder jüngst in Neuss. Wir haben bis heute rund 370 Millionen Euro in den Ausbau der Erneuerbaren Energien investiert, mehr als in konventionelle Anlagen. Wir können damit in Köln knapp 130.000 Haushalte ein Jahr lang mit Ökostrom versorgen.

Ist Windenergie damit in der Erzeugung noch teurer als konventionelle Energie aus Braunkohle, Steinkohle oder Erdgas? Anfangs konnten wir einige der Mehrkosten durch die EEG-Umlage auffangen. Allerdings schwanken die Preise für Windstrom enorm, demnach wie halt der Wind weht, nicht nur tageweise, sondern stundenweise. Die Erzeugerkosten liegen zwischen vier Cent und etwas mehr als acht Cent pro Kilowattstunde. Die Anlagen werden immer effizienter, wirklich wettbewerbsfähig wäre man mit einem Kilowattpreis mit einer drei vor dem Komma.

Wie wollen Sie da zu einer Vollversorgung mit Ökostrom kommen? Für eine Vollversorgung reicht der Ökostrom nicht. Es gibt Zahlen, dass man dafür auf jedem Quadratkilometer Deutschlands theoretisch eine Windkraftanlage haben müsste. Das aber ist illusorisch. Im Moment können wir 47,5 Prozent unserer Kunden mit Ökostrom versorgen.

Ist Ihnen die neu beschlossene Abstandsregel – 1000 Meter zwischen Windrad und Wohnbebauung – entgegen gekommen? Ich hätte mir eine flexiblere Lösung gewünscht. Es gibt Lagen, da geht es auch unter 1000 Metern, weil der Wind aus einer bestimmten Richtung kommt, und es gibt andere Lagen, da sind 1000 Meter noch zu wenig. Noch kritischer aber ist ein anderer Punkt. Die Planung einer Windkraftanlage dauert wegen vieler Auflagen und Prozesse bis in die letzte Instanz oft drei, manchmal fünf Jahre. Und bis zum Ende herrscht für den Bauherrn absolute Unsicherheit. Das ist untragbar, wir brauchen mehr Akzeptanz für Windräder, wenn wir die Energiewende wollen.

Wie kommen Sie dennoch der Energiewende näher? Bis zum Jahr 2025 modernisieren wir das Braunkohlenkraftwerk in Köln-Merkenich und stellen es auf kohlefreie Erzeugung von Dampf und Strom um. Da sieht man auch wie sich die Zeiten verändern. Das wurde als Öko-Vorzeige-Kraftwerk erst Anfang der 1990er in Betrieb genommen, eigens durch den damaligen Bundesumweltminister Töpfer. Heute schon wirkt es völlig aus der Zeit gefallen. Viele vergessen: Vor zehn Jahren galt ein neues effizientes Kohlekraftwerk noch als Zeichen für den Klimaschutz, so schnell ändern sich die Zeiten. Als Ausgleich für das Kohle-Kraftwerk fahren wir nun die Kapazität eines Gas-und-Dampf-Kraftwerkes in der Nachbarschaft hoch. Das ist wichtig für unsere dortigen Kunden wie Ineos und Ford. Die sind Abnehmer von Dampf. Dort ist es nicht einfach möglich, den Preis mit einem Öko-Aufschlag zu erhöhen. Das Ford-Werk steht in einem internationalen Wettbewerb, auch mit anderen Standorten. Dem müssen wir entgegenkommen, unter anderem mit diesem Kraftwerk.

Was ist das Neue? Neu ist das so nicht, auch heute schon wird die bei der Verbrennung entstehende Wärme als Fernwärme genutzt. Das ist insgesamt ein riesiges Potenzial, was die Einsparung von CO2 angeht, bei Wärme ist es viel höher als bei Elektrizität. Wir können theoretisch bereits heute 18 Prozent der Kölner Haushalte mit Fernwärme beliefern. In der Innenstadt hat Fernwärme schon heute einen Anteil von 75 Prozent an der Wärmeversorgung.

Schaffen Sie sich als einziger Fernwärmeanbieter nicht wieder ein neues Monopol? Im bundesweiten Vergleich sind wir mit unseren Fernwärmepreisen unter Durchschnitt. Die Preise für Wärme orientieren sich ohnehin am Gaspreis, für die Verbraucher mit eigener Gastherme schwanken die Preise also ähnlich. Ich sehe da keine Gefahr der Ausnutzung einer Monopolstellung durch die Rheinenergie. Außerdem gibt es ja keinen Anschlusszwang an die Fernwärme.

Wie sieht die Zukunft der Fernwärme am Rhein aus? Langfristig kann man sicher ein Fernwärme-Netz entlang der Rheinschiene bauen, darüber reden wir mit den Kollegen aus Düsseldorf. Es gibt Wärmeerzeuger und potenzielle Abnehmer zwischen den beiden Metropolen, etwa in Dormagen oder dem Düsseldorfer Süden und Neuss. Aber ob ich dieses Rhein-Wärme-Netz noch erleben werde, weiß ich nicht.

Sie haben die Beteiligung an der MVV verkauft und einen dreistelligen Millionenbetrag erlöst, was machen Sie mit dem ganzen Geld? MVV war eine reine Finanzbeteiligung, die wir jetzt verkauft haben, wodurch uns künftig auch Erlöse fehlen. Daher werden wir nun in den kommenden zwei bis drei Jahren in sinnvolle Alternativen investieren. Das können anlagenbezogene Investitionen wie Windparks sein, oder auch die Beteiligung an anderen Stadtwerken, ob an kleinen oder großen ist dabei egal.

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Was sagen Sie Menschen, die eine sofortige Abschaltung der Kohlekraftwerke zum Klimaschutz fordern? Das ist gut gemeint und verständlich, kann aber unter dem Aspekt der Versorgungssicherheit nicht funktionieren. So etwas braucht Zeit. Denken Sie etwa an den Dampf aus dem Kölner Norden. Daran hängen mit Ford und Ineos 20.000 Kölner Arbeitsplätze. Nachhaltigkeit muss man entwickeln. Einfach den Knopf abzuschalten ist illusorisch.

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