SkandalBetrug und Untreue in der Seniorenresidenz

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München –  Es ist ein Wirtschaftskrimi aus dem Kirchenmilieu und damit ein besonderer Fall, der vom kommenden Jahr an in München verhandelt werden dürfte. Denn nach mehrjährigen Ermittlungen hat nun die Staatsanwaltschaft München 1 Anklage im Komplex des Sozialkonzerns Augustinum erhoben, was einigen Zündstoff birgt. Es geht um den von mutmaßlichem Betrug und Bestechungen begleiteten Verkauf 14 nobler Seniorenheime in ganz Deutschland. Darunter sind auch Einrichtungen aus NRW - unter anderem eine Seniorenresidenz in Bonn.

Vor Gericht bringen wollen Staatsanwälte deshalb einen früheren Augustinum-Geschäftsführer, zwei Manager einer norddeutschen Erwerberfirma und einen Vermittler aus der Schweiz. Der vermeintliche Drahtzieher aber kommt nicht auf die Anklagebank: der frühere und 2014 verstorbene Augustinum-Aufsichtsratschef Artur Maccari.

Sollte es zur Verhandlung kommen, womit Justizkreise fest rechnen, wird es dort notgedrungen auch um Schuld oder Unschuld des Toten gehen. Denn daran bemisst sich, welchen Anteil an den zur Last gelegten Taten das angeklagte Quartett hat, das alle Vorwürfe abstreitet. Zudem erhebt das Augustinum millionenschwere Schadenersatzansprüche speziell gegen Maccaris Erben.

Was in den Jahren 2011 bis 2013 geschehen ist, versucht die rund hundertseitige Anklageschrift nachzuzeichnen, die inzwischen allen Angeklagten und ihren Verteidigern zugestellt wurde. Demnach erhielt das Augustinum Anfang 2014 einen anonymen Hinweis, wonach der Sozialkonzern beim Verkauf seiner Heime in den Jahren zuvor über den Tisch gezogen worden sei. Nach interner Untersuchung erstattete er dann Strafanzeige und Staatsanwälte übernahmen den Fall. Nach ihren Ermittlungen war Maccari die treibende Kraft beim mutmaßlich betrügerischen Verkauf der Seniorenstifte für gut eine halbe Milliarde Euro.

Maccari habe diesen eingefädelt und dem damaligen Augustinum-Chef Markus Rückert entsprechende Verträge vorgelegt, die dieser in blindem Vertrauen unterschrieben hat. Auch gegen den Kirchenmann, dessen Vater den Sozialkonzern 1954 gegründet hatte, war deshalb ein Bußgeldverfahren eröffnet worden, das aber mittlerweile eingestellt ist. Käufer der Heime war damals die Firma Nordic Kontor aus Schleswig-Holstein, die aber kein eigenes Geld hatte und sich deshalb die nötige Summe leihen musste. Darlehensgeber war das Augustinum. Der Verkäufer hat also den Kredit zum Kauf seiner Immobilien gegeben. Rückert wurde das angeblich als bilanziell besonders pfiffiger Trick verkauft.

Aus den Rippen geleiert wurden dem Augustinum damals nach Erkenntnissen der Staatsanwälte ferner 72 Millionen Euro Investitionskostenzuschüsse angeblich zur Begleichung von Erwerbsnebenkosten. In Wahrheit sei über die Hälfte dieser Summe für Scheinprovisionen an den Vermittler aus der Schweiz abgezweigt worden. Der habe wiederum einen erheblichen Teil davon an Maccari und den angeklagten Augustinum-Geschäftsführer weitergeleitet. Letzterer ist deshalb wegen Untreue und gewerbsmäßigen Bandenbetrugs angeklagt, die anderen drei Beschuldigten nur wegen Betrugs.

Dazu kommen laut Anklage weitere Vorwürfe wegen Untreue mit Schäden in Millionenhöhe beim Bau eines Augustinum-Wohnstifts in Meersburg am Bodensee und einem Grundstücksverkauf in Dresden. Die 14 in der Hauptsache zur Anklage stehenden Altenresidenzen verteilen sich über Standorte in ganz Deutschland von Bonn und Heidelberg, bis Bad Soden bei Frankfurt, Stuttgart-Sillenbuch und München-Nord.

Drei der Heime hat das Augustinum voriges Jahr wieder unter eigene Kontrolle gebracht. Die elf anderen Immobilien sind von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt, wobei der Betrieb regulär fortgeführt wird. Je nach Ausgang des Verfahrens will der Sozialkonzern auch diese Standorte wieder übernehmen. Grundbuchrechtlich gesichert hat er sie sich bereits. Auch zivile Schadenersatzprozesse werden abhängig von Eröffnung und Ausgang des Strafprozesses angestrebt, wobei es dann primär um Maccaris Erbe gehen dürfte.

23 Seniorenstifte bundesweit

Das Augustinum ist ein der evangelischen Kirche nahe stehender Sozialkonzern, der 23 Seniorenstifte, Kliniken, Schulen und Behinderteneinrichtungen in Deutschland betreibt.

Der Sozialkonzern beschäftigt bei rund 350 Millionen Euro Jahresumsatz rund 4400 Mitarbeiter und firmiert als gemeinnützige Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in München.

Geführt wird das Gebilde von einem achtköpfigen Kollegium, zu dem auch der Gründer-Enkel Johannes Rückert zählt. Das Augustinum hat alle Verträge zum Verkauf der Wohnstifte angefochten und auch Zivilprozesse angestrebt, die derzeit ruhen. (tmh)

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