Start-up Einhundert EnergieKölner wollen auf jedes Dach in NRW eine Solaranlage bauen

Lesezeit 4 Minuten
Auch in Bremen hat das Ehrenfelder Unternehmen eine Photovoltaik-Anlage installiert.

Auch in Bremen hat das Ehrenfelder Unternehmen eine Photovoltaik-Anlage installiert.

  • Ein Ehrenfelder Start-up möchte eine Solaranlage auf jedem öffentlichen Gebäude in NRW installieren.
  • Die Vorteile: Lokal produzierter Strom spart Geld und das strapazierte Stromnetz würde entlastet.
  • Auch private Vermieter will Einhundert Energie ausstatten – mit Strom, der mindestens zehn Prozent günstiger ist als der städtische Grundversorger.

Köln – Eine Solaranlage auf jedem öffentlichen Gebäude in Nordrhein-Westfalen – diese Vision unterbreitete der Gründer des Kölner Unternehmens Einhundert Energie, Ernesto Garnier, im April NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser. Lokal produzierter und verbrauchter Strom reduziere nicht nur die Kosten für den Netzausbau, sondern spare auch Geld durch den Wegfall von Umlagen und Netzentgelten, legte Garnier der CDU-Politikerin dar.

Laura Kirst, Markenkuratorin des Ehrenfelder Start-ups, ergänzt wenige Monate später: „Wir könnten so jetzt schon den Kindern zeigen, was die Zukunft ist.“ Inzwischen führe Einhundert Energie tatsächlich Gespräche mit verschiedenen Ministerien – neben dem Umweltressort seien auch das Finanz- und das Wirtschaftsministerium involviert.

Brachliegende Dachfläche besser nutzen

Die Stilllegung von Kernkraftwerken, der mittelfristig bevorstehende Ausstieg aus der Kohleverstromung sowie der Umstieg auf erneuerbare Energien bringen das Stromnetz immer mehr an seine Grenzen: Große Windparks etwa entstehen vor allem in Ost- und Norddeutschland – um die dort erzeugte Energie zum Verbraucher zu transportieren, muss das Netz erheblich ausgebaut werden. Durch die wachsende Verbreitung der Elektromobilität steigen die Anforderungen an das Netz weiter. „Es ist notwendig, dass Energie heute lokal produziert und verbraucht wird“, schlussfolgert der 33 Jahre alte Gründer, der vor der Selbstständigkeit Energieunternehmen zu digitalen Geschäftsmodellen beraten hat. Kirst ergänzt: „Es gibt so viele brachliegende Dachflächen, die wir besser nutzen können“.

Alles zum Thema Rheinenergie

Einhundert Energie will mit seinem Vorhaben nicht nur die öffentliche Verwaltung überzeugen, sondern auch Hausbesitzer und Vermieter. Das Angebot ist das gleiche: Das 2017 gegründete Unternehmen mit Sitz in der Ehrenfelder Lichtstraße übernimmt die Kosten für Planung, Aufbau und Betrieb der je nach Größe zwischen 20 000 und 40 000 Euro teuren Photovoltaikanlagen auf den Dächern der Kunden. „Wir tragen alle Kosten, zahlen dem Vermieter eine Dachpacht, versichern und warten auch die Anlage“, sagt Ernesto Garnier.

Einhundert Energie will auch kleine Projekte betreuen

Bei einem anderen Modell, das die Kölner anbieten, übernehmen sie lediglich die Planung und Ausführung, die Kosten übernimmt der Hausbesitzer, der damit in die Energiewende investiert und vom Einhundert Energie eine Anlagenpacht erhält.

Mieter und Vermieter würden dabei aktiv die Energiewende mitgestalten, sagt Kirst. Die Kosten der Investoren, sei es Einhundert Energie oder der Vermieter selbst, sollen sich in zehn bis 14 Jahren amortisiert haben. Die Technik halte problemlos 25 Jahre, garantiert Einhundert Energie.

Mieterstrom, bei dem klimafreundlich Energie am Wohnort erzeugt und genutzt wird, ist freilich keine Erfindung des Kölner Start-ups. Städtische Versorger wie die Rheinenergie oder Energieriesen wie Eon und RWE bauen Blockheizkraftwerke oder eben Solaranlagen in Wohnquartieren, übernehmen die Kosten und die Abrechnung.

Einhundert Energie will sich von den anderen Anbietern zum einen dadurch abheben, dass das Unternehmen auch kleinere Aufträge ausführt: „Andere Mieterstromanbieter betreuen oft nur große Projekte, wir arbeiten schon ab einer Größe von vier Wohneinheiten“, sagt Garnier. Hausbesitzer können die Dächer ihrer Gebäude kostenlos von Einhundert Energie auf deren Eignung für die Installation von Photovoltaik-Flächen prüfen lassen. Im urbanen Raum soll Sonnenenergie ebenso erzeugt werden wie auf dem Land: „Statt uns auf riesige Quartiere zu beschränken, bringen wir Solarstrom schneller in die Städte“, sagt Garnier.

Keine Jahresabrechnung oder geschätzte Abschläge nötig

Die Hausbewohner sollen indes vor allem bei den Kosten profitieren: „Der Mieter bekommt von uns Strom, der mindestens zehn Prozent günstiger ist als der des städtischen Grundversorgers“, verspricht der Gründer.

Außerdem bekämen Verbraucher volle Transparenz über ihre Energiekosten: „Der Mieter hat eine App und kann am Smartphone oder Computer immer live sehen, was er verbraucht.“ Möglich wird das durch sogenannte Smart Meter Gateways: Sie helfen digitalen Stromzählern dabei, mit dem Internet zu kommunizieren und Energieflüsse zu visualisieren.

Verbraucher sollen so immer wissen, wenn ein Kühlschrank beispielsweise übermäßig viel Energie verbraucht, an sonnigen Tagen gerade viel Solarstrom produziert wird oder wie hoch die Solarquote am Strommix ist. Eine Jahresabrechnung oder geschätzte Abschläge gebe es nicht, sagt Garnier, stattdessen eine monatliche Abrechnung des tatsächlich verbrauchten Stroms.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Energie aus den Photovoltaik-Anlagen von Einhundert Energie decke aktuell 30 bis 40 Prozent des Verbrauchs ab, erläutert Garnier. Bei einzelnen der bislang zehn realisierten Projekte betrage der Dachstrom-Anteil bereits 65 Prozent. Der Rest wird mit Ökostrom ausgeglichen, den Einhundert Energie über das benachbarte Start-up Next Kraftwerke einkauft.

In das Unternehmen mit derzeit 14 Mitarbeitern haben bereits mehrere Privatleute Risikokapital im mittleren sechsstelligen Bereich investiert. Mit bestehenden und neuen Investoren soll Einhundert Energie nun stark wachsen: Bis Herbst sollen 30 weitere Gebäude mit Solaranlagen ausgestattet werden.

KStA abonnieren