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Streit um Covestro-PipelineDüsseldorfer Regierung veröffentlicht Maßnahmenkatalog

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Covestro Gebäude

Nordrhein-Westfalen, Leverkusen: Der Schriftzug "Covestro" auf dem Gelände des Chemieparks.

Es ist eine neue Episode in einem Dauerstreit: Seit 2009 liegt die 67 Kilometer lange Pipeline des Chemiekonzerns Covestro durch NRW in der Erde. Bis heute jedoch ist sie nicht in Betrieb. Covestro, eine ehemalige Bayer-Tochter, will durch die Pipeline hochgiftiges Kohlenmonoxid vom Werk in Dormagen nach Krefeld-Uerdingen transportieren. Seit Jahren protestieren Tausende Anwohner und Umweltschützer gegen die Inbetriebnahme.

Nun hat die Bezirksregierung Düsseldorf  einen Maßnahmenkatalog veröffentlicht. Seit Mittwoch ist er öffentlich einsehbar. Der Katalog gibt vor, was Covestro tun muss, um die Pipeline nutzen zu können. Bevor das geschehen kann, steht zusätzlich noch ein Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster zu der Frage aus, ob sie überhaupt eine rechtliche Grundlage hat. Die Gegner haben bereits weitere Proteste und Klagen angekündigt. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu einem Projekt, das Behörden und Gerichte, Konzern und Gegner seit mehr als zehn Jahren beschäftigt.

Was bringt die neue Pipeline?

Covestro, einer der größten Kunststoffhersteller weltweit, will Kohlenmonoxid vom Werk in Dormagen zur Fabrik in Krefeld transportieren, weil es dort gebraucht wird. „Nur so können wir auf Dauer die Produktion garantieren“, sagt Sprecher Jochen Kluener. Bisher muss das Kohlenmonoxid in Krefeld eigens hergestellt werden. Das sei ein erheblicher Kostenfaktor. „In Dormagen fällt es als Nebenprodukt an“, so der Sprecher.

Wo verläuft die Pipeline?

Größtenteils rechtsrheinisch von Dormagen durch Monheim, Langenfeld, vorbei an Solingen, Hilden und Ratingen und südlich von Duisburg bis nach Krefeld. Die 25 Zentimeter dicke Röhre ist größtenteils in mindestens 1,40 Meter Tiefe unter freien Flächen verlegt, führt jedoch auch durch Wohngebiete. In Monheim  beträgt der Abstand zu den nächsten Häusern 15 Meter, an einer Schule im Duisburger Süden sind es nur zehn Meter.

Was sagen die Gegner?

„Wir sehen vor allem zwei Kritikpunkte“, sagt Dieter Donner, Sprecher eines Zusammenschlusses von Bürgerinitiativen. „Durch die Leitung  soll hochgiftiges Kohlenmonoxid fließen, das obendrein geruchs- und farblos ist. Für eine derart lange Pipeline kann es keine hundertprozentige Sicherheit geben.“ Bei Bauarbeiten könne sie beschädigt werden. Auch Gefahren durch Bombenentschärfungen oder mutwillige Beschädigungen seien nicht auszuschließen. Covestro hingegen ist von der Sicherheit der Pipeline überzeugt. Es gebe ein Warnsystem, das unter anderem den Druck misst.

Im Rechtsstreit vor dem Oberverwaltungsgericht Münster geht es auch um die Frage, ob die Trasse dem Allgemeinwohl dient. Die Landesregierung hatte das bei der Baugenehmigung, die 2007 erteilt wurde, bestätigt. Der Industriestandort werde durch den Bau gestärkt, Arbeitsplätze gesichert. Ein Argument, dass die Gegner nicht akzeptieren. „Nur  Covestro profitiert, sonst niemand“, sagt Donner.

Dass für den Bau Grundstücksbesitzer enteignet wurden, hat die Proteste verstärkt.  Anwohner und Naturschützer sammelten 110.000 Unterschriften. Es gab viele  Demonstrationen und mehrere Klagen, über die  von den Richtern in Münster gebündelt entschieden werden muss.

Was hat die Bezirksregierung Düsseldorf in ihrem Maßnahmenkatalog angeordnet?

Covestro wird verpflichtet, die Pipeline durch eine Ummantelung besser zu schützen. Das ist technisch durch die Verlegung von sogenannten Geogrid-Matten möglich. Diese Kunststoff-Matten sind mit gelben Markierungen versehen. Dadurch soll verhindert werden, dass die Pipeline bei Bauarbeiten beschädigt wird. Der Konzern hatte Matten beim Bau der Leitung zwar verlegt, aber die falschen Maße verwendet. Das ist nur eine von 80 Beanstandungen der Bezirksregierung. Das Unternehmen müsste die Trasse auf der Länge von 67 Kilometern größtenteils wieder aufreißen. „Wir sind dazu bereit“, sagt der Unternehmenssprecher. Aus Sicht der Bürgerinitiativen  ist das ein Skandal. Sie fordern, dass die Pipeline überhaupt nicht in Betrieb geht.

Warum hat die Bezirksregierung  erst jetzt neue Auflagen erteilt?

Bei einem Planänderungsverfahren haben Bürger das Recht, Einwände zu erheben. Die Bearbeitung der mehr als 20.000 Einsprüche habe mehr als fünf Jahre gedauert, sagt die Behörde. Deshalb liege der Beschluss erst jetzt vor.

Welche Bedeutung hat das ausstehende Urteil des OVG Münster?

Das Gericht entscheidet über die  die rechtlichen Grundlagen des Baus. Sollten die Kläger Recht bekommen, wäre der Bau komplett hinfällig. Aus diesem Grund will Covestro mit der neuen Ummantelung der Pipeline durch Kunststoffmatten erst beginnen, wenn das Urteil da ist. Die Richter in Münster hatten das Verfahren ausgesetzt. Es läuft bereits seit 2011. Sie wollten erst auf die neuen Auflagen der Bezirksregierung Düsseldorf warten, die in die Entscheidung einfließen sollen.

Zwischenzeitlich sind die rechtlichen Grundlagen für den Bau von Rohrleitungen verschärft worden, so dass die ursprüngliche Baugenehmigung von 2007 in Frage stehen könnte. Das OVG muss also Teile des Verfahrens neu bewerten. In den schärferen Vorschriften sehen die Pipeline-Gegner ihre Chance. Aus ihrer Sicht muss neu verhandelt werden, ob die Trasse dem Allgemeinwohl dient. Die Gegner haben weitere Klagen bereits angekündigt. „Ein Urteil wird es wohl frühestens 2019 geben“, sagt ein Gerichtssprecher. Covestro hingegen ist zuversichtlich, dass Münster zu seinen Gunsten entscheidet.

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