Abo

Tönnies-Schlachthof bleibt zuSorge vor Notschlachtungen und mehr verendeten Tieren

Lesezeit 3 Minuten
8000 solcher Betriebe mit Schweinen gibt es in NRW, die meisten in Westfalen.

8000 solcher Betriebe mit Schweinen gibt es in NRW, die meisten in Westfalen.

  • „Das Konzept, das die Firma vorgelegt hat, beantwortet bei weitem nicht alle Fragen“, sagt der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer.
  • Ein kurzfristiges Hochfahren der Produkten im Tönnies-Schlachthof schließt er darum aus. Der anhaltende Produktionsstopp bringt Schweinebauern in Not.
  • Die Betriebe bekommen ein Platzproblem. Der Wegfall von Schlachtungen verursacht „große Tierschutzprobleme“, so die Bundestierärztekammer.

Köln – Der Gütersloher Landrat Sven-Georg Adenauer rechnet nicht mit einem kurzfristigen Hochfahren der Produktion im Schlachtbetrieb von Tönnies in Rheda-Wiedenbrück. „Das Konzept, das die Firma vorgelegt hat, beantwortet bei weitem nicht alle Fragen, die geklärt werden müssen. Also bis der Betrieb wieder anläuft, kann es noch dauern!“, sagte der CDU-Politiker am Montag dem WDR vor einem Treffen von Vertretern der Behörden und des Unternehmens.

Hintergrund sind mehr als 1000 positiv auf das Coronavirus getestete Tönnies-Mitarbeiter am Standort in Rheda-Wiedenbrück. Die Befunde hatten zu regionalen Einschränkungen im öffentlichen Leben in den Kreisen Gütersloh und Warendorf geführt. Für den Kreis Gütersloh gelten die Einschränkungen noch bis in die Nacht auf Mittwoch null Uhr. Für den Kreis Warendorf waren sie bereits Ende Juni ausgelaufen.

Mastschweinhalter bleiben auf Tieren sitzen

Seit Montagvormittag sprechen Vertreter der Bezirksregierung, des Kreises und der Stadt Rheda-Wiedenbrück über das von Tönnies in der vergangenen Woche vorgelegte Hygiene-Konzept. Die Stadt Rheda-Wiedenbrück hatte die Schließungsverfügung der gesamten Schlacht- und Fleischfabrik bis zum 17. Juli verlängert. Das Unternehmen kann einen Antrag stellen, dass die Verfügung für einzelne Bereiche aufgehoben wird. Voraussetzung ist ein Konzept zum Gesundheits- und Arbeitsschutz, das den Vorgaben der Corona-Schutzverordnung des Landes Nordrhein-Westfalen entspricht.

Das könnte Sie auch interessieren:

Die Schließung des Schlachthofes ist vor allem ein Problem für Bauern, die Schweine halten. In der Regel gibt es Betriebe, die Sauen halten und deren Ferkel weiterverkaufen, und solche, die Ferkel beim Züchter kaufen und diese als Mastschweine bis zur Schlachtung großziehen. Weil der Tönnies-Schlachthof geschlossen ist, bleiben die Mastschweinhalter auf ihren Tieren sitzen und können entsprechend keine neuen Ferkel abnehmen. So haben die Zuchtbetriebe zurzeit ein schnell wachsendes Platzproblem, wie eine Sprecherin des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes (WLV) sagte. In Westfalen gibt es 7500 Bauern, die sechs Millionen Schweine halten, davon 400 000 Sauen zur Zucht.

Angst vor Notschlachtungen

Das Rheinland ist von der Tönnies-Schließung weit weniger betroffen. Zum Einen gibt es dort nur 500 Betriebe, zum anderen beliefern die kaum Tönnies, sondern meist dessen Konkurrenten Westfleisch, wie Andrea Hornfischer, Sprecherin des Rheinischen Landwirtschaftsverbands auf Nachfrage sagte. Der WLV drängt massiv auf eine baldige Öffnung des Schlachthofes in Rheda-Wiedenbrück. Insgesamt geht die Sorge um, Tiere müssten aus Platzmangel notgeschlachtet werden. 115 Tage dauert es, bis ein Ferkel zur Welt kommt. In den Vereinigten Staaten hatte es im April Fälle von Notschlachtungen in einigen Schweine haltenden Landwirtschaftsbetrieben gegeben.

Tierärzte warnen angesichts geschlossener Schlachthöfe vor überfüllten Ställen und längeren Transporten für die Tiere. Durch den Wegfall von mehreren zehntausend Schlachtungen pro Tag ergäben sich „große Tierschutzprobleme“, teilte die Bundestierärztekammer. Enger besetzte und überfüllte Ställe könnten besonders bei sommerlichen Temperaturen zu Kreislaufbelastung für Tiere führen. „Es ist nicht auszuschließen, dass dadurch vermehrt Tiere verenden“, warnten die Experten. Die Transportwege zu anderen Schlachtstätten würden „deutlich länger“.

Fehlende Schlachtkapazitäten durch andere Standorte zu kompensieren, ist nur schwer möglich: „Die notwendigen Hygienemaßnahmen und Abstandsregeln haben bereits deutliche Kapazitätseinbußen zur Folge“, so die Kammer. Eine Sprecherin der für Tierwohl zuständigen Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) bestätigte, dass es ein „Riesenproblem für Landwirte“ gebe aufgrund der geringeren Schlachtkapazitäten. Es werde an einer Lösung gearbeitet, Konkretes dazu gebe es aber noch nicht. (mit dpa)

KStA abonnieren