Toyota-Chef Uyttenhoven im Interview„Saubere E-Autos sind ein Mythos“

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Alain_Uyttenhoven

Toyota-Chef Alain Uyttenhoven in der Toyota-Collection am Firmensitz in Köln-Marsdorf

  • Alain Uyttenhoven ist seit 2018 Präsident von Toyota Deutschland.
  • Im Interview mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ spricht er über Zukunftsantriebe, die Deutsche Umwelthilfe und die IAA in Köln.
  • Die E-Mobilität sieht Uyttenhoven kritisch. Der Antrieb sei keinesfalls nachhaltig.

Herr Uyttenhoven, jeden Freitag gehen junge Menschen weltweit bei Fridays for Future für das Klima auf die Straße. Das Image des Autos enorm gelitten. Ein Statussymbol ist es besonders für jüngere Menschen schon längst nicht mehr, oder?

Früher hat das Auto individuelle Freiheit verkörpert und war eine Möglichkeit, mit Menschen die entfernt leben, in Kontakt zu kommen. Durch die Digitalisierung hat sich das grundlegend verändert. Über das Internet und die Smartphones ist dieses Thema heute nicht mehr ausschließlich mit dem Auto verbunden.

Das bedeutet aber nicht, dass individuelle Mobilität künftig keine Relevanz mehr hat. Das sieht man den neuen Car-Sharing-Anbietern, die Menschen wollen nach wie vor individuell fahren. Aber man muss heute nicht mehr unbedingt der Eigentümer eines Fahrzeugs sein, sondern man hat die  Möglichkeit, Mobilitätsdienste zu kombinieren.

Die EU hat verbindliche CO2-Grenzwerte festgelegt, deren Verletzung die Hersteller Milliarden-Strafen kosten könnten. Deutschland will zudem  verstärkt die Elektromobilität fördern – mehr Ladeinfrastruktur und Prämien für den Kauf von batteriegetriebenen Pkw. Gehen die Beschlüsse weit genug?

Das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber dass das schon reichen wird, glaube ich persönlich nicht. Die Geschwindigkeit müsste erhöht werden. Was die Mehrheit der Menschen insgesamt zu wenig im Blick hat, ist, dass der Ausstoß von CO2 ein weltweites Problem ist und kein deutsches oder europäisches. Jetzt werden große Hoffnungen in die Elektromobilität gesetzt, aber es ist ein Mythos, dass diese Technologie eine 100 Prozent nachhaltige ist.

Rund 80 Prozent des Stroms weltweit wird nach wie vor unter Einsatz   fossiler Brennstoffe produziert. Elektromobilität wäre sauber, wenn der Strom aus nachhaltigen Energiequellen käme. Das beste Beispiel ist hier Norwegen – der überwiegende Teil des Stroms kommt aus Wasserkraft.  Und die Produktion von Batterien sollte man auch unter nachhaltigen Aspekten kritisch betrachten.

Was meinen Sie genau?

Heute fährt weltweit nur ein Prozent der Autos mit reinem Batterie-Antrieb.  Wenn die Zahl nun deutlich erhöht werden soll, wird man auch deutlich mehr Rohstoffe für den Bau der Batterien brauchen als derzeit. Man benötigt etwa 15 Kilo Kobalt pro Auto. Hauptabbaugebiet ist der Kongo mit all den politischen und ökologischen Problemen, die dort herrschen. Auch das muss man immer berücksichtigen, wenn man über  die Umweltfreundlichkeit spricht. 

Wann baut denn Toyota das erste E-Auto?

Wir haben jüngst in Japan einen Zweisitzer für die Stadt vorgestellt. Der Wagen fährt bis zu 60 Stundenkilometer und hat eine Reichweite von bis zu 100 Kilometer. Der Wagen wird vor allem für ältere Menschen, Fahranfänger oder Geschäftsleute gebaut, die in der Stadt mobil sein wollen. Im kommenden Jahr kommt der Wagen in Japan auf den Markt. Es ist also die perfekte Lösung für genau dieses Mobilitätsbedürfnis. Der Lexus UX EV wird das erste Elektrofahrzeug unseres Konzerns in Europa sein.

Toyota gilt als Vorreiter in der Hybridtechnik, der Kombination von Elektro- und Verbrennungsantrieb – eine Übergangstechnologie, wie lange hält Toyota daran fest?

Man spricht zu viel über Technologie und viel zu wenig über Ziele. Das erste Hybrid-Auto ist in den 90er Jahren entstanden, weil wir uns bei Toyota zum Ziel gesetzt haben, Autos ohne Emissionen zu bauen. Ein kleines Team war mit der Aufgabe betraut und entwickelte 1995 den Prius, eine Pionier-Leistung. Heute verkaufen wir ungefähr 60 Prozent unserer Autos in der EU mit Hybridantrieb. 

Toyota setzt jetzt auf die Brennstoffzelle auf Basis von Wasserstoff. Warum glauben Sie an diese Technologie?

Wasserstoff ist ein nahezu unendliches Speichermedium, denn Wasser gibt es fast unbegrenzt auf unserem Planeten. Im Gegensatz zu anderen alternativen Energien wie Wind und Sonne ist es immer verfügbar.  Wasserstoffbetriebene Fahrzeuge stoßen kein CO2 aus und auch keine anderen schädlichen Gase wie Kohlenmonoxid und Stickoxide. Wasserstoff ist zudem transportierbar – im Gegensatz zu Strom, der etwa wegen fehlender Trassen nicht von der Nordsee nach Bayern gebracht werden kann.

Wie viele Autos gibt es in Deutschland?

Rund 200 Pkw, weltweit produzieren wir jährlich 3000. Bei zehn Millionen Fahrzeugen, die wir weltweit verkaufen, ist das natürlich noch verschwindend gering. Aber ab 2020 produzieren wir 30.000 Mirai pro Jahr.

Welcher Antrieb setzt sich durch?

Kurzfristig wird die E-Mobilität in Deutschland einen Aufschwung erleben. Für kurze Strecken macht das auch Sinn. Für lange Strecken eignet sich der Antrieb mit einer schweren Batterie nicht gut. Wir werden also auch weiter Verbrennermotoren mit Hybridantrieb haben, auch, weil diese Autos erschwinglich sind. Ich gehe aber davon aus, dass bald ein noch größerer Teil der Autos mit Hybridantrieb fährt. Es wird also auf absehbare Zeit erstmal ein Mix bleiben. 

Toyota hat lange Zeit die deutsche Umwelthilfe unterstützt, die  Dieselfahrverbote in mehreren Städten durchsetzen will. Die Kooperation wurde beendet, warum?

Wir haben die Zusammenarbeit vor rund 20 Jahren ins Leben gerufen, weil wir mit der Hybrid-Technologie begonnen hatten und eine gemeinsame Langzeit-Studie über den Taximarkt gestartet haben. Wir wollten mehr über die Erfahrungen der Fahrer mit der Hybridtechnologie wissen. Diese Studie haben wir mit ungefähr 20 000 Euro im Jahr unterstützt. Mittlerweile ist das Verhältnis zwischen der DUH und der Autoindustrie insgesamt sehr angespannt. Die Kooperation im Taxi-Bereich ist nach einigen Jahren ausgelaufen.

Derzeit verhandelt die Automobilindustrie und deren deutscher Dachverband VDA mit mehreren Städten über einen neuen Standort für die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA). Welche Vorteile sprächen für Köln?

Köln wäre definitiv ein sehr guter Standort für die Messe. Nicht nur Ford und Toyota haben hier ihren Sitz, sondern auch zahlreiche große und bedeutende Zulieferer und weitere Importeure. Die Stadt verfügt durch ihre gute geografische Lage und die Nähe etwa zu Belgien und den Niederlanden über ein enormes Einzugsgebiet von rund 25 Millionen potenziellen Besuchern.

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Automessen allgemein und damit natürlich auch die Messe IAA müssen sich vor dem Hintergrund des tiefgreifenden Wandels der Branche neu erfinden. Aber auch der Bürger muss in der neuen Welt der Mobilität neu denken – vor allem bewusster. Ähnlich wie bei guter Ernährung muss da ein Umdenken stattfinden.

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