Tüv RheinlandCybersicherheit treibt Wachstum des Kölner Ingenieurs-Konzerns an

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Die Zentrale des Tüv Rheinland im Kölner Stadtteil Poll 

Köln – Das Wort Tüv, in voller Länge „Technischer Überwachungsverein“, ist in Deutschland ein Synonym für die Hauptuntersuchung. Die war und ist für viele Autoschrauber eine bange Stunde. Lange hatte der Tüv ein Monopol auf diesen lebenswichtigen Sicherheitscheck.

Erst Anfang der 90er Jahre fiel es. Seitdem bieten neben den Tüv auch andere Prüfgesellschaften Fahrzeugüberwachungen nach gesetzlichen Vorgaben an wie: Dekra, GTÜ, KÜS, FSP.

Geschadet hat die Liberalisierung dem Ingenieurs-Konzern aber nicht. Verglichen mit den anderen technischen Überwachungsvereinen, etwa Tüv Süd oder Tüv Hessen ist der Tüv Rheinland am stärksten im Ausland aktiv. Neben Deutschland führt der Tüv Rheinland die Routine-Checks an Fahrzeugen in Frankreich, Spanien, Chile und Lettland durch.

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Die Einnahmen aus den Prüfungen von Kraftfahrzeugen machen insgesamt aber nur noch 15 Prozent des Konzernumsatzes aus – das Geschäft ist stabil, der Umsatzanteil sinkt aber tendenziell. Ein Überblick über Lage und Ausblick beim Tüv Rheinland.

Cybersicherheit

Mit Geschäften rund um die Cybersicherheit und den Datenschutz peilt die Prüfgesellschaft deutliches Wachstum an. Von heute sechs Prozent Umsatzanteil im Konzern könnte der entsprechende Unternehmensbereich mittelfristig auf 20 Prozent wachsen, sagt Vorstandschef Michael Fübi.

2018 kam die Sparte auf 120 Millionen Euro, wegen einer Umstrukturierung war das in etwa der Vorjahreswert – künftig soll der Wert deutlich anziehen. Derzeit hat die Firma in der Sparte „Digitale Transformation und Cybersicherheit“ mehr als 1000 Mitarbeiter. Davon sind 600 Sicherheitsexperten, 180 weitere sollen eingestellt werden.

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Michael Fübi, Vorsitzender des Vorstands der TÜV Rheinland AG. 

„Der Grundgedanke nach Sicherheit, insbesondere nach digitaler Sicherheit, wächst täglich“, sagt Fübi. In dem Geschäftsbereich wird der Tüv Rheinland in der Regel von Firmen beauftragt, die eigenen Systeme zu hacken – im Branchensprech „Penetrationstests“ genannt. In einem anschließenden Gutachten bekommt der Auftraggeber bescheinigt, wo die Schwachstellen sind und wie er sie beseitigen kann.

Früher hatten vor allem Banken und Versicherungen Bedarf an solchen Dienstleistungen, im Zeitalter des „Internets der Dinge“ – also der besseren Nutzung von Datenströmen für effiziente Abläufe – sind solche Dienstleistungen dem Tüv zufolge inzwischen aber in der ganzen Wirtschaft gefragt. Zum Beispiel überprüft der Tüv neuerdings Produktionsstätten des Gaseherstellers Linde, ob diese sicher sind gegen mögliche Cyberangriffe. Mittelständler würden solche Gefahren oft unterschätzen, sagt Fübi.

Datenschutz-Beratung

Zusätzlicher Wachstumstreiber ist nach Darstellung von Fübi die seit etwa einem Jahr als nationales Gesetz geltende Datenschutzgrundverordnung der EU, die insgesamt höheren Datenschutz vorschreibt. Dadurch steige der Beratungsbedarf von Firmen, sagte der Manager.

So habe ein chinesischer Medizintechnik-Hersteller nach Tüv-Beratung seine Geräte umstellen müssen, weil Ultraschall-Aufnahmen auf Server außerhalb der EU gekommen und Zugriffe anderer möglich gewesen wären.

Geschäftsverlauf

Das Unternehmen kratzt an der Zwei-Milliarden-Marke. Der Tüv ist im Geschäftsjahr 2018 weiter gewachsen. Der Umsatz des Prüfdienstleisters stieg um 26,2 Millionen Euro oder 1,3 Prozent auf 1,998 Milliarden Euro.

Das Ergebnis erreichte 137,5 Millionen Euro (plus 6,9 Millionen Euro oder 5,3 Prozent gegenüber 2017). Die Investitionen lagen erneut über 90 Millionen Euro.

Personal Für Ingenieure und besonders IT-Fachleute gibt es auf dem Arbeitsmarkt die komfortable Situation, sich Stellen aussuchen zu können, so groß ist die Nachfrage. „Wir suchen weltweit zurzeit 1000 neue Mitarbeiter, 180 Stellen darunter am Standort Köln“, sagt Tüv-Personalvorstand Ruth Werhahn.

Dabei schielt der Konzern auch auf Menschen, die in der Region gerade von massivem Job-Abbau bedroht sind. „Ford-Mitarbeiter sind bei uns herzlich willkommen, und auch Menschen in Chemieberufen suchen wir dringend“, sagt Werhahn und zielt damit auf die Ankündigungen von Bayer und Ford, Tausende Stellen in der Region abzubauen.

Im Jahresdurchschnitt 2018 waren weltweit 20.450 Mitarbeiter beim Tüv Rheinland beschäftigt und damit erstmals mehr als 20.000.

Führungswechsel

Der Tüv hat seit der vorigen Woche einen neuen Aufsichtsratsvorsitzenden: Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), übernimmt den Posten von Bruno O. Braun, der den Vorsitz niederlegt. Der angesehene Ingenieur stand 25 Jahre in Diensten der Prüfungsgesellschaft.  

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