Verkaufs- und ProduktionsverbotWie es nach dem Urteil für Ford weitergeht

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Ford-Werke Niehl (1)

Ford-Werke in Köln-Niehl

Köln – Es ist ein ausgesprochen hartes Urteil, das das Landgericht München gegen den Kölner Autobauer Ford verhängt hatte. Dem Konzern droht  ein deutschlandweites Verkaufs- und Produktionsverbot (der „Kölner Stadt-Anzeiger“ berichtete). Wie das Urteil einzuordnen ist und welche Folgen es für Ford haben könnte – die wichtigsten Fragen und Antworten im Überblick.

Worum geht es?

Vor dem Münchener Gericht setzte sich als Kläger der  japanische Patentverwerter IP Bridge durch. Er wirft Ford  vor, das in den  Modellen ein Chip eingebaut sei, dessen Patentrecht verletzt werde. Dieser ist für das Funktionieren von Mobilfunkanwendungen nach dem aktuellen LTE-Standard notwendig. Das Patent stammt bereits aus dem Jahr 2009 vom  Elektronikkonzern Panasonic. Insgesamt wird Ford von acht Inhabern von Patenten aus dem Mobilfunk verklagt, die für den 4G-Standard grundlegend sind.

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Was besagt das Urteil?

Dem Konzern droht  nach dem Münchener Richterspruch (Az. 7 O 9572/21) ein deutschlandweites Verkaufs- und Produktionsverbot. Der zuständige Richter geht sogar soweit, dass der  Rückruf aller Ford-Autos von den Händlern oder auch ihre Vernichtung möglich wäre. Gegen das Urteil kann Ford  beim Oberlandesgericht Berufung einlegen. Es könnte aber auch vollstreckt werden, wenn IP Bridge laut „Wirtschaftswoche“ eine Sicherheitsleistung von 227 Millionen Euro hinterlegt. Oder die Parteien einigen sich.

Warum zahlt Ford keine Lizenzgebühr?

Ford-Kommunikationschef Ralph Caba bestätigte die Vorgänge gegenüber dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Anlass dieses Gerichtsverfahrens ist die Lizenzierung standardessentieller Patente für LTE-Netzwerke.“ Da entsprechende Verhandlungen weiterliefen und Ford die schriftliche Urteilsbegründung noch nicht vorliege, wolle man sich zu diesem Zeitpunkt nicht dazu äußern, sagte Caba.

Bislang galt, dass die Lizenzgebühren beim Kauf der Autobauer bei ihren Zulieferern abgedeckt waren. „Nun wollen die Patent-Kläger  vermutlich deutlich mehr Geld von den Herstellern direkt“, sagte Automobilexperte Stefan Bratzel dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Und sie haben  ein juristisches Einfallstor für erfolgreiche Prozesse gefunden und setzen Autohersteller und andere Branchen weltweitzunehmend heftig unter Druck. „Insofern ist dieser Fall wie auch einige andere wegweisend für das weitere Vorgehen“, sagt Bratzel.

Wer sind die Kläger, und um welche Summen geht es?

So genannte Verwertungsgesellschaften kaufen alte Patente auf, wie hier im Fall von Panasonic aus  2009, weil sie damit noch Geld verdienen wollen. Im vorliegenden Fall ist der Rechteverwalters Avanci, in dessen Pool Panasonic das Patent eingebracht hat. Die japanische Firme Firma IP Bridge soll die Avancis Ansprüche durchsetzen.

Mit Blick auf die Summe sagte Autoexperte Bratzel, seien dem Vernehmen nach 15 Euro pro Ford-Fahrzeug im Gespräch. Je nach Auslegung – also nur Absätze in Deutschland, ganz Europa oder weltweit –  könnte die Summe bis in die dreistellige Millionenhöhe gehen.

Welche Ford-Modelle sind betroffen?

Die Chips, um die es in den Verfahren geht, müssen EU-weit per Gesetz wegen des Notrufsystems E-Calls in jedes Auto eingebaut werden, übernehmen verstärkt aber auch Entertainment- und Navigationsfunktionen. Vor diesem Hintergrund sind vermutlich alle Ford-Modelle betroffen, die  sogenannten FordPass-Funktionen besitzen und damit unter anderem  die WLan-Versorgung im Auto sichern. Ford wollte sich dazu nicht konkret äußern. Von Ford-Modellen, die bereits an Kunden verkauft wurden, ist nach jetzigem Kenntnisstand bislang nicht die Rede.

Was bedeutet die juristische Entwicklung für Ford und die Autobranche?

Ford ist nicht der einzige betroffene Autobauer. Auch Daimler drohte aufgrund mehrerer solcher Klagen der Produktion-Stopp. Zudem wurde der Wolfsburger Volkswagenkonzern von IP Bridge mit demselben Patent in München verklagt. Aber auch der US-Hersteller General Motors hat sich schon eine Klage eingefangen. „Für die Hersteller ist dies ein großes Thema – nicht nur finanziell“, sagt Stefan Bratzel. De facto könnten sich die Autobauer künftig deutlich mehr mit Patentthemen rumschlagen müssen, als dies bislang der Fall war.

Warum ergehen gerade in Deutschland so viele Klagen?

Deutschland mit seinem traditionell strengen Patentrecht, macht es den Klägern dabei offensichtlich besonders leicht. In anderen Ländern sei es dem Vernehmen nach deutlich schwieriger, Urteile  dieser Art zu erwirken. Insbesondere das Landgericht München hat sich nach Informationen der „Wirtschaftwoche“ in Patentfällen unter dem Vorsitz des Richters Matthias Zigann einen Ruf für besonders harte Urteile erarbeitet. So durfte  Apple nach einem Münchener Richterspruch mitten im Weihnachtsgeschäft 2018  wegen Patentverletzungen gleich zwei Smartphone-Modelle in Deutschland nicht weiter verkaufen.

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Dabei sollte eine Patenrechtsreform im vergangenen Jahr eigentlich dafür sorgen, dass Urteile, die eine  komplette Fertigungsanlage wegen eines  Chips lahmlegen, verhindert werden. Das sei aber offensichtlich „eine totale Luftnummer“, sagt ein Insider aus der Automobilindustrie.

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