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Vivawest-Chef„Die Mieten steigen nicht automatisch mit der Inflation“

Lesezeit 7 Minuten
Gebäudekomplex an der Herler Str. in Köln gehört zur Vivawest-Gruppe

Gebäudekomplex an der Herler Str. in Köln gehört zur Vivawest-Gruppe

  • Uwe Eichners Worst-Case-Szenario sind weiter steigende Baukosten, Zinsen und Inflation sowie anhaltende Materialknappheit.
  • Der ehemalige GAG-Chef glaubt aber aus einem bestimmten Grund nicht, dass es so weit kommen wird.
  • Er kritisiert, dass in Köln die Probleme im Wohnungsbau nicht geschlossen angegangen werden.

Herr Eichner, es herrschen unsichere Zeiten am Immobilienmarkt: Material wird knapp, Baustoffe teurer, die Zinsen steigen. Welche Folgen hat das für Vivawest, müssen Sie Projekte stoppen? Uwe Eichner: Die Auswirkungen sind vielfältig. Die Materialengpässe spüren wir zwar, aber wir haben langjährige und verlässliche Beziehungen zu unseren Lieferanten, sodass wir sowohl im Neubau als auch in der Modernisierung derzeit gut weiterarbeiten können. Außerdem haben wir das Glück, dass wir über unsere Tochtergesellschaften selbst Handwerker und Dienstleister beschäftigen. Das ist sicherlich eine Besonderheit. Was uns aber stark beeinflusst, ist die Zins-Situation. Die Wohnungswirtschaft mit ihrem großen Anteil an Fremdkapital hängt erheblich von Zinsen ab.

In den vergangenen Jahren haben die stetig sinkenden Zinsen Preissteigerungen kompensieren können. Die jetzigen Anstiege auf drei Prozent machen uns schon Sorge. Es wird schwieriger, Projekte wirtschaftlich darzustellen. Gleichwohl haben wir uns in den vergangenen Jahren Mittel gesichert und langfristig verschuldet, sodass wir keine Projekte stoppen oder gar verkaufen müssen, so wie andere.

…sie meinen Konkurrenten wie Vonovia, die bereits angekündigt haben, aufgrund der derzeitigen Lage mehr Neubauten zu verkaufen.

Wir können unser geplantes Volumen vollständig umsetzen. Bei neuen Projekten wird es zwar schwieriger, aber nicht unmöglich. Wir wollen unsere Klimaschutzziele durch Neubau und Modernisierungen erreichen und deshalb wird der Bau neuer Wohnungen bei Vivawest weiterhin einen wichtigen Platz einnehmen. Wir werden auf jeden Fall weiter bauen. Auch wenn die unsichere Förderkulisse die Sache nicht einfacher macht.

Inwiefern?

Es ist schwierig, langfristig zu planen, wenn die Sicherheit von Förderkrediten nicht gegeben ist. Die Förderlandschaft auf Bundesebene ist im Moment noch völlig fraglich. Dabei braucht die Wohnungswirtschaft Sicherheit, um Projekte angehen zu können – und das nicht für das nächste Jahr, sondern für die nächsten 50. Mit dem sogenannten Sommerpaket soll ja ab 2023 eine neue Förderkulisse aufgebaut werden und ich hoffe, dass dort nicht nur Unterstützung für Modernisierungen, sondern auch den Neubau gegeben wird.

Was glauben Sie, wie sich der Wohnungsmarkt unter diesen Vorzeichen entwickeln wird?

Das Worst-Case-Szenario wäre, dass Baukosten, Zinsen und Inflation weiter stark steigen, dass Materialien nicht verfügbar sind und Handwerker knapp. Die steigenden Kosten würden schlussendlich auch zu einer Reduktion der Investitionen führen. Ich glaube aber nicht, dass es so weit kommen wird. Denn wenn sich viele Projektentwickler zurückziehen und damit die Nachfrage sinkt, werden am Markt auch weniger Kapazitäten gebunden und die Preise steigen nicht so stark.

Aber ich habe natürlich keine Glaskugel. Wenn die Situation sich weiter zuspitzt, werden auch wir Schwierigkeiten bekommen. Trotzdem bin ich optimistisch, dass die Anstiege nicht so dynamisch bleiben werden, wie sie es aktuell sind.

Vonovia-Chef Rolf Buch hat kürzlich mit der Aussage für Aufruhr gesorgt, wenn die Inflation weiter stark steige, müssten die Mieten in gleichem Maße mitsteigen. Worauf müssen sich Ihre Mieter einstellen?

Eine Gleichschaltung zwischen inflationären Steigerungen und Mietsteigerungen gibt es nur bei Indexmieten. Diese sind in der Wohnungswirtschaft eher die Ausnahme. Ansonsten steigen die Mieten nicht automatisch mit der Inflation. Selbstverständlich werden auch wir höhere Kosten für die Instandhaltung und Bewirtschaftung unserer Wohnungen haben. Aber wir sind in der Vergangenheit gut damit gefahren, unseren Kunden eine vernünftige Mietpolitik zuzumuten.

Im Bestand werden auch unsere Mieten moderat steigen, aber ganz sicher nicht um sieben Prozent, sondern in einem Bereich von 1,5 bis maximal drei Prozent. Im Neubau müssen wir jedoch aufgrund der gestiegenen Baukosten bei der Erstvermietung höhere Mieten erzielen. Dennoch: Die Belastbarkeit der Mieter ist im Moment nicht so sehr durch die Mietpreise bedroht, sondern durch die Betriebskosten. Insofern versuchen wir momentan, die betrieblichen Nebenkosten – also die Heizkosten – so gering wie möglich zu halten.

Mit welchen Mitteln?

Drei Dinge: Das eine ist die Beschaffung von Rohstoffen, in unserem Fall im Wesentlichen Gas und Fernwärme. Wir haben unsere Gas- und Energiemengen frühzeitig eingekauft. Als großes Unternehmen haben wir in den Gesprächen mit Energieunternehmen die Möglichkeit, für unsere Mieter gute Konditionen auszuhandeln. Der zweite Punkt ist, Mietern Hinweise zu Einsparungsmöglichkeiten zu geben. Und drittens ist es schlussendlich unsere Verantwortung, die Wärmeversorgungsanlagen zu optimieren, sodass sie ökonomisch und ökologisch sinnvoll laufen, ohne, dass jemand frieren muss. Wir werden dort, wo es möglich und ein relevanter Einspareffekt zu erwarten ist, die Heizungsanlagen für die Sommermonate abschalten.

Die Warmwasserversorgung wird dadurch natürlich nicht eingeschränkt. Wir haben eine gesetzliche Verpflichtung zur Lieferung von Wärme und warmem Wasser.

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Die EU plant eine Sanierungsrichtlinie, die mittelfristig Energie und Treibhausgase einsparen soll. Die Bundesregierung will ein klimaneutrales Deutschland bis 2045. Wie viel investieren Sie derzeit in Modernisierungen, Klimaschutz und Neubauten?

Wir haben in den kommenden fünf Jahren für den Bestand Ausgaben in Höhe von 4,1 Milliarden Euro eingeplant – davon über drei Milliarden für den Klimaschutz. Einen Anteil von 1,5 Milliarden Euro wollen wir in die energetische Modernisierung unserer Bestände investieren. Dazu kommen noch einmal 1,8 Milliarden Euro für den Neubau. Denn der Bau von energieeffizienten Gebäuden ist auch Klimaschutz. Wir haben geplant, bis 2026 rund 6.400 Wohnungen zu bauen, also durchschnittlich 1.300 im Jahr, und wollen in der Hoffnung auf die angesprochene Förderkulisse nach Möglichkeit daran festhalten. Die Hälfte der Neubau-Projekte entfällt auf das Rheinland. Die Rheinschiene ist uns wichtig, weil hier zum einen die Nachfrage hoch ist und es zum anderen Potenziale im Neubau und der Quartiersentwicklung gibt.

Wir verhehlen unsere DNA nicht: Wir kommen aus dem Ruhrgebiet, unsere Geburtsstunde war der Wohnungsbau von Siedlungen für Bergarbeiter. Aber wir fokussieren uns nicht mehr ausschließlich auf das Ruhrgebiet, wir sind ein NRW-weites Unternehmen geworden, mit weiteren Schwerpunkten im Münsterland, Aachener Raum und eben im Rheinland. Von unseren rund 120.000 Wohnungen befinden sich heute 26.000 entlang des Rheins und 4.773 in Köln.

In Köln kennen Sie sich bestens aus. Sie waren 15 Jahre bei der GAG, fast zehn Jahre davon als Vorstandsvorsitzender. Nun haben Sie andere NRW-Kommunen kennengelernt. Was läuft anderswo besser?

In meinen anderthalb Jahren bei Vivawest habe ich die Erfahrung gemacht, dass wir bei den Kommunen willkommen sind. Viele priorisieren den Bau von Wohnungen. Und diese Priorisierung beginnt ganz oben bei den Bürgermeistern und Landräten, die vehement dafür sorgen, dass die Verwaltung das umsetzt. Das ist dort sicherlich einfacher als in Millionenmetropolen. Aber denken Sie einmal an den geplanten Stadtteil Kreuzfeld. Der war schon im Gespräch, als ich 2007 nach Köln kam. Jetzt ist 2022 und wir befinden uns in einer Planungsphase, in der ich noch nicht einmal die Grundsteinlegung fest terminieren würde. Dabei werden die Wohnungen dringend gebraucht.

Was muss sich in Köln ändern?

In Köln gibt es immer wieder widerstreitende Interessen, die rauf- und runterdekliniert werden. Mein persönlicher Eindruck ist, dass die Probleme im Wohnungsbau hier nicht geschlossen angegangen werden. Politik und Verwaltung müssen an einem Strang ziehen. Den Mangel an Personal will ich gar nicht abstreiten, aber dann müssen die Verantwortlichen vielleicht andere Prioritäten setzen.

Außerdem sollte die Stadt sich anschauen, was die Gründe für den großen Bauüberhang sind. Es wurden ja durchaus Baugenehmigungen erteilt – wieso werden Projekte dann nicht umgesetzt? Und dann wäre da noch das Thema Grundstücke: Wir können ja keine Luftschlösser bauen. Die Stadt muss sich fragen, ob sie dem Grundstücksmarkt wirklich freien Lauf lassen will. Sie forciert ihn ja sogar noch durch eigene Gutachten, die dann höhere Preise erzielen. Günstige Wohnungen entstehen nicht auf teurem Boden. Wenn ich dafür sorge, dass der Boden knapp und teuer bleibt, werde ich meine Ziele nicht erreichen können.

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