Vorwerk-Chef im InterviewWie der Thermomix-Hersteller mit seinem Image spielt

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Vorwerk Thermomix Produktion

Blick in die Produktion des Thermomix im Wuppertaler Vorwerk-Werk im Jahr 2015.

  • Martin Eckert ist Chef des Wuppertaler Unternehmens Vorwerk, das für seine Staubsauger und Küchengeräte, aber auch für den Direktvertrieb bekannt ist.
  • Der Vorwerk-Chef spricht im Interview darüber, wie sich die Ansprache der Kunden in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat und welche Rolle witzige Slogans dabei spielen.
  • Außerdem wirft er einen Blick auf das vergangene Jahr und wie sich die Provisionen für die Mitarbeiter verändert haben.

Herr Eckert, Ihr Verkaufsmodell als Vorwerk ist legendär aber umstritten. Wie arbeiten Sie am Image des Direktvertriebs Ihrer Vorwerk-Vertreter? Martin Eckert: Das Bild, das Sie offenbar von einem unserer Vertriebsmitarbeiter haben, ist veraltet. Seit Jahren kommen unsere Leute nicht mehr unangemeldet vorbei, klingeln oder stellen gar einen Fuß in die Tür. Schon seit geraumer Zeit gibt es nur noch vereinbarte Termine beim Kunden.

Aber wie kommen Sie dann heran an Ihre Kunden?

Entweder handelt es sich um Stammkunden oder um Empfehlungen von Kunden. Und das ist nicht so wie bei manchen Modellen, wo der Empfehlende dann eine goldene Uhr als Belohnung erhält. Es sind Empfehler, die vom Produkt überzeugt sind.

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Dennoch haben viele noch das Bild im Kopf vom Staubsaugervertreter, wie wir ihn aus dem Loriot-Sketch kennen. „Es saugt und bläst der Heinzelmann, ...“. Wie kann man so einen Imagewechsel schaffen?

So ein Imagewechsel geht sicher nicht über Nacht. Man könnte sagen, das wächst sich langsam aus. Ein Image verbessern kann man am besten, wo man gar kein Image hat. Die 60 Jahre alten und älteren Kunden können sich noch gut an die Loriot-Sketche erinnern, und schlagen sich dabei vor Lachen auf die Schenkel. Aber mit jüngeren Menschen hat man in unseren Beratungsgesprächen eine ganz andere Basis. Sicher nicht die 18-Jährigen, denen sind Staubsauger und Küchengeräte meist ziemlich egal, aber Menschen die 30, 40, 50 sind, freuen sich über kompetente Beratung.

Zur Person

Martin Eckert ist seit 2019 Chef von Vorwerk und gilt als Experte im Direktvertrieb. Bevor der Österreicher zum Wuppertaler Unternehmen Vorwerk kam, war Eckert für AMC International, Tupperware und Braun-Gillette tätig.

Unsere Produkte sind außerdem auch sehr stark bei Influencern und Bloggern gefragt. Die bekommen ein neues Gerät zum Produkttest und zelebrieren regelrecht das Unboxing (Auspacken eines Päckchens) bis hin zum Produkterlebnis. Und 300.000 Follower oder mehr schauen begeistert zu!

Wie bewerben Sie das klassisch? Und welche Menschen vertreiben Ihre Sachen?

Unter anderem mit Print-Anzeigen. Die sind ganz in schwarz-weiß gehalten, sehr reduziert, und haben wie wir finden witzige Slogans. Den Thermomix etwa bewerben wir mit „Stoppt die Herderwärmung“. Unser neuer Staubsauger, der Besserwischer heißt, wird mit „Immer muss er alles besserwischen“ beworben. Man muss das alles nicht ganz so ernst nehmen. Und wir bekommen gutes Feedback auf diese Werbung. Sie dürfen unseren Vertrieb nicht mit dem der 1980er Jahre vergleichen, mit dem Bild von Männern in zu breiten Bundfaltenhosen. Die Vertriebsleute heute sind coole Jungs, und coole Damen natürlich auch. Manche machen das im Nebenberuf, andere hauptberuflich. Eine Beraterin sagte mir kürzlich, sie könne nicht mehr als 35 Kunden bedienen. Weil sie hauptberuflich Rechtsanwältin ist. Solche Leute hatten wir früher nicht.

Digitalisierung ist in aller Munde, und Smart Home natürlich. Spricht der Kobold-Staubsauger von heute bereits digital mit dem Thermomix?

Beim Thema Digitalisierung im Haushalt habe ich eine klare Meinung. Man muss nur das digitalisieren, was sinnvoll und relevant ist. Wenn unsere Staubsauger einen Sensor haben, der die Saugstärke anpasst, ob man Parkett oder Teppiche saugt, dann ist das sinnvoll. Mit dem Thermomix kauft man 40.000 Rezepte in der Cloud, macht auch Sinn. Aber wenn mein Kühlschrank nun einen Touchscreen hat, auf dem ich sehen kann, was drin ist? Da mache ich doch lieber die Kühlschranktür auf und schau nach. Und ich will auch nicht, dass mein Kühlschrank neue Milch bestellt, wenn die leer ist. Das ist bescheuert. Das ist genauso wie bei der Lufthansa, die den Check-In am Automaten als Gewinn für den Kunden verkauft als wäre es ein Erlebnis, einen Zettel auf einen Scanner zu halten. Ich bin konsequent und checke immer am Schalter bei einem Menschen ein.

Die Corona-Krise mit Lockdowns und Homeoffice haben manche Branchen, die Sachen für zuhause verkaufen, Möbel- und Baumärkte etwa, beflügelt. Ist das bei Ihnen auch so?

Wir haben im Corona-Jahr mächtig zugelegt, und im Januar und Februar 2021 nochmal mehr. Aber das lag meines Erachtens weniger an Corona. Zum Teil war es auch ein Zufall des Produktzyklus. Wir haben im Sommer 2019 einen neuen Thermomix und im Sommer 2020 den genannten Staubsauger „Besserwischer“ rausgebracht. Und bei unseren erklärungsbedürftigen Produkten dauert es eine Weile, bis der Vertrieb selbst perfekt damit umgehen und alle Details vorführen kann. Deswegen wachsen wir im Corona-Jahr zweistellig.

Aber wieso aufwendiger Direktvertrieb und kein Onlineshop?

Erstmal wacht man nicht eines Morgens auf und hat den Traum, einen Staubsauger zu kaufen. Zweitens – ich bring ein persönliches Beispiel. Ich wollte meiner Tochter solche Ohr-Stöpsel von Apple kaufen. Märkte sind zu, also hab ich‘s online versucht. 100 super billige Angebote. Aber null Service, null Beratung. Stationär wär’s wohl nicht anders gewesen. Im Mediamarkt kann der Verkäufer einem nicht 150 verschiedene Smartphones erklären. Unsere Vertriebler kennen unsere wenigen Produkte aber in- und auswendig. Das ist Service.

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Wie funktioniert denn dieser Direktvertrieb in Corona-Zeiten und mit Kontaktbeschränkung?

Dann natürlich schon digital. Wir vereinbaren Termine und erklären per Video-Chat wie die Produkte funktionieren.

Aber das kann doch nicht so effizient sein wie vor Ort…

Wir haben im ersten Lockdown im März 2020 daher allen Vertriebsmitarbeitern gesagt, dass wir, weil sie weniger Kunden haben werden, die Provisionen erhöhen. Das wurde dann gleich als Corona-Prämie in den Medien gescholten. Wir haben es daher wieder zurückgezogen, nach nur zwei Tagen. Wir haben es geändert und gesagt: Wir zahlen in diesen Krisenzeiten das Gehalt des Vormonats. Das war ein starkes Signal, wie ich finde. Das hat es im Direktvertrieb noch nie gegeben.

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