Weitreichende Folgen für OnlinehandelFirmen klagen gegen Suchfunktion bei Amazon

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Bei der Suche nach Taschen der Firma „Ortlieb“ werden bei Amazon billige Konkurrenzprodukte angezeigt.

Karlsruhe – Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe muss am Donnerstag in zwei Prozessen Urteile fällen, die für den Onlinehandel weitreichende Folgen haben könnten.

Konkret geht es um die Suchfunktion bei Amazon. Geklagt haben der Taschenhersteller Ortlieb und das Unternehmen GoFit, das Fußzonenreflexmassagen anbietet. Verliert Amazon einen oder beide Prozesse, könnte das Auswirkungen für alle Shop-Betreiber haben – nicht nur für Amazon.

Taschenhersteller „Ortlieb“: Klage gegen Suchfunktion bei Amazon

Im ersten Fall hat die Herstellerin wasserdichter Taschen und Transportbehälter geklagt. Tippt man bei Amazon den Markennamen „Ortlieb“ ein, spuckt die Suchmaschine sowohl Ortlieb-Produkte als auch Waren der Konkurrenz aus.

Und das gefällt dem Taschenhersteller verständlicherweise nicht. Das Unternehmen bietet selbst seine Produkte nicht über Amazon an und hat zudem auch keine Verträge mit anderen Händlern.

Ortlieb sieht hier seine Marken- und Wettbewerbsrechte verletzt und möchte erreichen, dass den potentiellen Käufern bei der Suche nach Ortlieb-Produkten auch nur diese Produkte angezeigt werden.

Bundesgerichtshof muss Urteil im Amazon-Prozess fällen

Der Sportartikelhersteller hat erfolgreich bis zum Oberlandesgericht München geklagt. Amazon wiederum argumentiert, dass sich der Algorithmus am Verhalten der Nutzer orientiere und die Artikel daher nach Relevanz ordne.  Der Bundesgerichtshof hat die Revision zugelassen und wird am Donnerstag die Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen.

In einem ähnlichen Fall hat das Unternehmen GoFit geklagt, weil es sein Firmenschlagwort „GoFit“ verletzt sieht. Es stützt sich zudem auf das Markenrecht und eine wettbewerbswidrige Irreführung des Verbrauchers.

Auch „GoFit“ klagt gegen Suchmaske bei Amazon

Denn gibt man über die Suchmaske bei Amazon „goFit“, „gofit“, gof“ oder „gofi ein, schlägt die Autovervollständigen-Funktion von Amazon dem Nutzer „gofit matte“ vor. Angezeigt werden aber ausschließlich ähnliche Produkte anderer Konkurrenten  – nicht aber die Matte von GoFit, weil weder das Unternehmen noch Drittanbieter mit dem Produkt bei Online-Gigant Amazon vertreten sind. GoFit will erreichen, das sein Markenname in der Suchfunktion nicht erscheint.

Eine Abmahnung blieb zunächst erfolglos, GoFit klagte vor dem Landgericht in Köln, das der Klage stattgab, weil es eine Verwechselungsgefahr erkannte, da die Treffer ausschließlich zur Konkurrenz führten. Amazon legte Berufung ein, weil es seine Suchfunktion nicht anpassen wollte. Das Oberlandesgericht in Köln gab wiederum Amazon Recht, weil es an der Schutzfähigkeit des Begriffs „GoFit“ zweifelt.

Das sind die Folgen, wenn Amazon einen der Prozesse verliert

„Verliert Amazon einen oder beide Prozesse, muss Amazon die mögliche Marken- und Wettbewerbsrechtsverletzung zukünftig vermeiden“, erklärt der Kölner Medienrechtanwalt Christian Solmecke. Eine Möglichkeit wäre dann, dass Amazon tatsächlich seinen Algorithmus umprogrammiert.

Amazon habe zwar behauptet, dies sei technisch nicht möglich, das OLG habe  diese Argumente jedoch zerstreut, erklärt Solmecke. „Alternativ wäre es aber auch möglich, dass Amazon zukünftig zumindest bei der Anzeige der Suchergebnisse einen Hinweis einblenden muss, dass es sich bei den angezeigten Produkten nicht um die gesuchte Marke handelt“, so der Anwalt weiter.

Auch im Onlinehandel hätte das BGH-Urteil folgen

Sollte Amazon verurteilt werden, müssten viele Plattformen, die eine ähnliche Suchfunktion anbieten, die Suchleisten beziehungsweise Suchergebnisse in ihren Shops entsprechend anpassen. „Das wäre zwar ein erhöhter Aufwand für die Plattformen, doch die Online-Händler könnten ihre Marken besser schützen“, betont Solmecke.

Der Anwalt vermutet, dass in beiden Fällen eine Markenrechtsverletzung vorliegt. „Allerdinge könnte es sein, dass die BGH-Entscheidung nicht die letzte sein wird. Denn der Fall könnte noch vor den EuGH gehen, da es hier auch um die Auslegung europäischer Rechtsnormen hat“, weiß Solmecke. 

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