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Wenn Kaufhäuser verschwindenWie die Kölner Fußgängerzone sich verändern wird

Lesezeit 4 Minuten
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Galeria, Karstadt Sport und Sport Scheck in der Fußgängerzone

  • Galeria, Esprit, Hallhuber – viele Ketten, die auch in der Kölner Innenstadt zu finden sind, wollen im Zuge der Krise Filialen schließen oder haben Insolvenz angemeldet.
  • Die Zeit der großen Kaufhäuser ist vorbei, Einkaufsgewohnheiten haben sich verändert.
  • Für die leerstehenden Häuser müssen neue Konzepte her. Künftig dürfte die Innenstadt immer mehr zum Raum für Wohnen, Dienstleistungen und Universitäten werden.

Köln – In der Kölner Fußgängerzone braucht man nicht lange suchen, um Hinweise darauf zu finden, dass sich hier bald einiges verändern könnte. Da wären die großen, prächtigen Häuser, die zu groß für die heutigen Einkaufsgewohnheiten geworden sind. Da wären die zunehmenden Leerstände besonders auf der Hohe Straße. Da wären die vielen Filialen von Unternehmen, die im Zuge der Corona-Krise in Bedrängnis geraten sind. Der Warenhauskonzern Galeria will bundesweit 62 von 172 Filialen und 20 von 30 Karstadt-Sport-Häusern schließen. Die Mode-Kette Esprit will sich von rund der Hälfte ihrer Deutschland-Filialen trennen. Auch andere große Namen wie Appelrath Cüpper und Hallhuber haben Insolvenz angemeldet.

Insolvenzen und Leerstände

„Durch Corona ist noch offensichtlicher geworden, dass dringender Handlungsbedarf besteht“, sagt Annett Polster. Während sie das sagt, steht die Geschäftsführerin des Stadtmarketing Köln an einem Flecken der Schildergasse, der das so gut illustriert wie kaum ein anderer: in einem Dreieck zwischen Kaufhof, Sport-Scheck und Karstadt Sport, die alle drei zum Galeria-Konzern gehören. Karstadt Sport wird im Zuge der Unternehmenssanierung geschlossen. Die Esprit-Filiale, die sich bis Anfang des Jahres in der Nähe befand, ist es schon. Auch das Appelrath-Cüpper-Haus ist nicht weit.

Ein Stück weiter, auf der Hohe Straße, zeigt Polster Geschäfte, vor denen sich Kartons türmen und statt bunter Auslagen bloß zugeklebte Schaufenster warten. „Räumungsverkauf“ prangt groß über einem Laden. Die Zahl der Leerstände in der Kölner Innenstadt hat zuletzt weiter zugenommen. Schon vergangenes Jahr besagte eine Studie des Handelsforschungsinstituts IFH Köln, dass bis 2030 rund 20 000 Einzelhandelsgeschäfte in NRW schließen könnten. Der Handelsverband HDE rechnet bundesweit mit bis zu 50 000 Geschäftsschließungen allein in Folge der Corona-Krise.

Der Fußgängerzone stehen schwierige Zeiten bevor. Große Häuser, wie sie in der Kölner Fußgängerzone mit Galeria, Saturn oder Peek& Cloppenburg stehen, galten schon vor Pandemie und Galeria-Insolvenz als wenig zukunftsfähig. Flächen von 12 000 bis 16 000 auf mehreren Etagen, so wie sie ein Warenhauskonzern wie Galeria bewirtschaftet, lassen sich heute nicht mehr am Stück nachvermieten, berichten Immobilienmakler. „Obergeschosse werden heute verstärkt als Bürofläche oder an Fitnessstudiobetreiber vermietet“, sagt Oliver Tust vom Immobilienunternehmen Savills. Zum Teil würden bereits die oberen Etagen auch in Hotels umgewandelt. In Untergeschossen siedelten sich dagegen immer häufiger Lebensmitteldiscounter und Drogerien an. Weg von der grünen Wiese – rein in die Stadt.

Multifunktionale Mitte

Der Trend ist nicht ganz neu, seit etwa zwei bis drei Jahren geht die Entwicklung in diese Richtung. Sie hängt auch damit zusammen, dass sich die Einkaufsgewohnheiten der Menschen verändert haben: Die Frequenzen in den Städten sind nicht nur im Ganzen geringer geworden– die Kunden sind auch lauffauler. Die besten Umsätze werden heute im Erdgeschoss erzielt. Bis unters Dach läuft man ungern, auch Galeria kündigte 2019 an, obere Etagen als Lager nutzen zu wollen. Für den Handel in der Fußgängerzone bedeutet das, dass er sich den Raum künftig wohl stärker mit anderen Akteuren teilen wird.

„Die Innenstadt muss multifunktional sein“, sagt Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln. „Wir brauchen zum Beispiel eine stärkere Ansiedlung von Wohnraum im innerstädtischen Raum.“ Er schlägt darüber hinaus vor, mehr Dienstleistungsbetriebe und Angebote wie Co-Working-Spaces in die Einkaufsstraßen zu holen. Außerdem: Lagerflächen und Universitäten. Auch das Handwerk könnte ins Zentrum zurückkehren.

Mehr Freizeitcharakter

Künftig könnten wohnen, arbeiten, einkaufen und Freizeit im Zentrum viel enger miteinander verzahnt sein – und sich gegenseitig aufwerten. Auch die Kombination von Handel, Kultur und Gastronomie innerhalb einzelner Geschäfte dürfte zunehmen: etwa Cafés in Geschäften und der Handel in Museumsshops. In Zeiten des Onlinehandels gewinne der Freizeitcharakter des Einkaufens weiter an Bedeutung, sagt Hedde. „Wir bewegen uns weg vom reinen Produktfokus, wie es ihn im Handel immer gab.“

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Im Ausland werben Einkaufszentren sogar bereits mit E-Sports-Veranstaltungen, um Kunden anzulocken und die Aufenthaltszeiten zu verlängern. „Das Thema erfährt einem riesigen Zulauf“, sagt Daniel Kroppmanns von Savills Immobilien. Dieser Trend könnte bald auch nach Deutschland schwappen – und dafür sorgen, dass sich Ladenlokale in Veranstaltungsraum verwandeln. Grundsätzlich wird es für die freistehenden Gewerbeflächen aber immer individuelle Lösungen geben müssen. „Es gibt kein Schema F, das man auf alle Flächen anwenden kann“, sagt Kroppmanns, auch mit Blick auf die vielen Galeria-Häuser, die gerade deutschlandweit frei werden. Wohnungen, beispielsweise, ließen sich in so ein ehemaliges Warenhaus kaum hineinbauen: Dafür sind die Gebäudetiefen viel zu groß.

Relikt aus den 1970er Jahren

Damit der Umbau der Innenstadt auch gelingen kann, fordern Interessenverbände wie das Stadtmarketing, das sich unter anderem mit Handels-, Wirtschafts- und Kulturfragen befasst, vor allem eins: ein übergreifendes Konzept. „Die Schildergasse hat Anfang der 70er-Jahre ihr letztes Facelift bekommen“, sagt Polster. „Es gibt keinen ganzheitlichen Ansatz für die Innenstadtentwicklung.“

Bestehende Planungen würden nicht umgesetzt. Polster verweist auf den sogenannten Städtebaulichen Masterplan für die Innenstadt aus dem Jahr 2008, der bislang kaum umgesetzt worden sei. „Köln hat kein Erkennungs-, sondern ein Umsetzungsproblem.“

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