Westfälischer ModekonzernGerry Weber hat Wandel der Branche verschlafen

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Lange lief es gut für Gerry Weber. Doch der Boom im Onlinegeschäft und die Corona-Krise setzen dem Modekonzern zu.

Lange lief es gut für Gerry Weber. Doch der Boom im Onlinegeschäft und die Corona-Krise setzen dem Modekonzern zu.

Halle/Westfalen – Für die Modebranche in Deutschland waren die Zeiten auch schon vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie äußerst hart. Zahlreiche Unternehmen hatten sich zu spät auf den brutalen Wandel in der Branche eingestellt: sinkende Besucherzahlen in den Innenstädten, das Onlinegeschäft und das wachsende Discountgeschäft von Ketten wie zum Beispiel Primark. In Folge des Lockdown im Frühjahr hat sich die Lage vieler ohnehin angeschlagener Unternehmen dramatisch verschärft. Esprit mit Sitz in Ratingen flüchtete sich in ein Schutzschirmverfahren, die Kölner Modekette AppelrathCüpper beantragte Insolvenz in Eigenverantwortung.

Da hatte Gerry Weber sein Insolvenzverfahren schon hinter sich und blickte noch optimistisch in die Zukunft. Der damalige Vorstandschef Johannes Ehling sagte damals, Gerry Weber beginne das Jahr 2020 „als Unternehmen im Normalbetrieb mit einer soliden Kapitalbasis, neuen Eigentümern und mit einem klaren Konzept für die Zukunft“. Es kam anders und nun muss sich das Unternehmen aus Halle in Westfalen erneut in einem schwierigen Marktumfeld behaupten.

Bereits 2016 mussten 100 Filialen schließen

Dabei lief es viele Jahrzehnte hervorragend. Firmengründer Gerhard Weber, der in der vergangenen Woche mit 79 Jahren starb, hatte aus dem Nichts ein Unternehmen auf die Beine gestellt, dass lange bei der Damenoberbekleidung zu den ganz großen der Branche zählte. In Spitzenzeiten kratzte der im SDax notierte Modeanbieter an der Umsatz-Grenze von einer Milliarde Euro. 2014 legte Weber das operative Geschäft in die Hände seines Sohnes Ralf. Als Aufsichtsrat war er bis Oktober 2018 noch nah dran an den Entscheidungen – bis die Familie 2019 jeden Einfluss auf das Unternehmen verlor.

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Weber musste bereits im März 2016 miterleben, wie sein Sohn harte Einschnitte verkündete. Für die Neuausrichtung strich das Management jede zehnte von 7000 Stellen. Auch 100 von 1000 Filialen fielen weg. Das reichte allerdings nicht. Es folgten weitere Schließungen und ein noch drastischerer Stellenabbau. 2019 meldete Gerry Weber schließlich Insolvenz in Eigenregie an. Neue Investoren übernahmen. Mit dem Jahreswechsel 2019/2020 war dieser Schritt abgeschlossen. Die Webers waren raus.

„Es gilt jetzt für die neue Generation, das Beste aus dem Umbruch der Branche zu machen“

Ungewohnt offen für Manager hatte sein Sohn von eigenen Fehlern gesprochen. Intern aber gab der Vater sich eine große Mitschuld. Viel früher hätte auch er gegensteuern müssen, wie ihn Wegbegleiter zitieren. „Es gilt jetzt für die neue Generation, das Beste aus dem Umbruch der Branche zu machen. Sicherlich ist das Thema Mode heute viel komplexer und deshalb schwieriger zu managen als noch vor 50 Jahren“, sagte Weber. Es sei ärgerlich, dass er auch Fehler gemacht habe. Dazu zählte der Bau eines viel zu großen Logistikzentrums.

Das habe zu einer Schieflage geführt. Auch sein Umsatzziel von einer Milliarde Euro sei falsch gewesen. Als Folge eröffnete Weber immer neue Läden - ohne auf die Kosten der ehrgeizigen Expansion zu schauen. Neben den Problemen der gesamten Branche, hatte es Gerry Weber versäumt, die Kollektionen zu verjüngen. Nun muss sich das Unternehmen weiterhin am harten Markt behaupten – die Umstände sind denkbar schwierig. (mit dpa)

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