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Woody Allen„Ich lehne den Tod strikt ab“

Lesezeit 5 Minuten
Ein Denkmal schon zu Lebzeiten: Woody Allen neben seinem Ebenbild im spanischen Oviedo. (Bild: dpa)

Ein Denkmal schon zu Lebzeiten: Woody Allen neben seinem Ebenbild im spanischen Oviedo. (Bild: dpa)

Mr. Allen, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem 75. Geburtstag! Würden Sie gern 100 Jahre alt werden und noch immer Filme machen?

Woody Allen: Wenn ich fit wäre, gerne! Aber nicht, wenn ich mich an einen Gehwagen kralle und sabbere! Vielleicht habe ich ja Glück, meine Eltern sind auch sehr alt ge-worden. Jedenfalls hat sich meine Einstellung zum Tod nicht verändert: Ich lehne ihn strikt ab! Ich bin eben ein großer Feigling.

Sind Sie auch immer noch derselbe Pessimist wie eh und je?

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Woody Allen: Unbedingt! Schon als kleiner Junge hatte ich eine düstere Lebenseinstellung. Für mich ist unsere Existenz eine schmerzhafte, albtraumhafte und völlig sinnlose Erfahrung! Glücklich kann man nur sein, wenn man sich selbst belügt.

Dabei haben Sie keinen Grund, sich zu grämen Ihre Filme sind Hits oder schon Klassiker, Sie sind glücklich verheiratet und den zwei kleinen Töchtern völlig verfallen. Liegt das Granteln in Ihren Genen?

Woody Allen: Das geht bei mir irgendwie automatisch. Aber meine Beobachtungen bestätigen mich auch! Ich stehe ja nicht allein mit meiner Meinung, Nietzsche, Freud und Eugene O'Neill haben es nur besser formuliert: Sobald man einen ehrlichen, klaren Blick aufs Leben wirft, wird es unerträglich. Es ist ein finsteres Abenteuer ohne Happy-End.

So unglücklich wirken Sie gar nicht!

Woody Allen: Ich habe mir selbst ein paar Strategien verordnet, um weiterzumachen. Filme machen einen großen Teil davon aus. Als Junge bin ich aus meiner furchtbaren Schule oft ins Kino geflohen und habe Cary Grant und Humphrey Bogart bewundert. Dann ging's mir gut. Jetzt vertreibe ich mir das Jahr mit Naomi Watts, Penelope Cruz und anderen schönen Menschen. Filme zu machen ist eine wunderbare Methode, um nicht übers Leben nachzudenken, sondern über Kostüme.

Warum spielen Sie nicht mal wieder in einem Ihrer Filme mit?

Woody Allen: Das macht keinen Spaß, wenn man nicht mehr derjenige ist, der am Ende das Mädchen bekommt! Mir müsste dazu erst eine Rolle einfallen, mit der ich plausiblerweise die schöne, junge Frau abschleppe. Es ist so frustrierend, dass ich die Filme mit so schönen Wesen wie Scarlett Johansson und Naomi Watts mache - aber kriegen tun sie die anderen Kerle! Ich bin nur noch der Regisseur, der alte Knacker, der am Rand des Sets sitzt! Das missfällt mir sehr. Ich möchte doch derjenige sein, der ihnen im Restaurant tief in die Augen schaut!

Was würden Sie anstellen, wenn Sie nicht jeden Jahr einen Film drehen würden?

Woody Allen: Mir macht das Arbeiten Spaß. Genau so viel Spaß macht mir Musik und Sport im Fernsehen zu schauen. Ich führe ein ganz normales Leben, samt Arbeit. Ich stehe früh auf, bringe die Kinder zur Schule, gehe auf mein Fitnessgerät, um gesund zu bleiben - dann schreibe ich etwas, übe Klarinette und gehe mit meiner Frau spazieren. Ganz bourgeois.

Lieben Sie etwa die Langeweile? Und was passiert, wenn Sie in London, Paris oder Barcelona drehen?

Woody Allen: Dann nehme ich die Routine einfach mit. Das Fitnessgerät wird dort ins Haus gestellt, ich stehe früh auf. Nur die Kinder müssen im Sommer nicht zur Schule. Dann gehe ich direkt morgens ans Set. Ja, ich bin recht langweilig. Und das sage ich nicht aus falscher Bescheidenheit. Okay, ich bin vielleicht gar nicht so langweilig, aber mein Leben ist langweilig.

Wie vielen Frauen Ihrer Träume sind Sie schon begegnet?

Woody Allen: Einer ganzen Menge! Einige habe ich auch geheiratet. Meine erste Ehe zähle ich nicht mit, da war ich erst 20. Aber meine zweite Frau war so eine Traum-frau.

Louise Lasser, eine Schauspielerin...

Woody Allen: Wir haben 1966 geheiratet. Leider hat das nicht geklappt - aber sie war wundervoll! Wir gehen auch immer noch freundlich miteinander um. Frauen haben mir sehr viel gegeben. Nur das Zusammenleben mit ihnen funktioniert nicht immer.

Warum? Sind Beziehungen so kompliziert oder Sie zu neurotisch?

Woody Allen: Gerade im Showgeschäft lernt man ja viele Traumfrauen kennen. Würde ich im Büro oder als Lehrer arbeiten, wären es eher nette, kluge Frauen, die einem über den Weg laufen. Aber im Film sind es so umwerfende Kreaturen wie Scarlett, Naomi oder Penelope! Welcher Mann kann schon sagen: „Ich hab' da grad was mit Penelope Cruz und Scarlett Johansson laufen“. Da läuft zwar nichts, aber ich arbeite zumindest mit ihnen!

Würden Sie lieber als Javier Bardem oder als Scarlett Johansson wiedergeboren werden?

Woody Allen: Weder noch. Ich würde gern als Auster wiedergeboren werden. Dann hat man keine Probleme, liegt einfach nur still rum und kann sich die Schale über den Kopf ziehen.

Sie könnten aber auch verspeist werden...

Woody Allen: (lacht) Nur, wenn man mich kriegt!

Ihr neuer Film „Ich seh' den Mann Deiner Träume“ kommt am Tag nach Ihrem Geburtstag ins Kino. Feiern Sie Ihren Ehrentag noch?

Woody Allen: Ich nicht. Aber die Menschen um mich herum zwingen mir das Feiern auf! Meine Frau, die Kinder und meine Freunde sind der Meinung, dass man zumindest essen gehen sollte. Ich finde eigentlich, je weniger Aufstand man um einen Geburtstag macht, umso besser! Ich glaube, die suchen alle nur nach einer Gelegenheit, um ein Steak zu kriegen!

Was halten Sie denn vom Älterwerden?

Woody Allen: Es ist lausig! Das Älterwerden hat keinen einzigen Vorteil. Ich bin weder klüger, noch weiser, gelassener oder milder geworden. Es hat aber auch gar nichts Gutes: Der Rücken tut öfter weh, Du siehst nicht mehr gut, hast Verstopfung und brauchst ein Hörgerät. Alt zu werden, ist ein ganz mieses Geschäft. Ich kann nur davon abraten. Halten Sie sich lieber ans Jungsein, schnappen sich einen tollen Kerl und verschieben Sie das Ganze um mindestens zwei Jahre!

Das Gespräch führte Mariam Schaghaghi

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