Zitiert, parodiert, kopiert

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Leni Reifenstahl: "Olympia"

Leni Reifenstahl: "Olympia"

Angesichts der herausragenden filmgeschichtlichen Bedeutung der „Olympia“-Filme war diese Edition überfällig.

Das „bewegte Menü“ ist bei einer Spielfilm- oder Serien-DVD längst Standard. Zu collagierten Bildern aus dem entsprechenden Film hört man dann zumeist Musik oder Dialogschnipsel im Loop. Und weil uns, kaum ist die Scheibe eingelegt, einfällt, dass wir ja nochmal wohin oder Kaffee kochen oder Bier holen müssen, ertönt dieser Loop minutenlang ununterbrochen in der Wohnung. Belässt man die erste DVD der gerade erschienenen „Arthouse Premium“-Edition von Leni Riefenstahls berühmter Dokumentation der Olympischen Spiele von 1936 im Menü-Leerlauf, bellt die Stimme des Führers durch den heimischen Rückzugsraum: „Ich verkünde die Spiele von Berlin zur Feier der elften Olympiade neuer Zeitrechnung als eröffnet.“ Mit dem Bierholen wird man sich jedenfalls beeilen.

Hitler im Loop. Musste das sein? Es musste. Ohne Adolf Hitler keine „Olympia“-Filme, das haben die DVD-Gestalter von Arthouse schon ganz richtig erkannt. 1958 war, in schönster Verdrängungsmanier, eine „entnazifizierte“ Fassung der Dokumentation unter dem neuen Titel „Die Götter des Stadions“ in die bundesdeutschen Kinos gekommen.

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Die Arthouse-Edition zeigt die beiden „Olympia“-Teile „Fest der Völker“ und „Fest der Schönheit“ nun in voller Länge und hat, quasi als überlange Fußnote, Ray Müllers ebenfalls gewaltige Riefenstahl-Dokumentation „Die Macht der Bilder“ dazugepackt. In der kann man eine damals knapp 90-Jährige erleben, die immer noch jede politische Verantwortung mit zum Teil haarsträubenden Argumenten von sich weist, während sie gleichzeitig Lichtsetzung und Perspektivenwahl des Dokumentarfilmers bekrittelt.

Dass die „Olympia“-DVDs - bis auf kurze Produktionsnotizen - auf weitere Extras verzichten, kann man also großzügig übersehen, ist der Ray-Müller-Film doch Extra genug. Und eine DVD-Edition war angesichts der herausragenden filmgeschichtlichen Bedeutung der „Olympia“-Filme überfällig. Schließlich revolutionierte Riefenstahl nicht nur die damalige filmische Sportberichterstattung. Sie erfand schlichtweg die bis heute benutzte Formensprache aus dem Stand. Wenige Filme wurden so oft zitiert, parodiert und kopiert - von der Werbung bis zum Rammstein-Video. Dass die Nazis die Olympischen Spiele und Riefenstahls filmische Überhöhung als propagandistisches Feigenblatt instrumentalisierten, dass Riefenstahl sich dabei selbst eifrig als des Führers Regisseurin inszenierte, die Ideen ihrer Kameraleute und die Leistungen der Olympioniken schamlos ausbeutete, ändert nichts am Folgenreichtum der Filme.

Tatsächlich fällt beim erneuten Betrachten auf, wie schlecht sich die Nazi-Ideologie dem sportlichen Großereignis aufpfropfen ließ. Zwar lässt Riefenstahl im „Fest der Völker“ Hitler und Goebbels per Gegenschnitt mit den deutschen Wettkämpfern mitfiebern; auch stilisiert ein schneidiger Kommentator einen Sprint zwischen europäischen und afrikanisch-amerikanischen Athleten zum „Wettstreit der Rassen“. Doch wenn am Ende dann die beiden Amerikaner überlegen gewinnen, folgt Riefenstahls Kamerablick ihnen mit unverhohlener Bewunderung.

Am Anfang von „Fest der Schönheit“, wenn morgendliche Naturidylle nackt herumtollenden Athleten weicht, entdeckt man gar verspielte, sanfte und homoerotische Elemente im Fest der gestählten Körper, die hier abseits jeder politischen Vereinnahmung fröhlichen Hedonismus ausleben. Bevor sie in der oft gesehenen Schluss-Sequenz als schwerelose Luftwesen vom Zehn-Meter-Turm abheben. Vielleicht hätte man ja diese Szenen fürs bewegte Menü verwenden sollen.

Leni Riefenstahl: „Olympia 1+2“, Teil 1: „Fest der Völker“, Teil 2: „Fest der Schönheit“, und Ray Müller: „Die Macht der Bilder“, Arthouse 2006, ca. 23 Euro.

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