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Zuerst soll Öl zurück nach Moskau fließen

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Die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Werk verarbeitet hauptsächlich Rohöl aus Russland, das über die mehr als 4000 Kilometer lange Pipeline „Freundschaft“ angeliefert wird.

Die Raffinerie im brandenburgischen Schwedt. Das Werk verarbeitet hauptsächlich Rohöl aus Russland, das über die mehr als 4000 Kilometer lange Pipeline „Freundschaft“ angeliefert wird.

Moskau - Die weißrussische Regierung hat am Mittwoch die erst zum 1. Januar eingeführte Transitgebühr für russisches Öl abgeschafft und damit eine Voraussetzung für weitere Verhandlungen mit Russland geschaffen. Vor einer vollen Wiederaufnahme der Öllieferungen durch die Druschba-Pipeline verlangt Russland allerdings erst 80 000 Tonnen Öl zurück, die Minsk nach Moskaus Meinung illegal abgezweigt hat. Sobald Minsk das Öl zurückgepumpt habe, werde Russland innerhalb von vier Stunden die Öllieferungen nach Europa wiederaufnehmen, sagte Vize-Wirtschaftsminister Andrej Scharonow, der Moskauer Verhandlungsführer, in den Gesprächen mit Minsk.

Der Entschärfung der Krise ging ein Telefonat zwischen Präsident Wladimir Putin und seinem weißrussischen Kollege Alexander Lukaschenko voraus. Bei dem Gespräch machte Putin seinem Kollegen offenbar klar, dass Weißrussland sich auf umfangreiche Sanktionen einstellen müsse, wenn es die Transitgebühr nicht bedingungslos streiche. Auch für Russland gab es Grund genug, im Pipeline-Streit zu einer schnellen Einigung mit den Weißrussen zu kommen.

Russlands Energieminister Wiktor Christenko erläuterte Präsident Putin, dass der Fertigbau neuer Pipelines nach Fernost oder der Ausbau einer durchs Baltikum nach Europa führenden Pipeline zur Umgehung Weißrusslands mindestens zwei bis drei Jahre dauern würde. Russlands Ölfirmen pumpten das Öl nach dem Pumpstopp durch die Druschba-Pipeline in Reservelager: Die aber wären in spätestens zehn Tagen voll gewesen.

Die Krise ist mit dem Nachgeben von Minsk zwar entschärft, doch noch nicht beendet. Weißrusslands Premier Sergej Sidorskij wird heute seinen russischen Kollegen Michail Fradkow in Moskau treffen, um unbeantwortete Streitfragen zu klären. „Ich hoffe, dass wir alle Missverständnisse und Forderungen zu russischen Öllieferungen lösen können“, sagte Sidorskij am Mittwochabend. Weißrussland fordert vor allem, dass Russland einen ebenfalls zum Jahresbeginn eingeführten Zoll auf russische Öllieferungen an Weißrussland streicht, der das kleine Land jährlich mehrere Milliarden Dollar kosten würde. Minsk will, dass der Kreml auch auf andere Wirtschaftssanktionen wie einen kürzlich eingeführten Zoll auf Zucker und alle andere Handelssperren verzichtet.

Kommt es zu einer umfangreichen Einigung, vermeiden Weißrussland und Russland damit einen für beide Seiten verlustreichen Handelskrieg. Knapp die Hälfte aller weißrussischen Exporte geht nach Russland: Mit sechs Milliarden Dollar jährlich entsprechen sie einem Fünftel der weißrussischen Wirtschaftsleistung. Diese Exporte sind bisher im Rahmen der Zollunion zwischen beiden Ländern zollfrei.

Russland hatte Weißrussland gedroht, diese Zollbefreiung für mehr als die Hälfte aller weißrussischen Waren schon Anfang Februar zu streichen. Am Dienstag hatte Putin die Regierung angewiesen, ein Sanktionsbündel auszuarbeiten, das „alle Aspekte der gegenseitigen Beziehungen mit Weißrussland betrifft“. Konkret sollten Abgaben vor allem auf Waren erhoben werden, bei deren Verkauf Weißrussland fast ausschließlich von Russland abhängt: etwa auf Fleisch und Wurst. Russischen Angaben zufolge gehen 99,9 Prozent der weißrussischen Fleisch-Exporte nach Russland. Auch Milch und Milchprodukte (mehr als 90 Prozent), Fernseher (90 Prozent) Möbel (über 80 Prozent), Landwirtschaftsmaschinen und Lastwagen würden im Fall der Verabschiedung des Sanktionspakets mit Zoll belegt, damit für russische Firmen und Verbraucher teurer und im Vergleich zu einheimischen oder westlichen Importen nicht mehr konkurrenzfähig.

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