Ersetzt KI das Auswendiglernen?Grünen-Chef Tim Achtermeyer hält Paukerei an Schulen in NRW für überflüssig

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Tim Achtermeyer ist einer der beiden Landesvorsitzenden der NRW-Grünen. Er ist am Rednerpult zu sehen.

Zu viel Leistungsdruck an Schulen: Tim Achtermeyer, einer der beiden Landesvorsitzenden der NRW-Grünen, schlägt Reformen vor.

Führt künstliche Intelligenz zu einer Revolution des Lernens an den Schulen? Grünen-Chef Tim Achtermeyer verlangt Reformen, die den Leistungsdruck für Schülerinnen und Schüler abmildern sollen. 

Viele Kinder und Jugendliche in Deutschland klagen über eine zu hohe mentale Belastung. Tim Achtermeyer, Chef der Grünen in NRW, nimmt dieses Ergebnis der Studie „Jugend in Deutschland 2024“ jetzt zum Anlass, um einschneidende Reformen im Bildungssystem zu fordern.  Ist das Auswendiglernen von Fakten verzichtbar?

„Wenn ich mit Schülern rede, erzählen sie mir von Leistungsdruck und Versagensangst in der Schule“, sagte Achtermeyer dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. Die Belastungen begännen schon „verdammt früh“, so der Parteivorsitzende aus Bonn. „Kombiniert mit äußeren Faktoren wie dem Russlandkrieg, der Corona-Pandemie und auch der Klimakrise führt das zu Stress, Sorge und Angst. Eine unbeschwerte Kindheit sieht anders aus.“

Tim Achtermeyer: „Präsentationen können einzelne Klassenarbeiten ersetzen“

Nach Achtermeyers Vorstellung sollten die Lehrpläne an die Lebenswirklichkeit der Schüler angepasst werden. „Wissen auswendig lernen und wiederholen – das können die Maschinen ohnehin besser als wir. Gerade gegen die KI hilft uns kein Druck, sondern das, was uns als Menschen ausmacht“, sagte der Parteivorsitzende. „Worin wir unschlagbar sind, das ist Kreativität und Neugierde. Und die müssen wir ja in der Schule nicht wecken, sondern erhalten und fördern, schließlich sind Kinder immer kreativ und neugierig.“

Die Trendstudie kommt zu dem Ergebnis, dass 51 Prozent der Befragten Jugendlichen unter Stress leiden. „Ich möchte, dass Zusammenarbeit, Kreativität und positive Erfolgsbestätigung stärker gefördert wird“, erklärte der Grünen-Chef. Ihm gehe es nicht darum, die Leistungsbewertung in der Schule abzuschaffen. Man müsse sich aber fragen, ob es nicht „klügere Ideen“ gebe: „Alternative Leistungsbewertungen wie Präsentationen können einzelne Klassenarbeit ersetzen und so Stress reduzieren“. Formate wie das Projekt „FreiDay“, bei denen sich die Kinder mit Zukunftsfragen beschäftigten, gäben Raum, sich auch mit Leistungsangst oder der Entwicklung neuer Ideen auseinanderzusetzen.

Ayla Celik (GEW): Lehrpläne sollten „entfrachtet“ werden

Ayla Celik, Landesvorsitzende der Bildungsgewerkschaft GEW, erklärte, Prüfungsformate und Inhalte müssten immer wieder hinterfragt werden. Es sei „nicht zielführend“, reproduktives Wissen dreimal pro Schulhalbjahr in den Hauptfächern abzufragen.

Stattdessen sollten Teamfähigkeit, Ausdauer, Kreativität und das Erarbeiten gemeinsamer Lösungsstrategien gefördert werden. Dies kann nach Einschätzung Celiks  allerdings nur gelingen, wenn die Lehrpläne „entfrachtet“, die Inhalte an die Bedürfnisse des 21. Jahrhunderts angepasst werden.

Dabei dürfe man nicht übergehen, dass viele gesellschaftliche Veränderungen auch die Schülerinnen und Schüler beträfen. Celik schildert aus dem Schulalltag die Beobachtung, dass Heranwachsende Videos mit einer Länge von mehr als zwei Minuten kaum noch aufmerksam anschauen könnten, und sich die Merkfähigkeit deutlich verringert. Das Konzentrationsvermögen habe sich der schnellen Konsumierbarkeit von Social Media angepasst. „Vor diesem Szenario kann man hinter dem Auswendiglernen mehr sehen, als nur die Gedächtnisleistung“, so die GEW-Landesvorsitzende. Dann gehe es „um Selbstdisziplin, Konzentrationsfähigkeit und Durchhaltevermögen“.

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