Kommentar zur Rafah-EvakuierungIsrael rast immer tiefer in die Sackgasse

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Displaced Palestinians who left with their belongings from Rafah in the southern Gaza Strip following an evacuation order by the Israeli army, arrive to Khan Yunis on May 6, 2024, amid the ongoing conflict between Israel and the Palestinian Hamas movement. (Photo by AFP)

Palästinenserinnen verlassen Rafah.

 Auch wenn die Hamas die Verantwortung für Ausbruch und Eskalation der Kämpfe trägt, begeht Israel mit der Räumung von Rafah einen Fehler.

Nun also doch: Israels Regierung schlägt alle wochenlangen Warnungen ihrer Kritiker und alle Appelle ihrer engsten internationalen Verbündeten in den Wind und weitet ihren Krieg auf den Süden des Gazastreifens aus. Wie sonst soll man die Aufforderung des israelischen Militärs an die Zehntausenden in Rafah verstehen, den Osten der Stadt zu verlassen?

Zwar hieß es, man wolle „mit extremer Gewalt“ allein gegen die Hamas-Extremisten vorgehen und die Bevölkerung schützen, weshalb sie „zu ihrer eigenen Sicherheit“ das Gebiet verlassen solle. Aber die letzten Monate haben leider auf erschreckende Weise gezeigt, dass der israelische Armee eben diese Unterscheidung zwischen Terroristen und Zivilbevölkerung in der Praxis zu oft misslingt.

Nicht weniger als 100.000 Menschen sind nun von der erneuten Vertreibung durch die massiven Kampfhandlungen und Bombardierungen betroffen, darunter viele, die aus anderen Teilen des Gazastreifens eigens nach Rafah geflüchtet waren - auch das bereits nach Aufforderung des israelischen Militärs, das anschließend die betreffenden Gebiete in Schutt und Asche legte. Da ist es kein Wunder und auch keine bloße Unterstellung mehr, wenn selbst Unterstützer Israels, allen voran die USA, Zweifel an einem ausreichendem Schutz der Zivilbevölkerung anmelden.

Nun muss man immer wieder betonen, dass sowohl der Ausbruch nach dem gezielten Massaker vom 7. Oktober, als auch die Eskalation des Krieges in der Verantwortung der extremistischen Hamas liegt. Zuletzt ließ die Terrorbande mehrere Waffenstillstandsabkommen scheitern, stattdessen beschoss sie am Sonntag erneut die israelische Zivilbevölkerung mit Raketen und tötete dabei drei Soldaten. Noch immer hält sie mehr als 130 Israelis in Gefangenschaft.

Auch dass es für Israel nahezu unmöglich ist, Zivilisten zu schonen, ist Schuld der Hamas, die sich gezielt unter Krankenhäusern, Schulen und hinter anderen zivilen Schutzschilden verschanzt, deren Freiheit und Unversehrtheit sie kein bisschen schert. Dass sie trotzdem in Teilen des Westens als Freiheitskämpfer gehandelt und Israel des Genozid bezichtigt wird, ist widerwärtig oder naiv oder auch beides. Nun zeigt sich erneut, dass Israel vor dem Angriff auf Rafah wahrscheinlich wochenlang Zeit für eine Evakuierung einräumt und Auffanglager mit Feldlazaretten, Zelten, Lebensmitteln und Wasser bereit stellt - von Völkermord kann also keine Rede sein.

Und doch rast Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu immer tiefer in eine Sackgasse. Zu Recht verweisen die Angehörigen der israelischen Geiseln darauf, dass der bisherige Krieg alle ausgegebenen Ziele verfehlte: weder brachte der die Entführten heim, noch steht die Hamas vor ihrem Ende. Man muss sogar das Gegenteil befürchten, nämlich, dass das Leben der Geiseln riskiert und das Leiden der palästinensischen Zivilisten zum neuerlichen Rekrutierungsprogramm für die Hamas wird.

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