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Verbindung zu Schleuser-Netzwerk
Staatsanwaltschaft ermittelt nach ominöser Parteispende an CDU Rhein-Erft

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Hendrik Timmer (M), Staatsanwalt in Düsseldorf, berichtet mit einem Schaubild über die Ergebnisse der Razzia gegen eine Schleuserbande. Bei einer großangelegten Razzia gegen eine international agierende Schleuserbande in acht Bundesländern hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zehn Beschuldigte verhaften lassen. (Zu dpa: „Großrazzia gegen Schleuser in acht Ländern - Ausländerämter bestochen?“) +++ dpa-Bildfunk +++

Hendrik Timmer (Mitte), Staatsanwalt in Düsseldorf, geht einem Anfangsverdacht nach.

Der Verdacht: Als Gegenleistung soll ein im Kreis führender Unionspolitiker den Schleusern Türen bei Ausländerämtern geöffnet haben.

Eine Parteispende an die CDU im Rhein-Erft-Kreis beschäftigt die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. Der Absender im Jahr 2022 war nach Recherchen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ Claus B. – jener Frechener Anwalt, der einer der Köpfe des Schleuser-Netzwerks sein soll, das im Verdacht steht, vermögenden Ausländern gegen hohe Geldbeträge Aufenthaltstitel in Deutschland zu besorgen.

Vorwurf: 14.990 Euro gegen Kontakte in Ausländerämtern

Der 42-jährige Jurist, der seit Mitte April in Untersuchungshaft sitzt, hatte vor zwei Jahren der CDU in Rhein-Erft laut Rechenschaftsbericht 14.990 Euro zukommen lassen. Wie diese Zeitung aus Justizkreisen erfuhr, geht der zuständige Staatsanwalt Hendrik Timmer in Düsseldorf dem Anfangsverdacht nach, dass ein führender Politiker im Gegenzug für die Spende Türen bei Ausländerämtern geöffnet haben könnte. In dem Zusammenhang wurde bei dem Unions-Politiker im Rhein-Erft-Kreis durchsucht.

Hendrik Timmer, Staatsanwalt in Düsseldorf, berichtet über die Ergebnisse der Razzia gegen eine Schleuserbande. Bei einer großangelegten Razzia gegen eine international agierende Schleuserbande in acht Bundesländern hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf zehn Beschuldigte verhaften lassen. (Zu dpa: „Großrazzia gegen Schleuser in acht Ländern - Ausländerämter bestochen?“) +++ dpa-Bildfunk +++

Der Düsseldorfer Staatsanwalt Hendrik Timmer berichtet Mitte April über die Ergebnisse der Razzia gegen eine Schleuserbande.

„Unser Mandant war nicht in strafbarer Weise an Aktivitäten beteiligt, die es Menschen aus dem Ausland ermöglicht hätten, auf nicht legalem Weg in Deutschland Fuß zu fassen. Von kriminellen Schleuser-Aktivitäten hatte unser Mandant niemals Kenntnis oder auch nur eine Ahnung“, meldete sich am Dienstag auf Anfrage des „Kölner Stadt-Anzeiger“ ein Medienanwalt im Namen des beschuldigten Politikers. Auch habe der Politiker „im Zusammenhang mit dem beschuldigten Rechtsanwalt niemals eine Aktivität in Erwartung einer Spende unternommen“.

Gelder aus dem Schleusertopf sollen den Ermittlungen zufolge auch dazu gedient haben, das Hotel „Villa Sophienhöhe“ des Ex-Landrats Werner Stump über eine Gesellschaft finanziell über Wasser zu halten. Auch bei dem CDU-Politiker wurde durchsucht, sein Anwalt hat jegliche Vorwürfe gegen seinen Mandanten zurückgewiesen. Stump veranlasse „alles Erforderliche, um in Kooperation mit den Ermittlungsbehörden eine Aufklärung des Sachverhaltes zu ermöglichen“, sagte der Jurist.

350 Ausländer und ihre Familien sollen angeworben worden sein

Knapp 350 wohlhabende Chinesen, Inder und Araber nebst Familien soll das Schleuser-Netzwerk um die beiden Anwälte Claus B. und seinen Kölner Partner Johannes D.,46, in ihren Heimatländern meist über Online-Plattformen angeworben und nach Deutschland gebracht haben. Demnach sei mit zahlreichen Versprechen für ein „Residenzprogramm Deutschland“ geworben worden. Etwa mit dem „Zugang zu erstklassigen Gesundheitseinrichtungen auf Weltklasse-Niveau“, einem „kostenlosen Unterricht in Schulen und Universitäten mit Lehrveranstaltungen in Englisch“ oder einem „Anspruch auf (die deutsche) Staatsbürgerschaft“ nach acht Jahren.

Ein Polizist trägt im Rahmen einer Razzia gegen Schleuser ein Karton aus einem Gebäude. Die am Mittwoch in acht Bundesländern ausgeführte Razzia gegen Schleuser ist am Donnerstag in Nordrhein-Westfalen fortgesetzt worden. Etwa 600 Beamte von Bundespolizei und Staatsanwaltschaft seien im Einsatz, sagte ein Sprecher der Bundespolizei. +++ dpa-Bildfunk +++

Etwa 600 Beamte von Bundespolizei und Staatsanwaltschaft waren bei den Razzien gegen die Schleuser im Einsatz.

Das All-Inclusive-Paket für den Aufenthalt von zunächst drei Jahren kostete laut den Unterlagen 360.000 Euro. Den dicksten Posten mit 250.000 Euro machte ein „Investitionsbetrag“ in einen angeblichen „Entwicklungsfonds“ aus. Für die Wohnanschrift der mutmaßlichen Scheinmigranten wurden 25.000 Euro kassiert. Dazu, unter dem Stichwort „ständiger Wohnsitz“, kamen noch 20.000 Euro Anwaltskosten. Weitere 27.000 Euro wurden für eine – unter anderem mit Business-Plänen – mutmaßlich vorgetäuschte Geschäftstätigkeit kassiert und 38.000 Euro wurden für nicht näher spezifizierte „Beratungskosten“ angesetzt.

Im Angebot enthalten waren auch die Verhandlungen und Anträge bei den deutschen Behörden, etwa für ein Visum, einen Arbeitsvertrag oder die gewünschte Aufenthaltsgenehmigung. Das komplizierte Konstrukt beinhaltete 29 Firmen und 205 sogenannte Anderkonten, auf die Wunsch-Migranten insgesamt 9,2 Millionen Euro eingezahlt haben sollen.

Falsche Arbeitspapiere und fingierte Meldeadressen

Mit falschen Arbeitspapieren und fingierten Wohnmeldeadressen sollen sich die Verdächtigen nach den Erkenntnissen der Ermittler für ihre Kunden bei deutschen Konsulaten in China ein Visum erschlichen haben. Sobald die Migranten sich in Deutschland befanden, sei in den Ausländerämtern in Kerpen, Bergheim, Düren und Solingen eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis beantragt worden. In dem Kontext ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen zwei Mitarbeiter aus Solingen. Einer sitzt bei der Stadtverwaltung, der andere arbeitet bei der kommunalen Wirtschaftsförderung. Beide sollen gewusst haben, dass die Anträge der Schleuser auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis auf falschen Angaben beruhten.

300.000 Euro sollen an den einst führenden SPD-Politiker und Leiter der Stabsstelle für Innovation im Landkreis Düren, Jens Bröker, geflossen sein. Seit 2018 soll der inzwischen inhaftierte Jens Bröker für die Schleuser Probleme bei der Ausländerbehörde gelöst haben. Den Ermittlungen zufolge sollen die mutmaßlichen Köpfe des Netzwerks mit dem Sozialdemokraten je nach Person und Auftrag in bar abgerechnet haben. Neben seiner Stabsstellenfunktion leitete Bröker auch die Indeland GmbH. Die interkommunale Entwicklungsgesellschaft fördert den Strukturwandel nach dem geplanten Ende des Braunkohletagebaus im Jahr 2030. Unter anderem soll die Gesellschaft neue Investoren generieren. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ergaben, dass der mittlerweile geschasste Indeland-Chef Bröker seine mutmaßlichen Schmiergeldgeber ins Boot geholt haben soll. Die Anwälte sollen Berater-Honorare von der GmbH kassiert haben. Brökers Rechtsanwalt wollte zu den Vorwürfen auf Anfrage nicht Stellung beziehen.

Wie der „Kölner Stadt-Anzeiger“ weiter erfuhr, hat das Amtsgericht inzwischen sieben der zehn verhafteten mutmaßlichen Mitglieder der rheinischen Kernmannschaft des Netzwerks von der Untersuchungshaft verschont. Während seine mitbeschuldigte Kollegin aus der Kanzlei gegen Auflagen frei kam, sitzt der Frechener Anwalt Claus B. weiter ein. Sein Verteidiger Hanno Lillig wollte sich auf Anfrage „derzeit nicht zu den Vorwürfen äußern“.

Anders als zuvor berichtet, befindet sich der verdächtige Anwalt und mutmaßliche weitere Kopf des Schleuser-Netzwerks Johannes D. auf der Flucht. Einen Tag vor der Razzia hatte er einen Flug nach Fernost angetreten. Sein Verteidiger Martin Bücher gab keinen Kommentar in dem Fall ab.

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