„Der einzige, der immer da war“Nachbar soll 90-Jährige um 22.000 Euro betrogen haben

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Das Foto zeigt das Kölner Amtsgericht.

Im Kölner Amtsgericht wird verhandelt, ob der Angeklagte seine 90-jährige Nachbarin um 22.000 Euro betrogen hat.

Dem 73-Jährigen wird Betrug und Urkundenfälschung vorgeworfen. Das mutmaßliche Opfer nimmt den Angeklagten zunächst in Schutz.

„Ich kann mir nicht vorstellen, dass er das gemacht hat“, sagt am Donnerstag eine 90-jährige Frau im Kölner Amtsgericht über den Mann, der ihr Vertrauen erschlichen und sie um 22.000 Euro betrogen haben soll. „Wir hatten immer ein gutes Verhältnis, er hat viel für mich getan.“ Doch jetzt werde auf ihrem Nachbarn „herumgehackt“. Die Staatsanwaltschaft legt dem 73 Jahre alten Mann, der in der Innenstadt im selben Mietshaus wie die Zeugin wohnt, gewerbsmäßigen Betrug und Urkundenfälschung zur Last.

Vier Fälle sind angeklagt. Treffen die Vorwürfe zu, ging er im Februar und März 2023 auf zwei Arten vor. Entweder ließ er die Seniorin Blankoüberweisungsträger unterschreiben und trug anschließend die Beträge – 2000 und 5000 Euro – ein, die dann auf sein eigenes Konto flossen. Oder er füllte die Vordrucke selber aus und fälschte die Unterschrift. Dadurch soll er einmal 10.000 und das andere Mal 5000 Euro an sich gebracht haben.

Laut dem Angeklagten hatte er der Zeugin zuvor Geld geliehen

Der Angeklagte wies die Vorwürfe zurück. Als die Nachbarin nach einem Sturz einige Zeit im Krankenhaus gewesen sei, habe er sie dort mehrfach besucht. Bei diesen Gelegenheiten habe sie ihn um Bargeld in vierstelliger Höhe gebeten. Auch wenn er sich gewundert habe, wozu sie es in der Klinik brauche, habe er ihrem Willen entsprochen und ihr die gewünschten Summen vorgestreckt. Die Überweisungen hätten zum Teil der Rückzahlung gedient.

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Dass in einem Fall sogar 10.000 Euro flossen, erklärte er damit, dass die Nachbarin ihr Geld vor dem Zugriff ihrer Schwägerin habe schützen wollen. „Ich sollte es auf meinem Konto verwahren. Wenn sie etwas davon brauchte, konnte sie jederzeit ran. Ich habe ihr gesagt: Du kriegst es direkt auf den Tisch.“ Kurzum, alles sei in gegenseitigem Einvernehmen geschehen.

An das ins Krankenhaus gebrachte Geld konnte sich die Zeugin nicht erinnern

Auch sonst habe er sich um die betagte Nachbarin gekümmert, sie beispielsweise zum Arzt oder beim Einkaufen begleitet und ihr „das Schlafzimmer umgebaut“. Wegen ihres guten Kontakts sei die Schwägerin „eifersüchtig“. Als die Richterin wissen wollte, warum er die vom ihm behaupteten Umstände der Überweisungen nicht gleich bei seiner polizeilichen Vernehmung erklärt habe, erwiderte er: „Ich war perplex. In dem Moment ist mir das nicht eingefallen.“

Die auf einen Rollstuhl angewiesene 90-Jährige, die von einer Pflegerin in den Sitzungssaal geschoben wurde, hatte allein wegen ihrer Schwerhörigkeit wiederholt Mühe, die Fragen der Richterin zu verstehen. Verwitwet und kinderlos, sagte sie über den Beschuldigten: „Er war der Einzige, der immer da war.“ Auch seinerzeit im Krankenhaus: „Es hat sich sonst keiner gemeldet und gesagt, ich helfe dir.“ Ob der Angeklagte ihr Geld ins Hospital gebracht habe, fragte die Richterin. Die Antwort machte hellhörig: „Wozu? Das hätte ich ja gar nicht ausgeben können.“

10.000 Euro wollte die Zeugin vor ihrer Schwägerin in Sicherheit bringen

Sie könne sich jedenfalls nicht daran erinnern, sagte die Zeugin, auch an vieles andere nicht. Was sie allerdings bestätigte, war der Grund für den Transfer der besonders hohen Summe: „Ich war dafür, dass er das Geld hat, damit es kein anderer in die Hände bekommt, vor allem nicht die Schwägerin.“ Diese war offenbar die treibende Kraft, durch die es zur Strafanzeige kam; im Nachgang schickte sie der Staatsanwaltschaft Kopien der Überweisungsträger.

„Das ist alles hintenrum gemacht worden“, ärgerte sich die Zeugin. In einem weiteren Schreiben hatte die Schwägerin wissen lassen, die Frau ihres Bruders leide an einer beginnenden, sich zusehends verschlimmernden Demenz, und ein entsprechenden Arztbrief beigelegt. Ein Vorgang, den die 90-Jährige so kommentierte: „Das ist eine ganz gefährliche Frau.“ Eine Frau, die am Donnerstag nicht gehört werden konnte, weil sie verhindert war. Ihre Vernehmung soll im April nachgeholt werden.

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