Kölner Aktivistin Kolbasnikova ist VorsitzendeLeverkusener Islam-Gegner gründet mit Salafist pro-russische Partei

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27.03.2022, Nordrhein-Westfalen, Bonn: Ein Autokorso mit mehreren hundert Fahrzeugen ist auf dem Weg zum russischen Ehrenmal auf dem Friedhof in Bonn-Lessenich.

Ein pro-russischer Autokorso im März 2022 in Bonn.

Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz hat die Gründung der Partei „aufmerksam wahrgenommen“.

Es ist ein merkwürdiger Schulterschluss, der sich vor wenigen Wochen bei der Gründung der pro-russischen Partei „Aufbruch Frieden-Souveränität-Gerechtigkeit“ bildete. Der neue Vorstand lächelte für ein Foto in die Kamera, Seite an Seite. Darunter: Markus Beisicht, Rechtsextremist, früher Vorsitzender von Pro NRW, und Elena Kolbasnikova, eine pro-russische Aktivistin aus Köln. Und daneben: Bernhard Falk, Islamist. Die Mitglieder scheinen im Feind vereint.

Sie bilden eine Allianz, die dem Inlandsgeheimdienst offenbar Sorgen bereitet. „Die Grenzen zwischen Rechtsextremisten und extremistischen Salafisten verschwinden dann, wenn ein gemeinsames Feindbild entsteht“, sagte Jürgen Kayser, Chef des NRW-Verfassungsschutzes, Ende September im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Denn sie alle verbinde der Hass gegen die LGBTQ-Bewegung, sie alle stellen die USA als angeblichen Aggressor im Ukraine-Krieg dar. Zwar sei die Anhängerzahl der Partei überschaubar, „doch an der Spitze stehen pro-russische Anhänger, Rechtsextremisten und Islamisten“, so Kayser: „Die diffuse Mischung über Extremismus-Grenzen hinweg, zusätzlich angeheizt durch Verschwörungsagitatoren im Netz, ist eine neue Form der hybriden Bedrohung, die uns intensiv beschäftigt.“

Das Innenministerium NRW bestätigte auf Anfrage, der Verfassungsschutz habe die Gründung der Partei „aufmerksam wahrgenommen“.

Ein Salafist als Schatzmeister

Bernhard Falk, der Schatzmeister von „Aufbruch“, machte in den 90er Jahren noch als Linksterrorist Schlagzeilen: 1999 wurde Falk als Mitglied der „Antiimperialistischen Zelle“ wegen vierfachen versuchten Mordes und Sprengstoffanschlägen zu 13 Jahren Haft verurteilt. Im Gefängnis konvertierte er zum Islam und nahm den Namen Muntasir bi-Ilah an, nach seiner Haftentlassung war er in der „Gefangenenhilfe“ für salafistische Straftäter tätig.

Der deutsche Islamist Bernhard Falk verfolgt den Prozessauftakt gegen einen 37-jähriger gebürtigen Syrer vom Zuschauerbereich aus. Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem ehemaligen Doktoranden der TU Darmstadt Werbung für die Terrormiliz IS vor - die Anklage lautet auf Anleitung zur Begehung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und Volksverhetzung.

Der Islamist Bernhard Falk verfolgt den Prozessauftakt gegen einen 37-jährigen gebürtigen Syrer vom Zuschauerbereich aus, dem Werbung für die Terrormiliz IS vorgeworfen wird (Archivbild)

Im Verfassungsschutzbericht NRW 2022 taucht Falks Name unter der Kategorie Islamismus auf. „Sein szene-untypisches Auftreten und seine offene Sympathiebekundungen für al-Qaida – und als neue Entwicklung auch für das Islamische Afghanische Emirat, die Politik des Kremls und die Kommunistische Partei Chinas – polarisieren stark“, schreibt der Verfassungsschutz.

In einem Video in den sozialen Medien sagt Falk beispielsweise, er könne die Terroranschläge vom 11. September „gut verstehen“, den nordkoreanischen Diktator bezeichnet er als „hochverehrten Kim Jong- Un“ und er verteidigt das Regime im Iran. Der Verfassungsschutz schreibt: Seit Beginn des russischen Angriffskriegs nehme „die unkritische Verbreitung pro-russischer Propaganda und eine breite Kritik an der Nato einen großen Teil von Bernhard Falks Kapazitäten in Anspruch.“

Polizei verhinderte 2013 islamistischen Anschlag auf Beisicht

Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ sagt Markus Beisicht, er habe Bernhard Falk 2014 erstmals gesehen – im Prozess gegen jene Islamisten, die ein Attentat auf ihn vorbereitet hatten. Die Waffen waren bereits besorgt, der Wohnsitz des damaligen Vorsitzenden der Partei Pro NRW schon mehrfach ausspioniert worden, als die vier Männer im März 2013 festgenommen wurden. Einer der Extremisten, der damals 29-jährige Marco G., hatte zudem am 10. Dezember 2012 eine Bombe auf dem Bonner Hauptbahnhof deponiert, die nur wegen eines technischen Defekts nicht hochging.

Falk hat in dieser Zeit im Zusammenhang mit seiner sogenannten Gefangenenhilfe für Islamisten mehrfach auch den „Beisicht-Prozess“ am Oberlandesgericht Düsseldorf besucht. „Aus Solidarität mit Bruder Marco“, wie er 2014 unter anderem zitiert wurde. Der Konvertit sei „mutig“, einer, „der menschlich gut rüberkommt“. Und ein Bombenanschlag sei schließlich „nachvollziehbar, wegen der Ausbeutungspolitik gegen die Weltmassen“, komplementierte er gegenüber dem Berliner „Tagesspiegel“ damals seine Ansichten aus der Wahnwelt des Extremismus.

Dass er nun zur Durchsetzung seiner Ziele mit einem Islamisten paktiere, sei „nachrangig“, sagt Markus Beisicht, stellvertretender Vorsitzender der Partei „Aufbruch“. Wenn es gelte, „ein atomares Inferno in Mitteleuropa zu verhindern“, dann sei vieles denkbar. Er stehe „der Russischen Föderation nahe“ und unterstütze sie auch in vielen Punkten, bekennt sich der Anwalt. Der Verfassungsschutz bezeichnet Beisicht als Rechtsextremisten, er war früher Funktionär bei den „Republikanern“, bei „Pro NRW“ und sitzt für die lokale Nachfolgeorganisation „Aufbruch Leverkusen“ im Leverkusener Stadtrat. 

Der Vorsitzende der rechtsradikalen Gruppierung Pro NRW und Pro Köln, Markus Beisicht, erläutert am Freitag (08.05.2009) in Köln die Ziele des sogenannten «Anti-Islamisierungskongress».

Markus Beisicht im Jahr 2009, Köln. Damals war er Chef von Pro NRW und Pro Köln und erläuterte die Ziele des sogenannten „Anti-Islamisierungskongress“.

„Russland ist eine gewachsene Demokratie, vor der ich Respekt habe“, sagt Beisicht. Und spricht sogleich vom „amerikanischen Einheitsmenschen“, den es zu bekämpfen gelte, wobei „der Russe schließlich vorbildlich“ vorangehe. Der Lokalpolitiker bezeichnet seine neue Partei als eine „Art konservative Gegenrevolution“, man stehe „gewissen Auswüchsen des Liberalismus kritisch gegenüber, wie etwa dem Homo-Kult oder dem Gendern“. 

Beisicht ist nicht der einzige Rechtsextremist in der neuen Partei: Einer der Beisitzer ist Karl Richter, der bis 2020 für die Liste „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ im Münchener Stadtrat saß und – ebenfalls bis 2020 – langjähriges NPD-Mitglied war. Seinen Austritt begründete er damit, dass die NPD an politischer Bedeutung verloren habe. Auch der pro-russische Aktivist Max Schlund, ein gebürtiger Russe, der in Moskau unter dem Namen Rostislav Teslyuk lebte, ist einer der Beisitzer. 

Putin verleiht Kolbasnikova russische Staatsbürgerschaft

Schlunds Ehefrau Elena Kolbasnikova hat den Posten der Parteivorsitzenden übernommen. Die gebürtige Ukrainerin gehört zu den schillerndsten Putin-Propagandistinnen in Deutschland, sie organisierte in Köln pro-russische Demonstrationen und Autokorsos. Am 27. September dieses Jahres veröffentlichte das Büro des russischen Präsidenten ein Dekret, das Kolbasnikova zusammen mit 40 anderen Menschen die russische Staatsbürgerschaft verlieh.

In Köln stand die pro-russische Aktivistin mehrfach im Fokus der Staatsanwaltschaft. Erst im Juni hatte das Amtsgericht Köln Kolbasnikova wegen billigender Äußerungen in Bezug auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu einer Geldstrafe von 900 Euro verurteilt. 

In diesem Jahr wurde die gemeinsame Wohnung von Kolbasnikova und Schlund bereits zweimal von der Polizei durchsucht. Bei der Razzia im März ging es laut Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn unter anderem um die „Verwendung des sogenannten Z-Symbols“. Im August stürmten Polizisten die Wohnung des Paares wegen des Verdachts auf eine „Herrschaftsgewalt über Kriegswaffen“. Die Einsatzkräfte fanden nach Informationen des „Kölner Stadt-Anzeiger“ eine Kalaschnikow, die von dem Paar jedoch in Teilen unbrauchbar gemacht worden war.

Kolbasnikova und Schlund reisten seit Kriegsbeginn mehrmals nach Russland und in den Donbass. Die erste Reise machten sie im Herbst 2022, damals übergaben sie unter anderem ein beheizbares Zelt an Soldaten der russischen Armee. Dabei könne es sich wegen der Sanktionen gegen Russland um eine Straftat nach dem Außenwirtschaftsgesetz gehandelt haben, für die auch eine Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren vorgesehen sei, so Willuhn. Die Ermittlungen dauern an. Von ihrer letzten Reise in den Donbass kehrte das Ehepaar vor wenigen Wochen zurück. 

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