Fit in den Frühling mit FroböseKölner Sportprofessor zeigt, wie Sie die Muskulatur kräftigen – ohne Geräte

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Porträt Ingo Froböse, Professor für Prävention und Gesundheitsförderung an der Kölner Sporthochschule.

Er wünscht sich, dass das Thema Muskulatur und Muskelschwund endlich mehr Beachtung findet: Der Kölner Sportprofessor Ingo Froböse.

Ab 30 schwindet die Muskulatur. Die gute Nachricht: Sie können etwas dagegen tun. Wie das geht, zeigt Ingo Froböse in unserer neuen Serie.

Sitzen Sie, während Sie diesen Artikel lesen? Was schätzen Sie, wie viel Zeit am Tag Sie auf Ihrem Popo verbringen? Auf dem Bürostuhl, auf dem Sofa, auf dem Autositz? Die Antwort lautet: 9,5 Stunden. So viel sitzt ein Erwachsener im Durchschnitt pro Tag. Dazu kommen noch die sechs bis acht Stunden, die wir liegend im Bett verbringen. Da bleibt nicht viel Zeit für Bewegung. „Die langen Sitzzeiten, die Inaktivität, die geringen körperlichen Belastungen im Alltag sorgen dafür, dass unsere Muskulatur nach und nach schwindet“, warnt Ingo Froböse, Professor für Prävention und Gesundheitsförderung an der Kölner Sporthochschule. Schon ab dem 30. Lebensjahr geht es bergab mit unserer Muskulatur und mit steigendem Alter wird es – Sie ahnen es – nur noch schlimmer.

Gegen Muskelschwund kann man etwas tun

Doch nach so viel Ernüchterung gibt es auch eine gute Nachricht: Sie können nämlich etwas tun gegen den Muskelschwund. Mit welchen Übungen das geht, zeigen wir Ihnen gemeinsam mit Ingo Froböse in unserer neuen fünfteiligen Serie „Fit in den Frühling“. 

„Es ist wichtig, dass wir mindestens zweimal pro Woche den gesamten Körper in irgendeiner Form belasten und beanspruchen“, sagt Froböse. Übersetzt heißt das: Zwei- bis dreimal in der Woche Muskeltraining – neben einem Ausdauertraining wie spazieren, laufen, schwimmen, radeln. Denn: „Wenn ich die Ausdauer, also das Herz-Kreislauf-System trainiere, wachsen die Muskeln nicht“, betont Froböse. „Wir brauchen eine höhere Intensität, um Muskelmasse und -kraft aufzubauen.“

Er ist das wichtigste Trainingsgerät: unser eigener Körper

Doch keine Sorge, für ein solches Training braucht man nicht mal das Haus zu verlassen. Man braucht sich auch keine teuren Geräte, Hanteln oder Sportklamotten anzuschaffen. „Wir zeigen Übungen, die man mit dem wichtigsten Trainingsgerät absolvieren kann – das ist unser eigener Körper und den haben wir ja zum Glück immer dabei“, sagt Froböse.

Los geht es in der ersten Folge mit fünf Übungen, die den ganzen Körper beanspruchen – von Beinen und Po über Bauch und Rücken bis hin zu Schultern und Armen. Denn insgesamt haben wir 654 Muskeln im Körper und sie alle wollen bewegt werden. Es gebe keine Muskelgruppe, die nicht trainiert werden müsse, sagt der Experte: „Alle Muskeln haben eine Funktion und brauchen Reize, um wachsen zu können.“ Doch auf manche Körperpartien sind wir eben im Besonderen angewiesen. So ist eine funktionierende Beinmuskulatur vor allem im Alter unabdingbar: Vom Stuhl aufstehen, die Treppen zur Wohnung oder ins Obergeschoss hochsteigen, zum Supermarkt oder Treffen mit Freunden laufen. „Zum Erhalt der Selbstständigkeit, Mobilität und Unabhängigkeit im Alter ist die Beinmuskulatur das absolut Wichtigste“, sagt Froböse.

Ältere leiden unter Rückenschmerzen, Jüngere haben's im Nacken

Erwachsene ab etwa 40 Jahren hingegen hätten vor allem mit Rückenschmerzen zu kämpfen, häufig verursacht durch eine schlechte Haltung, zu viel Sitzen und eine nicht ausreichend ausgeprägte Muskulatur in Rücken und Bauch. Und jüngere litten unter dem noch recht neuen Phänomen des „Handynackens“, einer Überlastung im Nackenbereich, die aus dem ständigen Starren auf den mobilen Bildschirm resultiert. Diesen drei besonders wichtigen Körperbereichen widmen wir deswegen in den kommenden Wochen jeweils eine eigene Folge. Und zum Schluss geht es dann um Beweglichkeit und Dehnung. Denn: „Wir sollten Muskeltraining auch immer mit Beweglichkeitstraining ergänzen“, sagt Froböse. Die Beweglichkeit zu trainieren, heißt nämlich auch, Knorpel- und Knochenstruktur besser zu durchbluten, auf diese Weise Problemen in den Gelenken vorzubeugen – und im besten Fall sogar das Einsetzen künstlicher Gelenke zu verzögern oder ganz zu vermeiden.

Überhaupt hat eine gut trainierte Muskulatur viele Pluspunkte. Neben den offensichtlichen, also dem Vorbeugen oder Reduzieren von Verspannungen und Schmerzen, dem Erhalt der Mobilität und dem Schutz der Gelenke, hat sie auch noch weitere, nicht direkt ersichtliche Vorteile: „Eine gut ausgebildete Muskulatur schützt auch vor dem Auftreten vieler Erkrankungen wie Diabetes, Alzheimer, Krebs, Hypercholesterinämie oder auch Bluthochdruck“, sagt Ingo Froböse. „Wir wissen sogar, dass auf diese Weise postoperative Komplikationen minimiert und die Mortalitätsrate deutlich reduziert wird, insbesondere bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen.“ Wer also eine gut ausgebildete Muskulatur hat, schützt sich auch vor schweren Erkrankungen wie Krebs, Herzinfarkt oder Schlaganfall.

Übungen für Anfänger, die wieder aktiver werden wollen

Und: Es ist nie zu spät, um anzufangen. „Unsere Übungen richten sich an Anfängerinnen und Anfänger, die zurück in ein aktiveres Leben wollen“, so Froböse. Trotzdem könnten sie bei den ersten Durchführungen belastend sein. Hier sollten Sie auf Ihr Körpergefühl hören: „Die Wiederholungszahlen sind fast egal. Es ist mir wichtig, dass jeder auf sich achtet. Muskeln müssen brennen. Wir sollten die Übungen also so lange ausführen, dass die Muskulatur angespannt und sogar ein wenig müde ist“, erklärt Froböse.

Achten Sie darauf, die Übungen nicht zu schnell und nicht ruckartig auszuführen. Vermeiden Sie Pressatmung, um Ihr Herz-Kreislauf-System zu schützen, atmen Sie stattdessen langsam und gleichmäßig. Tragen Sie festes Schuhwerk, kontrollieren Sie, dass der Boden oder die Matte nicht rutschig sind und nehmen Sie dann eine stabile Ausgangsposition ein. Wenn Sie sich an diese Empfehlungen halten, sei die Gefahr, sich bei unseren Übungen zu verletzen, absolut gering, sagt Froböse. Im Gegenteil: Der positive Effekt sei viel größer als die Gefahr etwas falsch zu machen. „Unser Training ist wie eine Vollkaskoversicherung gegen den Muskelschwund. Und mehr kann man doch eigentlich gar nicht erwarten.“

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