Konkrete Tipps von Kölner InitiativenWas wir alle gegen Rechtsextremismus tun können

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Impressionen von der Großdemo gegen Rechts auf der Deutzer Werft

Was kommt nach den Demos? Jetzt geht es darum, auch im Alltag gegen Rassismus und Rechtsextremismus aufzustehen.

Viele wollen Gesicht zeigen gegen Rechtsextremismus. Was kann jede und jeder von uns im Alltag tun? Viel mehr als man denkt!

Der Schreck sitzt. Nach den Enthüllungen rund um das Geheimtreffen der Rechten und angesichts der hohen Umfragewerte der AfD sind viele im Land alarmiert. Der Wunsch ist groß, direkt etwas zu unternehmen und ein Zeichen zu setzen gegen Rechtsextremismus und Rassismus und für Vielfalt und Demokratie. Das zeigte sich zuletzt eindrucksvoll bei den großen Demos in Köln. Was aber kann jede und jeder von uns noch tun, um sich zu engagieren? Wir haben Expertinnen aus Köln gefragt.

1. Rassismus erkennen und sich sensibilisieren

„Für sehr viele Menschen werden rassistische Strukturen immer nur durch Ereignisse, wie jüngst das Geheimtreffen der Rechten, sichtbar“, sagt Michelle Gropper-Epps von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Köln (MBR), „Rassismus ist aber ein permanentes strukturelles Problem in unserer Gesellschaft. Wir alle sind im Alltag davon betroffen und müssen das auch gemeinschaftlich lösen.“ Um täglichen Rassismus besser zu verstehen und zu erkennen, sollte sich jeder mit dem Thema auseinandersetzen. „Ich empfehle, Bücher, Podcasts, Blogs, Filme und Artikel seriöser Medien zu nutzen, um sich selbst zu sensibilisieren.“ Das Team der MBR empfiehlt beispielsweise folgende Bücher zum Thema: Tupoka Ogette: „exit RACISM. Rassismuskritisch denken lernen“, Kübra Gümüşay: „Sprache und Sein“, Emilia Roig: „Why We Matter“, Ibram X. Kendi: „How to be an antiracist“. 

2. Betroffene ernst nehmen

Um zu verstehen, wie Rassismus aussehe und wirke, sei es ganz wichtig, die Perspektive Betroffener zu sehen. „Wir sollten häufiger mit von Rassismus betroffenen Menschen in unserem Umfeld sprechen“, sagt Gropper-Epps. „Und wir müssen endlich anfangen, rechte Gewalt ernst zu nehmen und den Betroffenen auch Glauben schenken“, ergänzt Behshid Najafi, sie ist Mitgründerin von Agisra e.V. Köln, eine Beratungsstelle von und für Menschen mit Migrationshintergrund und geflüchtete Frauen.

Die Kölner Freiwilligen Agentur bietet verschiedene Projekte an, um Solidarität mit geflüchteten Menschen zu zeigen. Beim „Welcome Walk“ erkunden Freiwillige und Geflüchtete gemeinsam die Stadt. Im Projekt Kölner Kinder-Patenschaften (KöKiPAT) begleiten Ehrenamtliche Grundschulkinder mit Fluchterfahrung und ihre Familien außerhalb der Schule. Bei der Aktion „Babellos“ dolmetschen zweisprachige Ehrenamtliche für geflüchtete Personen. Eine Übersicht, wie man in die ehrenamtliche Arbeit mit Geflüchteten einsteigen kann, gibt es auf den Seiten der Kölner Freiwilligen Agentur.

Behshid Najafi von Agisra e.V. Köln

Behshid Najafi floh vor über 30 Jahren aus dem Iran und baute in Köln den Agisra e.V. mit auf, wo sie bis heute in der Beratung tätig ist. 2022 erhielt sie den Else-Falk-Preis.

3. Sich im Alltag klar positionieren

„Im nächsten Schritt geht es darum, sich bei Begegnungen mit rassistischem Verhalten klar zu positionieren“, sagt Michelle Gropper-Epps. „Wir sollten Mut haben und couragiert zeigen: Das hier sind menschenverachtende Haltungen und dagegen spreche ich mich aus!“ Noch passiere das viel zu selten. „Menschen aus meinem Umfeld erzählen mir immer wieder, wie sie lieber schweigen, wenn jemand rassistische Positionen vertritt, um Konflikte zu vermeiden“, erzählt Behshid Najafi. „Ich halte das für die falsche Strategie. Es ist wichtig, genau dann in die Diskussion zu gehen.“ Auch auf der Straße dürfe nicht wegschaut werden, wenn Menschen verbal oder körperlich angegriffen würden. „Wir sollten uns trauen und uns einmischen“, sagt auch Brigitta von Bülow vom Bündnis „Köln stellt sich quer“, „es ist wichtig, etwas entgegenzusetzen, wenn Menschen denunziert werden.“

Brigitta von Bülow

Brigitta von Bülow ist Bürgermeisterin der Stadt Köln (MdR), kulturpolitische Sprecherin von B90/Die Grünen und Teil des Bündnisses „Köln stellt sich quer“

4. Klug und gut informiert kommunizieren

Viele zögerten allerdings, sich in Alltagssituationen einzuschalten, weil sie Angst vor der Reaktion des Gegenübers hätten, sagt Michelle Gropper-Epps. Und hier sei es durchaus wichtig, sich selbst zu schützen und abhängig von der Situation zu agieren. „Einen aggressiven Neonazi in der Bahn oder den 90-jährigen Opa mit rechtsradikalem Weltbild sollte man eher nicht konfrontieren, so jemanden kann man ohnehin nicht überzeugen.“ Aber es gebe andersdenkende Menschen, die für eine Diskussion offen seien. „Im Gespräch mit ihnen rate ich, nicht persönlich, belehrend oder anklagend zu werden, sondern interessiert zu bleiben und auch Fragen zu stellen.“ Um souverän auf Thesen und Parolen reagieren zu können, sollte man sich auf solche Gespräche vorbereiten, sagt Brigitta von Bülow: „Ist man gut informiert und kennt die Fakten, kann man auch souverän argumentieren.“

Hilfe bei Konflikten mit Menschen, die rechtes Gedankengut vertreten, bietet die „Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Köln“ (MBR).

5. Aufklärung im Netz unterstützen

Besonders groß ist der Einfluss der rechten Szene im Netz. Auch hier könne jeder von uns etwas entgegensetzen, so Gropper-Epps. „Zunächst sollte man selbst darauf achten, bei welchen Quellen man sich informiert. Und dann die Beiträge, die wichtige Aufklärungsarbeit leisten, durch Teilen und Liken bestärken.“ So beeinflusse man den Algorithmus im Netz positiv. Gleichzeitig ist es ratsam, nicht mehr auf Posts mit rassistischen und menschenverachtenden Inhalten zu reagieren, auch nicht, um in Kommentaren etwas entgegenzusetzen. Denn auch so stärkt man die Reichweite dieser Accounts, Algorithmen belohnen jede Form der Interaktion. 

6. Sich in Initiativen engagieren

Um eigene Positionen zu stärken, hilft auch der Austausch mit Gleichgesinnten. „Es gibt viele engagierte Menschen, die Petitionen aufsetzen oder Initiativen leiten und damit eine Plattform bieten, sich gemeinsam einzusetzen“, sagt Gropper-Epps. „Wer aktiv werden will, sollte sich informieren, welche Projekte und Veranstaltungen es in der eigenen Stadt gibt.“ Auch Politiker auf das Thema Rechtsextremismus aufmerksam zu machen, könne eine gute Idee sein. „Wirksam ist zudem, sich selbst politisch einzubringen und mitzugestalten“, sagt Brigitta von Bülow.

Die Kölner Freiwilligen Agentur unterstützt und berät sich bildende Initiativen und interessierte Einzelpersonen, die sich politisch engagieren möchten. Regelmäßig findet eine offene Sprechstunde statt, in der Fragen beantwortet werden.

7. Kinder und Jugendliche aufklären

„Um auch die zukünftige Generation zu stärken, sollten Eltern und Pädagogen früh anfangen, mit Kindern und Jugendlichen über Demokratie, Vielfalt und Toleranz zu sprechen“, sagt von Bülow. Kinder sollten lernen, dass sie als mündige Bürger auch verantwortlich dafür seien, was in ihrem Umfeld passiere. „Auch deshalb ist es wichtig, dass Erwachsene gegen menschenverachtende Aussagen aufstehen – denn Kinder schauen sich ihr Verhalten ab.“ Darüber hinaus sollten sie ihnen vermitteln, dass es für die großen Themen der Welt in der Regel keine einfachen Lösungen gebe.

8. Pädagogen und Mitarbeitende schulen

Bildung und Information seien auch relevant, um rassistischen Strukturen an anderer Stelle aufzubrechen. „Mitarbeitende in Behörden, an Schulen, im Jobcenter müssen besser geschult werden zum Thema Menschenrechte“, sagt Behshid Najafi, „sie müssen besser informiert werden über die politische Situation in den Herkunftsländern der Menschen. Und sich auch mit dem Rassismus in den eigenen Reihen auseinandersetzen.“ Menschen mit Expertise, etwa Juristinnen oder Lehrende, könnten entsprechende NGOs bei der Aufklärung ehrenamtlich unterstützen.

Lisa Schiepan

Lisa Schiepan von Viktoria Köln ist verantwortlich für Themen, die die gesellschaftliche Verantwortung des Vereins betreffen.

9. Aktion gegen Rassismus im Fußball

Wie man im Alltag konkret gegen Rassismus aufstehen kann, zeigt etwa ein Blick in die Welt des Fußballs. „Fußball ist überall in der Gesellschaft präsent und auch hier gibt es rechtsextremistische Vorfälle“, sagt Lisa Schiepan von Viktoria Köln. „Wir als Verein positionieren uns klar gegen rassistisches Verhalten und setzen uns aktiv ein für ein multikulturelles und vielfältiges Stadtbild.“ Seit 2022 ist Viktoria Köln Teil des Pilotprojekts „Fußball Verein(t) Gegen Rassismus“.

Wichtig sei es, dass auch Fußballspieler und -fans Courage und Haltung zeigten. „Wer im Stadion rassistische oder rechtsextreme Äußerungen hört, sollte sich nicht ducken, sondern den Ordnern Bescheid geben. Dann können die Personen identifiziert und gegebenenfalls rechtlich belangt werden.“ Betroffene könnten sich darüber hinaus an die Meldestelle für Diskriminierung im Fußball in NRW (MeDiF) wenden oder bei antisemitischen Vorfällen den Meldebutton von Zusammen1 nutzen.

(Recherche-Mitarbeit: Alexandra Eul)

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