Datenschützer reichen Klage einPolizeikameras in Köln-Kalk sind jetzt ein Fall für das Gericht

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Videokameras der Polizei hängen an der Kalker Post und Kalker Hauptstraße.

Die Videobeobachtung der Polizei an der Kalker Post und Kalker Hauptstraße ist heftig umstritten.

Die Initiative „Kameras stoppen“ will, dass die polizeiliche Videobeobachtung in Köln komplett eingestellt wird.

Wenn Frank Müller (Name geändert) in Humboldt-Gremberg sein Haus verlässt und zur Post geht, ist die Polizei live dabei. Auch, wenn er sich ins Eiscafé setzt. Oder in den Köln Arcaden einkaufen geht. Müller wohnt mitten in einem sechs bis neun Hektar großen Gebiet rund um die Kalker Hauptstraße, das die Kölner Polizei mit insgesamt 26 Videokameras überwacht – zur Verhinderung von Straftaten und zu deren Aufklärung, wie die Behörde und das NRW-Innenministerium betonen. 24 Stunden, an allen Tagen im Jahr.

Müller aber befürchtet, die Polizei könne auch ein Bewegungsprofil von ihm erstellen. Oder vielleicht noch schlimmer: Andere könnten das tun, die irgendwie an die Videodaten auf dem Polizeiserver gelangen und Böses im Sinn haben. „Man liest doch immer wieder von Hackerangriffen“, sagt der Kölner.

Köln: Polizei schaltet die Kameras bei Demonstrationen ab

Dass die Polizei die Kameras bei Versammlungen und Demonstrationen abschaltet, um die Teilnehmer zu schützen, glaubt Müller nicht. „Das glaube ich erst, wenn da für alle sichtbar ein Sack drüber hängt. Ich sehe doch sonst gar nicht, wohin die Linse zeigt und ob sie wirklich nichts aufnimmt.“ Zuletzt sei er aus genau diesem Grund nicht zu einer politischen Versammlung in Kalk gegangen, obwohl ihn das Thema interessiert hätte, wie er sagt.

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Aktivisten der Initiative „Kameras stoppen“ bei einer Protestkundgebung vor dem Verwaltungsgericht am 14. Mai 2024.

Aktivisten der Initiative „Kameras stoppen“ bei einer Protestkundgebung vor dem Verwaltungsgericht am 14. Mai 2024.

Mit anderen Mitstreitern und den Organisatoren der Kölner Initiative „Kameras stoppen“ steht Frank Müller an diesem Dienstagnachmittag vor dem Verwaltungsgericht am Appellhofplatz. Die Datenschutz-Initiative hat soeben ihre siebte Klage seit 2018 gegen die polizeiliche Videoüberwachung in Köln eingereicht. Ziel ist die komplette Einstellung der polizeilichen Videobeobachtung, vornehmlich in den Wohngebieten in Kalk und Humboldt-Gremberg, aber auch an den übrigen sieben Standorten in Köln: am Wiener Platz, auf den Ringen, am Friesenplatz, im Domumfeld, auf dem Breslauer Platz, dem Ebertplatz und dem Neumarkt.

Köln: Datenschützer kritisieren, Kameras verhindern keine Straftaten

Nicht verhältnismäßig und kein großer Nutzen – das sind die Hauptargumente der Kritiker. Die Polizei habe bislang keinen Nachweis erbringen können, dass der öffentliche Raum durch die Videoüberwachung sicherer geworden sei.

Stattdessen wisse niemand, ob die Bildaufnahmen tatsächlich wie gesetzlich vorgeschrieben nach 14 Tagen gelöscht oder ob die Daten möglicherweise missbraucht werden. Etwa, um Persönlichkeitsprofile von Menschen zu erstellen – wenn vielleicht noch nicht jetzt, dann möglicherweise in Zukunft, warnt der Kölner Rechtsanwalt Michael Biela-Bätje, einer der Initiatoren von „Kameras stoppen“. Er sagt: „Hier wird mit Daten geaast. Informationen werden im Übermaß erhoben, und es ist nicht kontrollierbar, wer die Daten wie nutzt.“

Wenn ich in Kalk wohne, bin ich fast ständig auf den Servern der Polizei
Sabine Schölermann, Rechtsanwältin in Köln

„Wer garantiert dir in Zeiten von 14 Prozent AfD, ob die rechten Antidemokraten nicht längst in allen Bereichen der Verwaltung sitzen und nicht etwa, wie in Hessen, auch in Köln morgen eine NSU 2.0 im Polizeipräsidium sitzt?“, heißt es dazu etwa in einem Flyer der Kampagne.

„Wenn ich in Kalk wohne, bin ich fast ständig auf den Servern der Polizei, das ist nicht verhältnismäßig“, ergänzt Rechtsanwältin Sabine Schölermann von „Kameras stoppen“. Wer die Bilder auswerte, wisse, „wann und wie oft ich in welchem Café sitze, mit wem ich mich treffe, ob ich mit Karte zahle oder in bar“. All solche Informationen eigneten sich zur Profilbildung, sagt Schölermann.

Die Polizei dagegen verweist darauf, dass die Kameras ausschließlich an Kriminalitätsbrennpunkten hingen – „mit einer Vielzahl an Delikten, deren Anzahl und Qualität sich im Vergleich zum Kölner Stadtgebiet signifikant abheben“. Die Rechtsgrundlage für die dauerhafte Beobachtung bildet das Polizeigesetz NRW. In Wohnungen oder Geschäften werde nicht hinein gefilmt beziehungsweise falls doch, dann würden die betreffenden Aufnahmen für den Betrachter automatisch unkenntlich gemacht.

Im Vorjahr sei die Videobeobachtung bei 8114 Einsätzen und Ermittlungen in Köln hilfreich gewesen, berichtet die Polizei – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2022.  Die meisten dieser Einsätze ereigneten sich auf den Ringen (1753), in Kalk (1697) und auf dem Neumarkt (1488).

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