Vom Kölner Sterne-Restaurant auf die StraßeSpitzenkoch lädt Obdachlose zum Essen ein in Bergisch Gladbach

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Haben das Essen für Wohnungslose ins Leben gerufen: Spitzenkoch Maximilian Lorenz (32) und Centershop-Chef Guido Korn (56) beim Abschmecken der Vorspeise im „Alten Lindenhof “.

Haben das Essen für Wohnungslose ins Leben gerufen: Spitzenkoch Maximilian Lorenz (32) und Centershop-Chef Guido Korn (56) beim Abschmecken der Vorspeise im „Alten Lindenhof “.

Die Organisatoren haben die Aktion in Gedenken an den Vater ins Leben gerufen.

Von einem Bein aufs andere treten die beiden Männer und eine Frau. Sie reiben sich die Hände und ziehen an ihren Zigaretten. Kälte kennen sie. Nur zu gut. Sie haben alle drei keine Wohnung, leben in Notunterkünften. Und haben doch an diesem Morgen ein ganz besonderes Fest vor sich. Heute Mittag werden sie in ein Restaurant gehen, eine Menü serviert bekommen – und dabei auch noch bedient werden.

Dafür hat Spitzenkoch Maximilian Lorenz sein Kölner Sterne-Restaurant heute geschlossen gelassen und sich stattdessen in seiner Heimatstadt Bergisch Gladbach an den Herd des Alten Lindenhofs in Bergisch Gladbach-Gierath gestellt. Zum dritten Mal hat er mit Guido Korn, dem Inhaber der Center-Shops, Wohnungslose zu einem Essen eingeladen.

Aktion in Gedenken an den Vater

„Mein Vater hat so etwas vor einigen Jahren über Weihnachten im Bergischen Löwen anbieten wollen, was aber damals an Hürden gescheitert ist“, erzählt Maximilian Lorenz. „Nach seinem plötzlichen Tod vor zwei Jahren haben wir dann eine Stiftung gegründet und das Projekt hier im Alten Lindenhof ins Leben gerufen.“

Über eine Streetworkerin des Netzwerks Wohnungsnot der Diakonie ist die Zielgruppe in der Stadt angesprochen und eingeladen worden. Nun steht die Frau am Eingang und empfängt die Gäste, 60 Männer und zwölf Frauen.

Manche haben schon anderthalb Stunden vor Beginn des ganz besonderen „Neujahrsempfangs“ vor der Tür gestanden. Wer mag, wird von der Zentrale des Netzwerks Wohnungsnot an der Hauptstraße 289 in der Gladbacher Stadtmitte mit dem Taxi zum „Alten Lindenhof“ gebracht. „Auch das ist schon ein Erlebnis“, sagt einer der ankommenden Gäste.

Unterstützung ist Groß

Guido Korn steht derweil mit freiwilligen Helfern in einem Nebenraum des Gasthofs und packt Geschenketagen mit Lebensmitteln Hygieneartikeln und Wärmendem für den Winter: Kaffee, Tee, Handwärmer. „Die Unterstützung für unsere Aktion ist groß, wir hatten mehr Angebote von Freiwilligen, die helfen wollten, als wir beschäftigen konnten“, sagt Guido Korn, der seit Jahren auch die Arbeit des Vereins „Die Platte“ unterstützt.

Er war mit Maximilian Lorenz' Vater Manfred eng befreundet, wusste um dessen „Herzenswunsch, etwas für Obdachlose zu tun“. Mit jedem Mal sei die Nachfrage auch bei den Wohnungslosen größer geworden, sagt Maximilian Lorenz, „beim ersten Mal hatten wir 30 Gäste, beim zweiten Mal 45 und jetzt sind es fast 70.“

Währenddessen rührt er mit Katharina Kraus, die sonst Küchenchefin im Alten Lindenhof ist und heute ihren freien Tag für die Benefizaktion eingesetzt hat, in der Suppe, die den Gästen gleich serviert werden soll.

Freiwillige Helfer packen Geschenketaschen mit Hilfreichem im Winter für die wohnungslosen Gäste des besonderen „Neujahrsempfang“.

Freiwillige Helfer packen Geschenketaschen mit Hilfreichem im Winter für die wohnungslosen Gäste des besonderen „Neujahrsempfang“.

Nach der Kürbissuppe stehen Gänsekeule mit Rotkohl, Kartoffelklößen sowie eine Crème Brûlée und Joghurtsorbet auf der Karte des außergewöhnlichen Menüs.

Lorenz' Mutter Beate Weimann-Lorenz empfängt die Gäste im Restaurant, nimmt die Getränkebestellung auf – und kommt gerührt nach wenigen Minuten zurück in die Küche. Aus einer Papiertüte zieht sie eine Weinflasche hervor: „Sie haben alle zusammengelegt, um uns auch ein Geschenk zu machen“, sagt sie ergriffen.

„Ein Gast hat mir mal gesagt: ,Das ist der schönste Tag im Jahr'“, sagt Maximilian Lorenz, will aber eigentlich gar kein großes „Danke“ haben. „Jeder sollte seine Möglichkeiten, die er hat, einsetzen“, plädiert er. „Machen ist wie wollen – nur krasser.“ Und: „Eigentlich müssen wir ,Danke' sagen“, findet er: „Wir schlafen heute Abend alle warm und sicher – und von unseren heutigen Gästen weiß mancher gar nicht, ob er heute Abend ein Dach über dem Kopf haben wird.“

Freut sich über die Gäste: Beate Weimann-Lorenz.

Freut sich über die Gäste: Beate Weimann-Lorenz.

„Die größte Freude ist die im Auge des anderen“, sagt seine Mutter und eilt zurück in den Gastraum. Aus Rücksicht auf die Gäste möchte die Streetworkerin lieber keine Medienvertreter im Raum haben, die Reporter bleiben in der Küche, wo jetzt die Teller vorbereitet werden, während nebenan an der Theke die allesamt alkoholfreien Getränke auf den Weg in den Gastraum gehen.

Bei einem der vergangenen Obdachlosenessen wollte eine Frau kein Getränk bestellen. „Ich weiß ja nicht, was hier eine Cola kostet?“, fragte sie, wie sich Beate Weimann-Lorenz erinnert. Als sie erfuhr, dass an diesem Tag alles kostenlos für die Gäste sei, strahlte sie. „Viele unserer Gäste haben viel mitgemacht“, sagt die Gastgeberin.

Ob Insolvenz des eigenen Geschäfts, Selbstmord der Ehefrau oder ein anderer Schicksalsschlag – es gebe viele Gründe, die ein Leben ins Wanken bringen, einem Menschen den Boden unter den Füßen wegreißen und ihn am Ende auf der Straße landen lassen können, weiß Beate Weimann-Lorenz und freut sich über die Freude der Gäste über ein kleines Gespräch: „Einer hat mir von seinem Hund erzählt, ein anderer davon, wie er seinen Bart so schön zwirbelt.“

Weimann-Lorenz hält inne: „Das Komplizierte bringen nicht diese Menschen mit, kompliziert sind oftmals wir. Sie wollen nur ganz normal behandelt werden.“ Ein Wunsch, der an diesem Tag für knapp 70 Menschen ohne Wohnung im Alten Lindenhof Wirklichkeit geworden ist.

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