Prozess80-jähriger Refrather soll Eisenkette auf einen Hund geschleudert haben – Freispruch

Lesezeit 3 Minuten
Symbolfoto von der Schnauze eines Hundes.

Der Hund (hier ein Symbolfoto) wurde bei dem Angriff verletzt.

Ein 80-jähriger Refrather soll eine schwere Eisenkette auf einen Hund geschleudert und ihn verletzt haben. Behauptete der Hundebesitzer.

Prozesse, die die Welt eigentlich nicht braucht – und die gut ausgelastete Justiz auch nicht: Auf Antrag der Staatsanwältin hat das Bergisch Gladbacher Amtsgericht einen bis dahin unbescholtenen 80-jährigen Rentner aus Refrath vom Vorwurf der Sachbeschädigung freigesprochen.

Der alte Herr war von einem knapp 30 Jahre jüngeren Hundebesitzer bezichtigt worden, einen seiner Hunde mit einer schweren Absperrkette malträtiert und verletzt zu haben. Strafrechtlich wäre das laut Anklage eine „Sachbeschädigung“ gewesen - wenn es denn überhaupt und mit Absicht passiert wäre.

Zwischenfall beim Gassigehen am Mittag

Ob das Ganze aber überhaupt so passiert ist, wie es der Hundebesitzer, ein nach eigenen Angaben im Homeoffice arbeitender 51-jähriger Versicherungsangestellter, in seiner Anzeige und auch vor Gericht dargestellt hatte, war am Ende allerdings mehr als zweifelhaft.

Der 80-jährige Refrather auf der Anklagebank, eskortiert von einer Verteidigerin und seiner im Zuschauerraum sitzenden Ehefrau – die erhebliche Mühe hatte, in der Verhandlung ruhig zu bleiben –, bestritt jedenfalls, irgendetwas Unrechtes getan zu haben.

Schauplatz: Ein Garagenhof im betulichen Refrath

Laut Anklage hatte sich der Vorfall am 31. März vergangenen Jahres gegen 11.35 Uhr auf einem Garagenhof in einer Refrather Einfamilienhaussiedlung zugetragen. An diesem Tag, so berichtete Hundebesitzer Hasso H. (Namen geändert) als Zeuge vor Gericht, habe er früh Mittagspause gemacht, seine damals 23 und 11,8 Kilogramm schweren Vierbeiner ausgeführt und dabei festgestellt, dass sein geparkter Anhänger anders stand, als er ihn zurückgelassen hatte.

Um ihn wieder zu richten, habe er Idefix und Fenjo (Namen der Hunde ebenfalls geändert) kurz an einem Pflock am Ende einer Absperrkette angebunden und sich um den Anhänger gekümmert. Während die beiden vierbeinigen Freunde gut sichtbar dagesessen hätten, habe sich Rentner Willi S. der Garageneinfahrt genähert.

Der Hund hat geschrien!
Das Herrchen als Zeuge

Plötzlich habe Willi S. die schwere Eisenkette in die Hand genommen, sie über den Kopf gehoben und sie nach vorne geschleudert. Der Mann habe eine Wellenbewegung in der nach seiner Messung 7,80 Meter langen Eisenkette erzeugt. Diese habe dazu geführt, dass sich das Absperrgerät wie zu einem Lasso geformt und am Ende Idefix getroffen und verletzt habe. „Der Hund hat geschrien!“, schilderte Hasso H. die Brutalität der Situation aus seiner Sicht.

„Hat er denn vorher etwas zu den Hunden gesagt?“, fragte Richterin Pauline Willberg nach. „Irgendwas hat er gesagt, ich erinnere mich aber nicht an den Wortlaut“, antwortete Hasso H. Nachfragen hatte auch die Sitzungsvertreterin der Kölner Staatsanwaltschaft. Sie hatte die Anklage gegen Willi S. nicht selbst verfasst, sondern sie nur im Prozess vorgetragen: Wie denn die Kette hinter den Pfosten gelangt sei und den Hund getroffen habe? Wie man sich das alles überhaupt vorstellen müsse?

Fragen über Fragen an den Hundebesitzer

Aber auch die Verteidigerin von Willi S. hatte noch Fragen: Wieso Hasso H. die Hunde überhaupt an einer Stelle angebunden habe, die ihm nicht gehöre? Wie ein 80-Jähriger so viel Kraft aufbringen solle, eine so schwere Kette zu schleudern? Und warum Hundebesitzer Hasso H. in einer Schadenersatzforderung gegen ihren Mandanten Tierarztkosten geltend gemacht habe, die bereits vor dem angeblichen Zwischenfall entstanden seien?

Überzeugende Antworten hatte der Zeuge darauf nicht, es kamen tiefgründige Wahrheiten wie „Weil die Physik nicht lügt“. Der angeklagte Senior hatte hingegen konsequent angeben, von einer Verletzung eines der Hunde nichts mitbekommen zu haben.

Wir brauchen keinen Beweisantrag
Staatsanwältin zur Verteidigerin

Seine Verteidigerin stellte zu guter Letzt noch einen Beweisantrag in Sachen Eisenkettenschleuderei in den Raum. Darauf die Staatsanwältin: „Wir brauchen keinen Beweisantrag“ – und beantragte Freispruch. Die Verteidigerin schloss sich an, und Richterin Willberg verkündete ihn umgehend: Wenn es überhaupt einen Zwischenfall gegeben habe, dann allenfalls eine „fahrlässige Sachbeschädigung“.

Fahrlässige Sachbeschädigung sei aber nicht strafbar, setzte die Richterin ihre Begründung dann fort – nachdem sie die am Schluss für ihre  Zuschauerrolle viel zu überengagierte Ehefrau des Rentners mit Erfolg freundlich, aber bestimmt zur Ruhe gemahnt hatte.

KStA abonnieren