1. FC Köln in der AnalyseVerdienter Kölner Abstieg nach sportlicher Bankrotterklärung

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„Wir sind Kölner – und ihr nicht“, skandierten Fans nach dem schwachen Auftritt in Heidenheim: Der 1. FC Köln sieht schweren Zeiten entgegen.

Das Wichtigste zuerst

Als am Samstag um 17.26 Uhr der siebte Abstieg in der Vereinsgeschichte besiegelt war, schlichen die Spieler des 1. FC Köln in Richtung der rund 2200 mitgereisten Fans. Die Anhänger wirkten nicht richtig zornig, wütend, sondern vielmehr komplett resigniert. „Wir sind Kölner – und ihr nicht“, skandierten die Fans, darauf folgten ein paar verbale Aufforderungen, dass Christian Keller, der Geschäftsführer Sport, doch bitteschön den Verein verlassen soll. Viel Wucht entwickelten die Rufe indes nicht. Es war eher das Wehklagen der Kassandra.

Das Kölner Wunder war ausgeblieben. Aber so was von! Nach einer sportlichen Bankrotterklärung vor allem in der ersten Halbzeit verlor die Mannschaft von Trainer Timo Schultz mit 1:4 beim Aufsteiger 1. FC Heidenheim. Der FC landete am Ende einer unterirdischen Saison mit indiskutablen 27 Punkten und nur 28 Toren auf dem vorletzten Tabellenplatz; das ist dann eben die Bilanz eines am Ende verdienten Abstiegs.

Ratlos in Heidenheim: FC-Trainer Timo Schultz

Ratlos in Heidenheim: FC-Trainer Timo Schultz

Der FC trat in Heidenheim nicht nur erschreckend schwach auf, zeigte überhaupt kein Aufbäumen, sondern war teilweise sogar hoffnungslos unterlegen gegen einen Aufsteiger, der erstmals auf den frisch operierten Erfolgstrainer Frank Schmidt hatte verzichten müssen. Und der die Saison auf einem ganz starken achten Platz abschloss, der im Fall des Leverkusener Pokalsiegs sogar die Teilnahme an der Conference League bedeutet. Die Heidenheimer feierten im Anschluss am Stadion den Coup mit einer großen Abschluss-Party. Zwei Vereine, zwei (Gefühls-)Welten.

Die Tore

Der FC kassierte die Tore teilweise auf die billigste Art und Weise. Die Heidenheimer gingen nach 16 Minuten in Führung. Außenverteidiger Jonas Föhrenbach konnte auf der linken Seite ungestört den Ball nach vorne treiben. Jan-Niklas Beste kreuzte geschickt, ließ die Kölner Abwehr leicht ins Leere laufen und spielte quer auf Eren Dinkci. Der stand frei und zog aus 16 Metern ab. Jeff Chabot fälschte das Leder ins eigene Tor ab – 1:0.

Nur sechs Minuten später erhöhten die Gastgeber. Faride Alidou verlor den Ball amateurhaft an der Mittellinie an Tim Kleindienst. Der Torjäger spielte in den Fuß von Dinkci, der locker Chabot und Timo Hübers aussteigen ließ. Dinkci zog mit links ab und ließ Torhüter Marvin Schwäbe keine Chance.

In der 36. Minute wurde es für die Kölner noch bitterer: Nach einer Flanke von Jonas Föhrenbach klärte Dominique Heintz den Ball vor dem Strafraum viel zu halbherzig. Kevin Sessa spielte danach kinderleicht Florian Kainz aus, zog mit links platziert ins rechte Toreck zum 3:0 ab.

Eren Dinkci trifft gegen den FC zum 2:0

Eren Dinkci trifft gegen den FC zum 2:0

In der 64. Minute konnte der FC auf 1:3 verkürzen. Der rechts völlig freistehende Rasmus Carstensen flankte, der Ball segelte an die Latte. Steffen Tigges war zur Stelle und köpfte den Ball über die Linie.

Mit einem sagenhaften Tor machten die Gastgeber in der 78. Minute mit dem 4:1 endgültig den Deckel drauf. Und der FC lief erneut in einen Konter. Über Florian Pick kam der Ball zu Jan-Niklas Beste. Der fasste sich ein Herz, zog aus 25 Metern mit gewaltig viel Schnitt ab. Der flog in den linken Torwinkel, Schwäbe flog vergeblich.

Das war gut

Die Kölner Fans waren in dieser Saison extrem leidensfähig und hatten ihre Mannschaft immer unterstützt. Doch nach dem erbärmlichen Zwischenstand stellten sie ihren Support ein – es war das richtige Zeichen nach dem völligen Versagen. Zudem blieb es nach dem Abpfiff ruhig, die Kölner Fans verloren nicht die Nerven.

Das war schlecht

Wo soll man bloß anfangen? Wir lassen es heute mal.

Mann des Spiels

Eren Dinkci. Der rechte Offensivspieler erzielte nicht nur die ersten beiden Tore, sondern er machte mit den Kölnern, was er wollte. Technisch stark, trickreich, schnell: Da kann sich der SC Freiburg, zu dem er nach der Saison für die festgeschriebene Ablösesumme von fünf Millionen Euro wechselt, auf einen vorzüglichen Spieler freuen. Der 22-Jährige erhielt bei seiner Auswechslung verdienten Sonderapplaus.

Moment des Spiels

Das schönste Tor des Spiels fiel erst recht spät. Und zwar in der 78. Minute zum 4:1. Jan-Niklas Beste stellte in dieser Saison erneut unter Beweis, über welch außerordentliche Schusstechnik er verfügt und weshalb er in den Dunstkreis der Nationalmannschaft kam.

Timo Schultz: „Meine Mannschaft ist unerklärlicherweise gar nicht ins Spiel gekommen“

Das sagen die Trainer

Timo Schultz (1. FC Köln): „Meine Mannschaft ist unerklärlicherweise gar nicht ins Spiel gekommen. Wir hatten eine gute Trainingswoche, um auf den Punkt da zu sein. Zur Halbzeit war die Messe aber schon gelesen. Das Ergebnis spielt keine Rolle, weil Union auch gewonnen hat, aber ich bin richtig, richtig sauer über das Auftreten meiner Mannschaft in der ersten Halbzeit und noch mehr enttäuscht über den Abstieg. Wir haben Mitte der ersten Hälfte überlegt, früher zu wechseln, aber ich würde es nicht Arbeitsverweigerung nennen. Die Jungs wollten alles geben, haben es aber überhaupt nicht hinbekommen. Am Willen hat es nicht gelegen. Die Mannschaft hat das Herz am richtigen Fleck.“

Bernhard Raab (1. FC Heidenheim): „Wir hatten uns vorgenommen, früh Druck aufzubauen und dem Gegner keine Ruhe zu lassen. Wir sind dann konzentriert in die Partie gestartet. Dass wir mit 3:0 in die Pause gegangen sind, war optimal für uns. Wir mussten mehr oder weniger nur noch das Augenmerk darauf haben, den Gegner nicht mehr ins Spiel zurückkommen zu lassen. Das ist uns in einer kurzen Phase rund um die 70. Minute nicht so gut gelungen und haben ein, zwei Mal unseren Torhüter gebraucht. Mit dem Tor zum 4:1 war das Ganze dann durch. Die Mannschaft hat den Sieg dann verdientermaßen nach Hause gespielt. Wir natürlich froh, dass wir den achten Platz final erreicht haben und die richtige gute Saison mit dem Sieg gekrönt haben.“

Das sagen wir

„Wunder gibt es immer wieder“, sang dereinst Katja Ebstein. Doch von diesem Wunder, auf das wohl ganz Köln nach dem unglaublichen 3:2-Sieg am vergangenen Samstag wieder gehofft hatte (und mancher es auch für möglich gehalten hatte), war dieser FC am Samstag ganze Galaxien weit entfernt. In der ersten Halbzeit ließen die Kölner durch ihre eigene Unfähigkeit und Passivität den Aufsteiger aus Heidenheim fast wie Real Madrid aussehen. Der Auftritt in einem Spiel, in dem man eigentlich selbst noch alles Erdenkliche versuchen sollte und musste, um noch eine Chance auf das viel beschworene Wunder zu haben, ließ einen ratlos bis paralysiert zurück.

Der 1. FC Köln bewies am Samstag in Heidenheim erneut seine Bundesliga-Untauglichkeit, die zuletzt durch eine gute Moral in der Mannschaft und schier unglaubliche Siege wie gegen Bochum oder Union Berlin noch kaschiert worden war. Dass Union Berlin dem FC nicht den Gefallen tat, erneut zu patzen, sein Spiel gegen Freiburg mit 2:1 gewann und sich damit noch den direkten Klassenerhalt sicherte, ändert nichts an der Tatsache, dass die Kölner ganz anders hätten auftreten müssen. Denn an der Alten Försterei hatte es übrigens bis zur 68. Minute 0:0 gestanden.

Nach dem Abstieg werden den FC nun mehrere Spieler verlassen, durch die selbstverschuldete Transfersperre kann der Klub auch in diesem Sommer dem nicht entgegenwirken. Man muss kein Prophet sein, dass der Verein nun vermutlich ganz schweren Zeiten entgegenblickt. Dass der Rivale Bayer 04 Leverkusen als als ungeschlagener Meister und möglicherweise als Triple-Sieger zum Triumphmarsch von Aida durch die Nachbarschaft stolziert, macht alles für den 1. FC Köln und seine Anhänger nicht unbedingt einfacher.

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