„Stadt nicht vom Auto her denken“Erster „Jane's Walk“ in Ehrenfeld – Teilnehmer erkunden ihr Veedel

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Teilnehmer des speziellen Spaziergangs durch Ehrenfeld.

Teilnehmer des speziellen Spaziergangs durch Ehrenfeld.

Der erste, von Radkomm initiierte, Kölner „Jane's Walk“ lud Teilnehmer in Ehrenfeld ein, ihre Stadt aus fußgängerfreundlicher Sicht zu erkunden.

Verkehrsplanung sah in den vergangenen Jahrzehnten meist ungefähr so aus: Autofahrer sollten so bequem wie möglich in die Innenstadt kommen, vielleicht zum Shoppen kurzzeitig irgendwo parken können und so schnell wie möglich wieder draußen sein. „Autogerechte Stadt“ nannte man das, die Bewältigung eines möglichst großen Verkehrsvolumens war das Ziel: „Der Aufenthalt in der Stadt trat als Gesichtspunkt eher in den Hintergrund“, erklärte Harald Schuster, Mitbegründer der Radkomm, zu Beginn des ersten Kölner „Jane’s Walk“ auf dem Alpener Platz.

Weltweit wird an rund 1000 Orten mitgemacht

Diese Art der Verkehrsplanung richtete sich zwangsläufig gegen jene, die sich dauerhaft in der Stadt aufhalten: ihre Bewohner. Mit dem „Jane’s Walk“ wird alljährlich am ersten Mai-Wochenende an mittlerweile rund 1000 Orten weltweit an Jane Jacobs (1916 bis 2006) erinnert: Jacobs war eine amerikanische Journalistin und Buchautorin, die aufgrund von persönlichen Beobachtungen ein grundsätzliches Umdenken forderte. Nicht mehr vom Auto, sondern vom Menschen her sollte gedacht und geplant werden, so die Forderung von Jacobs, die keine gelernte Stadtplanerin war.

Der Spaziergang, so beschrieben es die Veranstalter in ihrer Einladung, sollte den Zusammenhalt in einer vielfältigen Nachbarschaft stärken. Gemeinsam sollten Orte erkundet werden, an denen Menschen aufeinandertreffen, die Teilnehmer sollten mit den lokalen Gegebenheiten und den Ideen von Jane Jacobs in Kontakt kommen. 

Der Verein Radkomm, der den „Jane’s Walk“ in Kooperation mit dem Fachverband Fußverkehr Deutschland (Fuss e.V.) anbot, versucht seit etwa zehn Jahren unter dem Stichwort Mobilitätswende den Vorrang des Fußgänger- und Radverkehrs vor dem Kraftverkehr durchzusetzen – nicht zuletzt aus Gründen des Klimaschutzes. Aber das vertrage sich sehr gut mit den Ideen für eine menschengemäße Stadt, meint Schuster: „Selbstverständlich brauchen viele Leute ein Auto. Aber wenn man zu Fuß oder mit dem Rad unterwegs ist, dann hat man viel eher die Chance, Menschen zu treffen, vielleicht ins Gespräch zu kommen.“

Begegnungen ohne Stress im Veedel

Der „Jane’s Walk“ führte zu Orten, an denen Begegnung entspannt und ohne Stress möglich ist. Sie sind, so Schuster, unverzichtbar, wenn sich Städter in ihrem Umfeld wohlfühlen sollen. Den knapp 40 Teilnehmern wurde im Verlauf der eineinhalbstündigen Wanderung durch Ehrenfeld vor Augen geführt, welche Bedingungen dafür erfüllt sein müssen.

Gute Beispiele sind Alpener Platz und Leo-Amman-Platz, aber auch der Lenauplatz: Vor nicht allzu langer Zeit waren sie noch öde und verwaist, teils versiegelt – nach Umgestaltungsmaßnahmen sind sie heute bei halbwegs gutem Wetter beliebte Treffpunkte.

Bänke, Sitzgelegenheiten, ansprechende Begrünung, Möglichkeiten zum Boule-Spiel oder Tischtennis, ein Bäcker oder ein Kiosk in der Nähe, gern auch eine Toilette – all das identifizierten die Teilnehmer nach einem Blick in die Umgebung als Wohlfühlfaktoren. Empfehlenswert scheint außerdem eine gemischte Nutzung von Freiflächen und Parks durch unterschiedliche Gruppen zu sein, damit man aus seiner Blase herauskommt und Neues entdeckt.

Cafés und Restaurants beleben die Straßen

Auch Cafés oder Restaurants tragen zur Belebung der Straßen bei. „Insgesamt sollten die Erdgeschosse der Gebäude interessant sein, wenn sich zum Beispiel keine Lädchen abwechseln, statt der großen Supermarkt- oder Imbissketten“, meinte eine Teilnehmerin.

Ebenfalls wichtig ist eine weitere Erkenntnis von Jane Jacobs: „Die Bewohner bauen ein Verhältnis zur Geschichte ihres Stadtteils auf, sie verbinden ihre persönliche Lebensgeschichte mit den Gebäuden.“ Jacobs setzte sich aus diesem Grund gegen den Abriss von alten Gebäuden in New York zur Wehr und nahm dafür Gefängnisstrafen in Kauf. Ähnlich heftige architektonische Einschnitte gab es in Köln, „als die Nord-Süd-Fahrt gebaut und ganze Veedel auseinandergerissen wurden“, so Schuster.

Deshalb sei es so wichtig, dass es in Ehrenfeld nach langem Kampf gelang, das alte Verwaltungsgebäude der Leyendecker Bleiröhrenwerke zu erhalten und in ein Bürgerzentrum umzumodeln, während die Bürgergarde Blau-Gold im früheren Wasserturm der Firma untergekommen ist.

„Wir haben Ehrenfeld für den ersten ‚Jane’s Walk‘ ausgewählt, weil sich hier in den vergangenen Jahren viel Positives entwickelt hat, aber wir würden diese Rundgänge gern auch in anderen Stadtteilen anbieten“, sagte Harald Schuster.

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