Schnelle Hinrichtung drohtIran bestätigt Todesurteil gegen Deutschen – Baerbock entsetzt

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Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd in einem Teheraner Revolutionsgericht.

Die undatierte Aufnahme zeigt den Deutsch-Iraner Djamshid Sharmahd in einem Teheraner Revolutionsgericht.

Das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd sei inakzeptabel, erklärte Außenministerin Annalena Baerbock. 

Der Oberste Gerichtshof im Iran hat das umstrittene Todesurteil gegen den Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd bestätigt, das erklärte ein Justizsprecher. Die entsprechenden Maßnahmen zur Vollstreckung sollen eingeleitet werden, sobald das zuständige Gericht informiert wurde, sagte Setajeschi weiter. Ein genauer Zeitpunkt war nicht bekannt.

Die in den USA lebende Tochter des Deutsch-Iraners reagierte am Nachmittag auf Twitter auf die Neuigkeiten: „Mit der Nachricht aufzuwachen, dass das kindermordende Regime meinen Vater töten will, wünsche ich niemandem“, schrieb Gazelle Sharmahd.

Tochter von Jamshid Sharmahd: „Mit der Nachricht aufzuwachen, wünsche ich niemandem“

„Aber eines ist klar: Ich werde nicht leise sein und bitte euch alle, mit mir gemeinsam zu kämpfen für #SaveSharmahd“, führte sie aus. Mit dem Hashtag „#SaveSharmahd“ werben Unterstützerinnen und Unterstützer Sharmahds seit Monaten um Aufmerksamkeit für den Fall. 

Ein Revolutionsgericht hatte den 68-Jährigen im Februar unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht. Außerdem legte das Gericht ihm die Kooperation mit ausländischen Geheimdiensten zur Last. Überprüfen lassen sich die Vorwürfe nicht. Todesstrafen werden im Iran normalerweise durch Erhängen vollstreckt.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Bundesregierung auf, diplomatische Konsequenzen zu ziehen. „Die iranische Justiz hat hier erneut ihre menschenrechtswidrige Praxis angewandt, Todesurteile nach unfairen Gerichtsverfahren zu bestätigen“, sagte Iran-Experte Dieter Karg laut Amnesty-Mitteilung.

Scharfe Kritik am Iran: „Zu keinem Zeitpunkt den Ansatz eines fairen Prozesses“

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) schrieb auf Twitter: „Wir fordern Iran auf, dieses willkürliche Urteil unverzüglich rückgängig zu machen.“ Die Bestätigung des Todesurteils gegen Sharmahd sei inakzeptabel.

„Jamshid Sharmahd hatte zu keinem Zeitpunkt den Ansatz eines fairen Prozesses“, so Baerbock. Man setze sich mit allen Kräften für Sharmahd und gegen die Vollstreckung des Urteils ein. Der deutsche Botschafter in Iran habe sofort eine Dienstreise abgebrochen und befinde sich auf dem Weg zurück nach Teheran, um bei den iranischen Behörden zu intervenieren.

Am Donnerstag erklärte Baerbock zusätzlich: „Wir setzen uns als Bundesrepublik Deutschland in Berlin, aber auch in Teheran weiterhin mit allen Kräften für Herrn Sharmahd ein.“ Sie forderte den Iran erneut auf, das „absolut inakzeptable“ und willkürliche Urteil rückgängig zu machen.

Friedrich Merz fordert Freiheit für Jamshid Sharmahd

CDU-Chef Friedrich Merz, der Sharmahds politische Patenschaft übernommen hatte, zeigte sich auf Twitter schockiert. „Ich fordere das Regime im Iran erneut auf, Jamshid Sharmahd sofort die Ausreise in sein Heimatland Deutschland zu ermöglichen!“, schrieb Merz.

SPD-Chefin Saskia Esken sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Bestätigung des Todesurteils entbehre jeder rechtsstaatlichen Grundlage und dürfe nicht hingenommen werden. Sie sprach von „mafiösen Mitteln“ aus Teheran und kritisierte auch das Verfahren als grob unfair. „Wir müssen alle Hebel in Bewegung setzen, um die Hinrichtung von Jamshid Sharmahd abzuwenden“, so Esken.

Auch CDU-Außenpolitikexperte Norbert Röttgen zeigte sich entsetzt: „Seit 1000 Tagen ist der deutsche Staatsbürger Jamshid Sharmahd im Iran in Haft. Er wurde gefoltert & zum Tode verurteilt. Die menschenverachtende Politik dieses Regimes muss endlich aufhören. Jamshid Sharmahd muss freigelassen werden.“

Am Tag nach der Bestätigung gab es in diversen deutschen Städten Protestkundgebungen gegen das Urteil, darunter eine von Amnesty International.

Vorwürfe gegenüber Jamshid Sharmahd: Engagement in den USA in der Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“

Sharmahd wurde im Sommer 2020 Berichten zufolge vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran gebracht. Seitdem ist er in Teheran inhaftiert. Zuvor lebte Sharmahd jahrelang in den USA. Seine Familie und Menschenrechtsgruppen wiesen die Vorwürfe gegen ihn in der Vergangenheit zurück.

Jamshid und Gazelle Sharmahd auf einer undatierten Aufnahme.

Jamshid und Gazelle Sharmahd auf einer undatierten Aufnahme.

Sharmahd engagierte sich in den USA in der Exil-Oppositionsgruppe „Tondar“ (Donner), die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt. Irans Justiz macht die Organisation für einen Anschlag im Jahr 2008 in einer Moschee der Stadt Shiras mit mehreren Toten verantwortlich. Drei Männer wurden in diesem Zusammenhang bereits hingerichtet.

Gazelle Sharmahd unzufrieden mit Bundesregierung: „diplomatische Ausreden“

Im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ hatte Sharmahds Tochter die bisherigen Bemühungen der Bundesregierung bereits im Frühjahr scharf kritisiert. „Ich habe ihnen als gutgläubige Bürgerin geglaubt. Ich habe meiner Regierung vertraut, dass sie alles tun, um uns Bürger vor Terror, Mordanschlägen, Entführung, Folter, Propaganda, Scheinprozessen und Staatsmord durch Hinrichtungen zu beschützen“, sagte Gazelle Sharmahd. Geändert habe sich an der Situation ihres Vaters jedoch über Jahre hinweg nichts.

„Ihm wurden sämtliche Menschenrechte geraubt, er wurde seiner körperlichen und psychischen Gesundheit beraubt, seiner Stimme beraubt, seiner Würde, seiner Hoffnung, und bald soll ihm auch der letzte Atemzug geraubt werden.“ In den bisherigen Stellungnahmen des Auswärtigen Amts sehe sie vor allem „diplomatische Ausreden“.

Derzeit sind mehrere europäische Staatsbürger im Iran inhaftiert, viele von ihnen haben auch einen iranischen Pass. Der Iran behandelt Doppelstaatsbürger juristisch wie Iraner. Kritiker werfen Teheran vor, ausländische Staatsbürger als politische Geiseln festzusetzen. Der Iran weist die Vorwürfe zurück und begründet die Festnahmen üblicherweise mit dem Vorwurf der Spionage. (mit dpa)

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