Fluthelfer-HochzeitIn den Trümmern von Bad Münstereifel fanden sie die große Liebe

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Das frisch verheiratete Ehepaar steht auf einer Brücke in Bad Münstereifel und küsst sich.

Jenny Ulhaas aus Niederkastenholz und Tim Schmitt aus Königswinter küssen sich an der Stelle, an der sie sich zum ersten Mal begegnet sind.

Jenny Ulhaas und Tim Schmitt lernten sich beim Aufräumen nach der Flutkatastrophe in Bad Münstereifel kennen. Jetzt haben sie dort geheiratet.

Ist eine Katastrophe auch noch so schlimm – aus ihr kann sich dennoch etwas Schönes entwickeln. In Bad Münstereifel weiß man das, weil nach der Flut plötzlich Tausende Sonnenblumen entlang der Erft erblühten. Die Kerne waren aus einer zerstörten Tierbedarfshandlung herausgeschwemmt worden und hatten sich ausgesät.

Und auch das zarte Pflänzchen der Liebe entwickelte sich gleich mehrfach. Am Dienstag besiegelten es Jenny Ulhaas aus Niederkastenholz und der aus Bonn stammende Tim Schmitt. Kennengelernt hatten sie sich anderthalb Wochen nach der Flut in Bad Münstereifel.

Die Bundeswehr wurde unfreiwillig zum Kuppler

Dass die Bundeswehr auch kräftig anpacken kann, weiß man spätestens seit der Flut im Kreis Euskirchen. Dass sie unfreiwillig auch zum Kuppler wurde, dürfte neu sein im Streitkräfte-Portfolio. Aber die Bundeswehr, die an einigen Stellen in Bad Münstereifel koordinierend tätig war, hatte Jenny Ulhaas und Tim Schmitt unmittelbar vor der Stadtmauer, am Erftdurchlass an der Bleiche, in eine Gruppe eingeteilt.

Tim Schmitt trägt seine frisch angetraute Frau Jenny Ulhaas. Im Hintergrund ein Leinentuch mit einer herzförmigen Öffnung.

Diesmal trug Tim Schmitt in Bad Münstereifel nur seine Jenny Ulhaas auf Händen.

In einer Kette wurden Schutt und Unrat aus der Erft geräumt. „Tim und sein Kumpel sind mir sofort aufgefallen, weil sie außerhalb dieser Kette schwere Holzbalken getragen haben“, erzählt Jenny Ulhaas. Für Standesbeamtin Silke Jansen ist klar: Das war Liebe auf den ersten Blick. „Es gibt doch nichts Schöneres, als den Menschen zu treffen, den man sein Leben lang gebraucht hat.“

Zufall? Standesbeamtin Silke Jansen glaubt an Vorherbestimmung

Zum ersten Mal miteinander gesprochen haben die beiden Fluthelfer, als sie nebeneinander im Bett der Erft standen. Dass die beiden überhaupt nach Bad Münstereifel zum Helfen gekommen waren, war auch dem Zufall geschuldet. Oder war es doch vorherbestimmt, wie Silke Jansen meint? Jenny Ulhaas hatte am ersten Wochenende nach der Flut noch in Euskirchen mit angepackt. „Uns ging es in Niederkastenholz ja gut“, erklärt sie, auch wenn dort das Wasser im Keller stand. Als frühere Studentin und Dozentin an der Fachhochschule für Rechtspflege hat sie eine Verbindung in die Kurstadt.

Die Werkbrücke in Bad Münstereifel war einen Monat nach der Flut ein Trümmerhaufen und abgesperrt.

Die eingestürzte Werkbrücke, etwa einen Monat nach der Flut. Dort trafen sich Jenny Ulhaas und Tim Schmitt zum ersten Mal.

Das gilt auch für Tim Schmitt. Er war zunächst in Kreuzberg an der Ahr beschäftigt, weil dort seine Tante und sein Neffe leben. Aber am zweiten Wochenende kam er wegen des großen Andrangs durch freiwillige Helfer dort nicht mehr hin und entschied sich mit seinem Kumpel, nach Bad Münstereifel zu fahren, weil ein guter Freund dort lebt.

Nach dem ersten Abend gründete sich die „Trümmertruppe“

Von einem „ungewöhnlichen Zeitpunkt“, dass zwei Menschen zueinander finden, sprach Silke Jansen: „Inmitten von Trümmern, Schutt, Staub und Lehm – wer rechnet damit, der Liebe des Lebens zu begegnen?“ Aber Baufahrzeuge, die diesen Schutt wegräumten, stünden für einen positiven Neuanfang.

Ein Ballon in Form eines Autos, auf dem „Frisch verheiratet“ steht.

Die Aufschrift auf diesem Ballon ist eindeutig.

Nach getaner Arbeit kamen die Helfer zum Feierabendbier vor dem Rathaus zusammen. Und dann gab es einen weiteren Zufall. Ein Traktorfahrer, von Silke Jansen als „Käpt'n Blaubär“ bezeichnet, wollte noch weiter arbeiten und suchte Freiwillige. Die Helfer von der Werkbrücke meldeten sich. Die „Trümmertruppe“ war geboren, Whats-App-Gruppe inklusive. „Ich habe dann Tims Kumpel angeschrieben, ob sie noch mal kommen. Am Samstag danach trafen wir uns wieder.“

Tim brachte seine Zahnbürste mit und ist nicht mehr gegangen.
Jenny Ulhaas

Zum Feierabendbier kamen auch noch Feierabendschnäpse dazu, wie Silke Jansen aufzählte. Die beiden Fluthelfer ließen die Autos stehen. Am nächsten Morgen holten sie gemeinsam ihre Autos ab, am Abend verabredeten sie sich spontan. „Tim brachte seine Zahnbürste mit und ist nicht mehr gegangen“, erzählt Jenny Ulhaas lachend. Mittlerweile lebt das Paar bei Königswinter zusammen. Der 35-Jährige, der erst vor drei Wochen den Heiratsantrag machte, ist als Zimmermann tätig, die seit ihrem Hochzeitstag 37-Jährige bei der Staatsanwaltschaft Bonn. Gemeinsam haben sie ihre Leidenschaft fürs Tanzen entdeckt.

Und dort können sie das machen, was Silke Jansen ihnen riet: „Wenn zwei sich an den Händen halten, bedeutet das: Ich liebe dich.“ Dass Jennys beste Freundin und Tims Freund – beide auch Fluthelfer – zum Paar geworden sind, hat die Standesbeamten umgehauen. „Und ich traue jetzt seit 19 Jahren“, so Jansen.

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