Mit VideoOberbergs neue CSI für Verkehrsunfälle

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Polizisten arbeiten an einem Auto, das über ein Fahrrad gefahren ist.

Mit klassischen Mitteln wie dem Zollstock, aber auch mit der Drohne und einem 3D-Scanner vermessen die Polizisten des Spezialteams die Unfallstelle. Hier zur Demonstration ist es ein simulierter Zusammenstoß mit einem Radfahrer auf dem Hof der Polizeiwache in Gummersbach.

Die zehnköpfige Expertengruppe rückt aus zur Spurensicherung bei schweren Verkehrsunfällen. Seit Januar ist die Kreispolizei einer von 17 Standorten in NRW.

Die letzten fünf Sekunden bis zum Aufprall sind entscheidend. Und die Bordelektronik hat alles dokumentiert: Wie hoch war die Geschwindigkeit? Hat der Fahrer das Lenkrad bewegt? Wann ist er vom Gaspedal gegangen? Wann und wie kräftig hat er auf die Bremse getreten?

Airbag-Steuerung, Antiblockiersystem und andere Assistenztechniken sorgen in modernen Autos dafür, dass diese Daten gesammelt werden. Das Verkehrsunfallaufnahmeteam der Kreispolizeibehörde muss die rollende Datenbank   vor Ort nur noch auslesen, um den Unfallhergang zu rekonstruieren. Bei Neuwagen müssen die Hersteller demnächst   gewährleisten, dass die Polizei darauf Zugriff hat. Noch ist das aber nicht bei allen Autos möglich, schon gar nicht bei älteren Fabrikaten, denen Assistenzsysteme fehlen. „Nicht nur in solchen Fällen“, sagt Teamleiter Alexander Kersting, „brauchen wir noch die klassische Sprühkreide, um auf der Straße Markierungen zu machen“.

Seit Januar ist das zehnköpfige Team im Einsatz, und das nicht nur in Oberberg, sondern als Teil eines landesweiten Netzwerks. Zum Auftakt ging es damals gleich zum Autobahnkreuz Herne, die Experten mussten auch schon Unfälle im tiefsten Hochsauerlandkreis aufnehmen. Natürlich nicht für einen „Sachschaden auf dem Aldi-Parkplatz“, erläutert Polizeihauptkommissar Kersting. Sie sind   gefragt, wenn jemand umgekommen ist (was in diesem Jahr bereits acht Mal der Fall war), wenn jemand in akuter Lebensgefahr schwebt oder wenn der Personenschaden mit einem illegalen Autorennen oder einer Fahrerflucht verbunden war. Zu den 24 schweren Unfällen, für deren Aufklärung das VU-Team OBK bisher Unfallspuren aufgenommen hat, kommen rund 100 weitere Verkehrsermittlungen, zu denen es wegen seines geballten Sachverstands hinzugezogen wurde.

Wiehler Drohnenpilot sorgt für Überblick 

Im Team finden sich auch Seiteneinsteiger wie ein Kfz-Meister und ein Sachverständiger, bald kommt ein gelernter Vermessungstechniker dazu. Zwei der zehn Teammitglieder stammen noch aus der alten dreiköpfigen Truppe, Thomas Struck (55) aus Olpe und der Wiehler Thorsten Hanke (49). Letzterer ist als Drohnenpilot fortgebildet worden. Demnächst steht ihm ein 30 000 Euro teures Fluggerät zur Verfügung, das auch bei widrigsten Wetterbedingungen Luftaufnahmen machen kann. Zur Ausrüstung gehört auch ein 3D-Scanner, der sich schon in der Aufnahme von Mordtatorten bewährt hat. Überhaupt lässt sich die Arbeit des VU-Teams durchaus mit der Spurensicherung vergleichen, wie man sie aus den CSI-Krimis („Crime Scene Investigation“) kennt. Nur dass die Überführung des Täters am Ende einem Sachbearbeiter überlassen bleibt, dem die Unfallspurensicherer nur zuarbeiten. Neben den elektronischen Fahrzeugdaten stellen sie Filme und Bilder zur Verfügung, dazu kommen fremde Aufnahmen, etwa aus Überwachungs- oder Armaturenbrettkameras. Am Computer fügt sich alles zu einem Gesamtbild zusammen, das eine virtuelle Begehung der Unfallstelle erlaubt.

Eine Drohne mit der Aufschrift „Polizei“.

Mit den Aufnahmen der Drohne und des 3D-Scanners wird ein dreidimensionales Bild der Unfallsituation erzeugt.

Landrat Jochen Hagt ist „froh und stolz“, dass die oberbergische Polizei   nun noch professioneller zu einer sauberen straf- und versicherungsrechtlichen Aufarbeitung von schweren Unfällen beiträgt: „Da reden wir über sehr viel Geld.“ Thomas Streier, Leiter des Verkehrskommissariats, hebt einen anderen Aspekt hervor: „Wenn jemand im Verkehr umgekommen ist, sind wir es den Angehörigen schuldig, den Unfall möglichst gewissenhaft aufzuklären.“


Oberberg war Vorreiter

Die Kreispolizeibehörde hat bereits 2010 ein dreiköpfiges Team auf die Aufnahme von schweren Unfällen spezialisiert. Damit waren die Oberberger prädestiniert dafür, einer von 17 Standorten in NRW zu werden, als die Landesregierung 2021 mit dem Aufbau eines Netzwerks von Verkehrsunfallaufnahmeteams begann. Zunächst wurden die nordrhein-westfälischen Großstädte entsprechend ausgestattet, danach folgten in zwei Phasen weitere Polizeibehörden. Zuletzt gingen im Januar der Oberbergische Kreis und die Polizeipräsidien in Aachen und Wuppertal an den Start. Alle 17 Teams können landesweit eingesetzt werden. Die Nachtschichten werden von den personell stärker besetzten Großstadtteams übernommen. Bei der Dienstbereitschaft an den Wochenenden wechselt sich das oberbergische Team mit den Kollegen aus dem Hochsauerlandkreis ab.

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